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GEHEIM/249: Leopoldo Castillo - Der "Priesterkiller"


GEHEIM Nr. 2/2009 - 13. Juli 2009

Leopoldo Castillo - Der "Priesterkiller"

Von Ingo Niebel


Wenn man der US-finanzierten Journalistenorganisation "Reporter ohne Grenzen" (RoG) glauben möchte, dann ist Venezuelas Präsident Chávez ein Feind der Pressefreiheit, denn er würde oppositionellen Medien verfolgen. Das war zuletzt am 29. Mai 2009 in einem Statement nachzulesen, in dem sich die RoG auf Seiten des venezolanischen Fernsehsenders Globovisión stellte. In der Logik der deutschen "political correctness" bedeutet das, dass der TV-Sender per se moralisch und berufsethisch "gut" sein muss, denn er wird ja von einem Staatsoberhaupt verfolgt, das innerhalb von zwei Wochen gleich dreimal seinem iranischen Amtskollegen Mahmud Ahmadinedschad beistand. Mit dieser beschränkten Sichtweise, die bei den deutschen Mainstreammedien leider gang und gäbe ist, stellen diese den Fernsehsender "Globovisión" mit seinem Anchorman Leopoldo Castillo als das letzte Bollwerk der Pressefreiheit in Venezuela dar.

Die verantwortlichen Journalisten unterschlagen dabei regelmäßig zwei wesentliche Aspekte: die Rolle des Senders bei der medialen Vorbereitung und Durchführung des Putsches vom April 2002 gegen Präsident Chávez und Castillos Verwicklung in den "schmutzigen Krieg" der rechten Todesschwadrone gegen die Bevölkerung El Salvadors in den 1980er Jahren.

Mitten im salvadorianischen Bürgerkrieg geschah 1989 der Mord an sechs Jesuiten. Die Geistlichen lehrten an der Zentralamerikanischen Universität (UCA) und standen im Verdacht, Kontakte zur linken Guerilla "Frente Farabundo Martí de Liberación Nacional" (FLMN) zu unterhalten. Eine Woche vor dem Mord hatte der CIA-Agent und Buchautor Carlos Alberto Montaner einen der Jesuiten in einer Fernsehsendung öffentlich angegriffen. Damit gerieten die Glaubensbrüder ins Fadenkreuz der US-gesteuerten rechten Todesschwadronen, die im Rahmen der "Operación Centauro" ihre politischen Gegner entführten, folterten und ermordeten. Am 16. November 1989 drang die "Escuadrón Tandona" in die UCA ein, holte die sechs Jesuiten aus den Betten, brachte sie in einen kleinen Hof, wo sie sich mit dem Gesicht nach unten auf den Boden legen mussten. Dann verpassten ihre Mörder ihnen Kopfschüsse, wobei sie Explosivmunition verwendeten. Beim Verlassen des Gebäudes leerten die Täter ihre Magazine auf ein Christusbild, das am Eingang der UCA hing.

Für die logistische Abdeckung des Mordes war der damalige Botschafter Venezuelas in El Salvador, Leopoldo Castillo, verantwortlich. Er brachte die Täter auf die Spur der sechs Geistlichen. Außerdem half er ihnen mit ihren Waffen den zentralamerikanischen Staat zu betreten und auch wieder sicher zu verlassen.

Am 31. Januar 1990 schrieb der Korrespondent der Nachrichtenagentur Reuters, Dan William: "Die Operation Centauro umfasst kubanische Agenten, die in Miami leben, und den Botschafter von Venezuela in El Salvador, Leopoldo Castillo, von dem man sagt, er sei die Quelle der Nachrichtendienste gewesen, die die sechs Jesuiten identifizierten, um sie zu ermorden." Damals gaben Salvadoreños Castillo den Beinamen "Matacura" - "Priesterkiller"

El Salvadors neugewählter Präsident Mauricio Funes kündigte bei seiner Antrittsrede an, er werde die Straflosigkeit, die den Mitglieder der Todesschwadronen bisher gewährt wurde, beenden. Dabei dürfte er auch auf erheblichen Widerstand aus den USA stossen. Deren Außenministerin Hillary Rodham Clinton gab nicht nur am 7. Juli Globovisión ein Interview, in dem sie Venezuela Ratschläge in Demokratie, Pressefreiheit und Außenpolitik erteilte, sondern sie ließ sich auch noch von Leopoldo "Matacura" Castillo, befragen.


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Quelle:
GEHEIM Nr. 2/2009, 13. Juli 2009, Seite 28
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2009