Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GLEICHHEIT/2656: Bernanke verteidigt die Fed


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Fast ein Jahr nach dem Finanzkrach von 2008
Bernanke verteidigt die Fed

Von Patrick Martin
26. August 2009
aus dem Englischen (25. August 2009)


Der Vorsitzende der US-Zentralbank, des Federal Reserve Board (Fed), Ben Bernanke, hielt auf dem Sommer Symposium der Zentralbanker der Welt, das am 20./21. August in Jackson Hole, Wyoming, stattfand, eine Rede. Darin verband er einen Rückblick auf die beispiellose Finanzkrise des vergangenen Jahren mit einer kurzfristigen Prognose der Aussichten für die Wirtschaft in den USA und weltweit.

Es ist nicht unangemessen zu sagen, dass Bernanke sich in seiner Ansprache einen Weg durch ein politisches Minenfeld gesucht hat, indem er die beispiellose Heftigkeit der Finanzkrise zugab und auch, dass die Fed und andere Finanzinstitutionen sie nicht vorhergesehen hatten. Er verteidigte die Maßnahmen der Fed vom September 2008 bis heute, bei denen Billionen von Steuergeldern eingesetzt wurden, um die Wall Street zu retten und versprach der breiten Öffentlichkeit, dass bessere Zeiten kämen, obwohl die wirtschaftliche Lage der arbeitenden Bevölkerung katastrophal ist.

Bernanke begann mit der Bemerkung, dass er vor einem Jahr eine ähnliche Versammlung geleitet habe, als - jedenfalls bei den Vertretern des Kapitals - die Meinung vorherrschte, die Finanzkrise sei einigermaßen unter Kontrolle. Als sich Bernanke und seine Kollegen Banker und Finanzaufseher im August 2008 in Jackson Hole trafen, gab es schon erste Zeichen einer Rezession und einige heftige Schocks wie die erzwungene Liquidation von Bear Stearns. Aber kaum ein Marktteilnehmer erwartete eine plötzliche Verschlimmerung der Finanzsituation."

Aber im Gegensatz zu den Hoffnungen der Zentralbanker "gerieten in den darauffolgenden Wochen etliche systemisch entscheidende Finanzinstitutionen an den Rand des Zusammenbruch. Die Aktivitäten in einigen Kernbereichen der Finanzmärkte kamen so gut wie zum Erliegen und die Weltwirtschaft geriet in eine tiefe Depression."

Der größte Teil von Bernankes Rede widmete sich den Einzelmaßnahmen, die von der Fed und anderen Zentralbanken unternommen wurden, um nach der Pleite von Lehman Brothers am 15. September 2008, die eine Vertrauenskrise in das globale Finanzsystem ausgelöst hatte, die Finanzinstitutionen zu stützen. Er gab sich keine Mühe, die Entscheidung zur Rettung der Banken zu rechtfertigen, und hielt er dies in einer Rede vor einem Publikum von gleichgesinnten Führungspersönlichkeiten des Weltkapitalismus auch nicht für nötig.

Während diese wirtschaftspolitischen Größen Himmel und Hölle in Bewegung setzten, um die Banken zu retten, machten sie jedoch keinerlei vergleichbare Anstrengungen, um Arbeitsplätze, den Lebensstandard, die Sozialleistungen oder Wohnungen von zig Millionen Arbeitern zu retten. Im Gegenteil, die Zerstörung der Lebensbedingungen der Masse der arbeitenden Bevölkerung war eine notwenige Konsequenz der Politik zur Rettung der Finanzeliten. Die internationale Arbeiterklasse hat für die Rettung der Finanzaristokratie bezahlt und wird weiter dafür zahlen.

Bernanke pries die Ergebnisse der Intervention der Zentralbanker und stellte einen "bemerkenswerten Fortschritt" fest. Gleichzeitig gab er zu, dass die wirtschaftliche Erholung "schrittweise" erfolge und die Arbeitslosigkeit auf extrem hohem Niveau bleiben werde.

Viele Daten zeigen an, dass diese Prognose einer schrittweisen Erholung viel zu rosig ist. Die Privatinsolvenzen und Zwangsversteigerungen in den USA erreichen Monat für Monat Rekordzahlen. Die Ausgaben der Verbraucher stagnieren und ihre Stimmung ist pessimistischer als jemals seit 1946. Die Verschuldung der Haushalte hat 123 Prozent der Einkommen erreicht.

Nach einem Bericht von Associated Press vom Montag hat die Wall Street alle alten Methoden der Absicherung von Schulden und Hypotheken durch immer komplexere und unkalkulierbare Finanzinstrumente wieder aufgenommen, einschließlich derer, die den Zusammenbruch von 2008 ausgelöst haben "In den vergangenen Monaten haben Investmentbanken die alten Hypothekensicherheiten neu verpackt und bieten sie als neue Produkte an, die fast identisch mit den Investmentpaketen sind, die im Zentrum des Marktzusammenbruchs standen", heißt es in der Nachricht.

Ein bürgerlicher Kritiker der Fed, der Wirtschaftswissenschaftler Nouriel Roubini warnte in einer Kolumne der Financial Times, dass es jetzt ein zunehmendes "Risiko einer Rezession im Muster eines W" gebe. Er wies auf die Inflationsgefahren durch die gewaltigen Kreditspritzen der Zentralbanken und den Zusammenbruch der Konsumentenausgaben aufgrund der wachsenden Arbeitslosigkeit hin.

Aber es gibt noch ein gewichtigeres Argument gegen Bernankes vorsichtigen Optimismus. Weshalb sollten die Voraussagen des Chefs des Federal Reserve Boards im August 2009 ernster genommen werden als die vom August 2008?

In seinem Bericht über den Zusammenbruch von 2008 lieferte Bernanke keine Erklärung dafür, weshalb die "Weisen" des Weltkapitalismus vollkommen unvorbereitet waren. Aber was für die Zentralbanker ein unbegreifliches Rätsel war, kam für die World Socialist Web Site nicht überraschend.

Zwei Monate vor dem letztjährigen Treffen von Jackson Hole, hatte die WSWS in einem Kommentar auf die widersprüchliche Politik der Federal Reserve hingewiesen, die die Geldpolitik gelockert hatte, während die Europäische Zentralbank sie anzog. Wir schrieben am 28. Juni 2008 in dem Artikel US-Zentralbank in weltweite Turbulenzen verstrickt. (siehe http://www.wsws.org/de/2008/jul2008/usnb-j02.shtml):

"An der gegenwärtigen Situation fällt besonders die außerordentliche Geschwindigkeit ins Auge, mit der sich diese Prozesse heute abspielen. Vor einem Jahr wiesen maßgebliche Berichte globaler Finanzinstitute wie der Weltbank oder des Weltwährungsfonds auf die Risiken von Inflation und finanziellen Turbulenzen hin. Aber da waren das noch relativ kleine Wolken am Horizont. Jetzt hat sich die Lage dramatisch verändert, und die Weltwirtschaft befindet sich in ihrer ernstesten Krise seit mehr als drei Jahrzehnten."

Nachdem das Finanzministerium im Juli 2008 Fannie Mae und Freddie Mac, die beiden riesigen Kreditinstitute gerettet hatte, die den größten Teil des US-Hypothekenmarktes abdecken, schrieben wir, dass ein Zusammenbruch dieser beiden Institute eine weltweite Krise ausgelöst hätte. (siehe http://www.wsws.org/de/2008/jul2008/bail-j19.shtml)

Es käme "zu einem völligen Zusammenbruch der globalen Finanzmärkte, da Tausende von US-Banken, Hedge-Fonds, Pensionskassen und andere Institutionen Wertpapiere halten, die von den beiden Gesellschaften garantiert werden. Außerdem haben Zentralbanken, Regierungen und private Banken weltweit sehr stark in die Schuldtitel von Fannie Mae und Freddie Mac investiert."

Wir warnten vor dem Implikationen der neuen Politik: "Die Rettungsaktion von Fannie Mae und Freddie Mac schafft den Präzedenzfall für einen noch umfangreicheren Einsatz von Steuergeldern zur Rettung von großen Finanzhäusern."

Bernanke ist allen Berichten zufolge eine intelligenter Mann und ein angesehener bürgerlicher Ökonom, dessen akademisches Spezialgebiet die Untersuchung der US-Finanzpolitik während der Großen Depression war. Doch trotz seiner Forschungen und des riesigen Datenmaterials, das dem Federal Reserve Board zur Verfügung steht, sah er den größten Finanzzusammenbruch seit den 1930er Jahren nicht voraus. Die WSWS, die mit einer marxistischen Anschauung ausgestattet ist, sah sie voraus und die Socialist Equality Party bereitete sich entsprechend vor und hielt im August 2008 ihren Gründungskongress ab.

Siehe auch:
Was steckt hinter der Aufschwungseuphorie?
(20. August 2009)

Obama verkündet Wirtschafts-"Aufschwung"
(4. August 2009)


*


Bitte senden Sie Ihren Kommentar an: wsws@gleichheit.de!.

Copyright 1998-2009 World Socialist Web Site - Alle Rechte vorbehalten


*


Quelle:
World Socialist Web Site, 26.08.2009
Fast ein Jahr nach dem Finanzkrach von 2008
Bernanke verteidigt die Fed
http://wsws.org/de/2009/aug2009/fed-a26.shtml
Deutschland: Partei für Soziale Gleichheit
Postfach 040144, 10061 Berlin
Tel.: (030) 30 87 24 40, Fax: (030) 30 87 26 20
E-Mail: info@gleichheit.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2009