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GEGENWIND/734: Keine Gewöhnung!


Gegenwind Nr. 349 - Oktober 2017
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein

Kommentar
Keine Gewöhnung!

Von Reiner Pohl


Die Bundestagswahl ist vorbei, jetzt sitzen Nazis im Bundestag.

Bisher blieben wir davon verschont, seit die Rote Armee 1945 den Reichstag erobert hatte. 1969 war es fast soweit, als die NPD immerhin 4,3 % der Stimmen bekam. Heute haben die islam-feindlichen Nazis die juden-feindlichen Nazis abgelöst und sich damit modernisiert, aber besser wird damit nichts.

Die AfD wurde in den letzten Jahren vor allem von Talkshows immer und immer wieder öffentlich präsentiert, wobei das nicht auf Sympathie, sondern auf dem Schielen nach Einschaltquoten beruhte. Schon vor der Formierung zur Partei wurde die Einschaltquote durch Pöbeleien von Sarrazin und Geistesverwandten nach oben getrieben. Es ist nicht zu erwarten, dass die AfD eine arbeitsfähige Fraktion bildet.

Es ist auch keine inhaltliche Arbeit zu erwarten. Viele Abgeordnete sehen die Hauptfeinde in der eigenen Partei. Es kann auch zu Spaltungen, Abspaltungen, Ausschlüssen oder Austritten kommen, das kennen wir aus den AfD-Fraktionen in den Landesparlamenten.

Was aber zu erwarten ist, ist Stimmungsmache gegen Ausländerinnen und Ausländer, gegen Flüchtlinge, gegen Muslimas und Muslime. Und diese Stimmungsmache wird Rassisten wie Rassistinnen im ganzen Land weiter ermutigen und aufputschen, alle möglichen Nazi-Sprüche nicht mehr nur vorgeblich anonym im Internet zu tätigen, sondern auch persönlich in Bus und Bahn, auf Straßen und Plätzen, in der Schlange vor der Kasse und im Wartezimmer des Arztes.

Deshalb ist es wichtig, sich nicht - und niemals - an die Nazis zu gewöhnen. Diese Haltung ist uns von vielen Medien vor der Wahl nahe gelegt worden: Die AfD kommt sowieso in den Bundestag, das ist einfach so. Alle Umfragen sagen das. So wurde aus Talkshow-Auftritten, Umfragen und neuen Talkshow-Auftritten ein Kreis. Und die anderen Parteien? Sie schleimten sich an die AfD-Forderungen an. 100.000 Pegida-Schreihälse wurden hofiert, 3 Millionen freiwillige Helferinnen und Helfer in der Flüchtlings-Solidarität waren egal, weil sie eher leise arbeiten. Hatten CDU und SPD noch 2015 gemeinsam das Recht auf Familiennachzug für Kriegsflüchtlinge ("subsidiär Geschützte") ins Gesetz aufgenommen, waren sie jetzt gemeinsam dagegen. Kaum forderte die AfD die Abschiebung von abgelehnten Flüchtlingen, überboten sich CDU und SPD in der Propagierung von Konzepten, die Abschiebungen zu beschleunigen, statt für die Flüchtlinge einzustehen.

Es ist unwahrscheinlich, dass die Parteien im Bundestag sich jetzt gerade machen und gemeinsam rechten Parolen etwas entgegensetzen. Es bleibt wohl bei der Kombination von Widerspruch und vermeintlicher Rücksichtnahme auf die "Sorgen".

Es ist also an uns, dem Rassismus entgegenzutreten. Eine Gewöhnung an die Nazis im Bundestag wäre eine Selbstaufgabe.

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Quelle:
Gegenwind Nr. 349 - Oktober 2017, Seite 3
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Oktober 2017

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