Schattenblick → INFOPOOL → MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE


GEGENWIND/685: Abschiebe-Gewahrsam am Hamburger Flughafen in Betrieb genommen


Gegenwind Nr. 338 - November 2016
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein

Neue Einrichtung für Flüchtlinge
Abschiebe-Gewahrsam am Hamburger Flughafen ist fertig

Von Reinhard Pohl


"Eröffnung" ist der falsche Ausdruck: In Hamburg-Fuhlsbüttel wurde jetzt die neue Abschiebe-Einrichtung in Betrieb genommen. Es handelt sich um eine Art Gefängnis für Familien, es gibt Wohnräume und einen Spielplatz mit Stacheldraht-Umzäunung. Bis zu 20 Personen können hier eingesperrt werden, um auf die eigene Abschiebung zu warten.


Grundlage ist eine Gesetzes-Änderung vom Oktober 2015. In das Aufenthaltsgesetz ist ein neuer § 62 b eingefügt worden:

§ 62b Ausreisegewahrsam

(1) Unabhängig von den Voraussetzungen der Sicherungshaft nach § 62 Absatz 3 kann ein Ausländer zur Sicherung der Durchführbarkeit der Abschiebung auf richterliche Anordnung für die Dauer von längstens vier Tagen in Gewahrsam genommen werden, wenn

1. die Ausreisefrist abgelaufen ist, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich und

2. der Ausländer ein Verhalten gezeigt hat, das erwarten lässt, dass er die Abschiebung erschweren oder vereiteln wird, indem er fortgesetzt seine gesetzlichen Mitwirkungspflichten verletzt hat oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat (Ausreisegewahrsam).

Von der Anordnung des Ausreisegewahrsams ist abzusehen, wenn der Ausländer glaubhaft macht oder wenn offensichtlich ist, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Der Ausreisegewahrsam ist unzulässig, wenn feststeht, dass die Abschiebung nicht innerhalb der Anordnungsfrist nach Satz 1 durchgeführt werden kann.

(2) Der Ausreisegewahrsam wird im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft vollzogen, von wo aus die Ausreise des Ausländers möglich ist.

(3) § 62 Absatz 1 und 4a und § 62a finden entsprechend Anwendung.

Konkret geht es darum, dass es in den letzten Jahren immer weniger Abschiebehaft gab. Grund dafür war eine Rechtsprechung, die immer wieder an die hohen Hürden für eine Freiheitsentziehung erinnerten. Einem Menschen die Freiheit zu nehmen setzt in Deutschland voraus, dass es mildere Mittel nicht gibt. Außerdem haben diejenigen, für die eine Ausländerbehörde Abschiebungshaft beantragt, normalerweise "nichts gemacht" außer nicht auszureisen, nachdem der erlaubte Aufenthalt zu Ende war. Es geht ja nicht um Straftäter.

Damit war nicht nur die CDU unzufrieden. Vor allem machten sich SPD und CDU Sorgen, die AfD könnte das im Wahlkampf verwenden. Wenn eine rechtsextreme Partei fordert, die Rechte von Ausländerinnen und Ausländern einzuschränken, bleiben demokratischen Parteien immer zwei Möglichkeiten: Sie können die Rechte der Menschen verteidigen oder sie können den rechten Parolen nachlaufen. Angesichts der kommenden Landtagswahlkämpfe entschlossen sich SPD und CDU in diesem Fall für die zweite Möglichkeit.

Eingesperrt werden sollen hier Ausländerinnen und Ausländer kurz vor dem Abflug, und zwar für höchstens vier Tage. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür sind weit niedriger als für die "normale" Abschiebehaft, die bis zu 18 Monate dauern kann. Für diese vier Tage Gefängnis reicht es, wenn die Ausländerbehörde begründet, der Ausländer habe ein "Verhalten gezeigt, das erwarten lässt, dass er die Ausreise erschweren wird". Sagt eine Afghanin also, sie wollte nicht zurück nach Afghanistan, und erwartet die Ausländerbehörde, dass sie bei der Abschiebung weint und nicht freiwillig mitgeht, ist das ausreichend.

Das "Ausreisegewahrsam" hat 20 Plätze, davon sind 5 für Schleswig-Holstein reserviert (und werden von Schleswig-Holstein bezahlt).

Innerhalb der gesamten Einrichtung können sich die Gefangenen frei bewegen, wird jedenfalls jetzt noch gesagt, es gibt also keine "Zellen", sondern nur das Gewahrsam selbst.

Arbeiten sollen dort 13,5 Angestellte, die allerdings immer da sind, egal ob die Abschiebeplätze gerade besetzt sind oder nicht.

*

Quelle:
Gegenwind Nr. 338 - November 2016, Seite 8
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
Redaktion: Tel.: 0431/56 58 99, Fax: 0431/570 98 82
E-Mail: redaktion@gegenwind.info
Internet: www.gegenwind.info
 
Der "Gegenwind" erscheint zwölfmal jährlich.
Einzelheft: 3,00 Euro, Jahres-Abo: 33,00 Euro.
Solidaritätsabonnement: 46,20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang