Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GEGENWIND/532: Ausverkauf öffentlicher Güter stoppen


Gegenwind Nr. 292 - Januar 2013
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Ausverkauf öffentlicher Güter stoppen
Die Attac-Regionalgruppe Nordfriesland präsentierte in Husum den Film "Water makes money"

Von Klaus Peters



Die Attac-Regionalgruppe Nordfriesland hatte am 22. November ins Husumer Veranstaltungszentrum Speicher zur Präsentation und Diskussion des Films "Water makes money" eingeladen, der insbesondere die Privatisierungen im Bereich der Wasserversorgung problematisiert und Wege zur Rekommunalisierung aufzeigt. Rund 50 Interessierte, Mitglieder und Sympathisanten aus Bürgerinitiativen, Verbänden und Gewerkschaften, waren erschienen. Diese Attac-Veranstaltung wurde damit erstmalig auch zu einem wichtigen Treffpunkt und Erfahrungsaustausch zahlreicher in zivilgesellschaftlichen Gruppen und Organisationen engagierter Akteure aus der Region.


Eigentlich sind Probleme, die sich durch Privatisierungen ergeben, Probleme im Zusammenhang mit der Trinkwasserversorgung und Probleme des Gewässerschutzes nicht ganz neu. Nitratbelastungen, Belastungen durch andere Schadstoffe wie Kohlenwasserstoffe, sind auch in Schleswig-Holstein lange bekannt. In einigen Regionen ist es bereits zu Brunnenschließungen gekommen, in anderen Fällen mussten aufwendige Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Die Bedrohungen durch höhere Nitratbelastungen nehmen durch Massentierhaltungen, Energiemaismonokulturen und Gärresteausbringungen aus Biogasanlagen noch zu. In vielen Regionen der Welt herrscht Wasserknappheit, nicht nur durch steigenden Verbrauch, sondern auch dadurch, dass Boden und Gewässer durch genehmigte oder ungenehmigte Einleitungen von Schadstoffen, vor allem aus der Landwirtschaft und der Industrie, verunreinigt werden.

In den letzten Jahrzehnten sind die Verbraucher mit einer weiteren schwerwiegenden Problematik konfrontiert worden: Das neoliberale Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell hat sich immer weiter ausgebreitet und auch das Wasser erfasst, Wasser ist zur Ware geworden. In vielen Ländern, Städten und Gemeinden sind Einrichtungen der Daseinsvorsorge in die Hände von privaten Konzernen, von Konzernen die auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sind, geraten.


Politik, Konzerne, Profiteure

In dem 2010 fertiggestellten Film, "Water makes money", der zwischenzeitlich auch in vielen öffentlichen Kinos und vom Fernsehsender Arte gezeigt worden ist, wird durch zahlreiche Interviews mit Experten authentisch und an vielen Beispielen anschaulich dargestellt, welchen Umfang die Privatisierungen bereits angenommen haben, welche Probleme sich ergeben, welche Verknüpfungen zwischen Konzernen und Politik bestehen und welche Personen besonders profitieren.

Die Protagonisten des Neoliberalismus treiben die Privatisierungen weiter voran, in jüngster Zeit zunehmend verknüpft mit der Aufforderung zum Abbau der Staatsverschuldungen. Bis auf die Linkspartei haben in Deutschland alle im Bundestag vertretenen Parteien diese Politik unterstützt und tun dies weiterhin. Immer mehr Städte und Gemeinden beginnen aber zu erkennen, dass diese Politik sie und ihre Bürger nach dem Empfang der "Eintrittsgelder" in zunehmende Schwierigkeiten gebracht hat. Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien und dem Trassenbau ist neuer Privatisierungsdruck mit hohen Profitversprechungen hinzugekommen. Politik und Konzerne arbeiten eng zusammen. Mit neuen Modellen und Begriffen wie "Public Private Partnership (PPP)" oder "Bürgerbeteiligung" werden die Bürger gelockt und getäuscht.


Veolia und Konsorten

Einer der größten Konzerne, der in Europa mit die größten Bereiche der Daseinsvorsorge erobert hat, ist der französische Konzern Veolia, manchmal auch unter anderen Namen, wie Vivendi, Connex oder NOB auftretend. Oft ist nicht bekannt, dass einige Konzerne, die als private Konzerne agieren, mehrheitlich in staatlichem Besitz sind, wie der schwedische Konzern Vattenfall, der holländische Konzern TennT oder auch die deutsche DB AG.

Veolia hat z.B. im Kreis Nordfriesland die Abfallentsorgung übernommen, ist beispielsweise auch Besitzer und Betreiber verschiedener Regionalbahnen, an der Westküste Schleswig-Holsteins betreibt sie die Nord-Ostsee-Bahn (NOB). Auf dem Wassermarkt wird die Veolia sogar als Nr. 1 geführt. Den größten Einfluss hat Veolia in Frankreich, in Frankreich hat sich aber auch der stärkste Widerstand entwickelt. Inzwischen gibt es in vielen Gebietskörperschaften, vor allem in Frankreich und Deutschland, Bestrebungen zur Rekommunalisierung der Ver- und Entsorgung, einige Rekommunalisierungen sind sogar trotz großer finanzieller Schwierigkeiten gelungen. Diese Bestrebungen werden in Deutschland von den Gewerkschaften, insbesondere von Ver.di, unterstützt. Allerdings darf es nach Ver.di auch bei Rekommunalisierungen keinesfalls zu Lohnabsenkungen kommen.

Anlass für Rekommunalisierungen sind neben grundsätzlichen politischen Überlegungen oft extreme Preisanstiege - in 20 Städten hatte sich der Preisanstieg nach einer Privatisierung verdoppelt - und betrügerische Machenschaften. Die Betrügereien können bereits bei der für die Bürger nicht transparenten und ohnehin für Laien kaum nachvollziehbaren Vertragsgestaltung beginnen. Eine bevorzugte Methode der Übernahme einer öffentlichen Einrichtung ist die vereinbarte Zahlung eines zusätzlichen "Eintrittsgeldes" an die Kommunen oder Verbände; Diese Gelder werden gern über Kredite finanziert, für die der private Konzern sich vertraglich günstige Konditionen und dazu auch noch Steuereinsparungen sichert. Letztlich ist dann alles durch die Verbraucher zurückzuzahlen, wegen der Steuerausfälle sind die Verbraucher sogar doppelt belastet.

Die wirtschaftliche Strategie der privaten Konzerne ist logischerweise auf kurzfristige Gewinne angelegt, nicht zuletzt deshalb, weil die Vertragslaufzeiten 10 bis 30 Jahre betragen. Langfristig wirksame Investitionen unterbleiben aus diesem Grund. Erst nach der Rekommunalisierung des Versorgers der Stadt Paris, konnte durch den Ankauf landwirtschaftlicher Flächen im Umland der Stadt erreicht werden, dass diese nach den Prinzipien des ökologischen Landbaus bewirtschaftet werden, um die Grundwasservorräte nachhaltig zu sichern. Die Stadt München ist in gleicher Weise aktiv geworden. In anderen Kommunen und Regionen konnten die Wasserverluste durch Sanierungsmaßnahmen um 25 Prozent reduziert und damit die Kosten entsprechend gesenkt werden. Private Konzerne verzichten eher auf Vorsorgemaßnahmen und setzen bei Belastungen auf Gegenmaßnahmen wie Chloriert, wie der gezeigte Film bestätigte.

Zu den Folgen der Privatisierung gehört selbstverständlich auch, wie der Münchner Oberbürgermeister Uhde überzeugend darlegte, dass die Gemeinden nahezu keinen Einfluss mehr auf Entscheidungen der weit entfernt residierenden Konzernzentralen haben.

In der anschließenden Diskussion kritisierten die beiden anwesenden Vertreter regionaler Wasserversorger, dass die schleswig-holsteinische Landesregierung den Wasserschutz nur nachrangig betrachtet. Wegen unzureichender staatlicher Vorsorge bzw. Vorschriften gegenüber den privat wirtschaftenden Landwirten, seien die Versorger zum Einsatz von Fachberatern gezwungen, um ein Mindestmaß an Vorsorge zu erreichen. Zu den Belastungen durch die konventionelle, zunehmend industrialisierte Landwirtschaft, seien Belastungen durch den massiven Energiemaisanbau und durch die Ausbringung von Gärresten hinzu gekommen. Dagegen hätte auch die neue Landesregierung noch keine wirksamen Maßnahmen unternommen. Die neue Landesregierung würde offenbar der Energiepolitik alle anderen Aufgaben unterordnen. Die Wasserversorger stellen fest, dass die Nitratbelastungen auch im Raum Nordfriesland in den oberen Bodenschichten teilweise schon über den zulässigen Grenzwerten liegen. Potenzielle Gefahren seien mit der Kohlendioxidverpressung und dem möglichen Einsatz von Fracking verbunden. Der Verdi-Vertreter kritisierte die bürgerlichen Massenmedien, weil diese die Probleme und Versäumnisse nicht angemessen darstellen.


Gewerkschafts-Initiative

"Wasser ist Menschenrecht" (Europäisches Bürgerbegehren)

Die europäischen Gewerkschaften im öffentlichen Dienst, in Deutschland ver.di, haben die erste europäische Bürgerinitiative gegründet, mit der die EU-Kommission veranlasst werden soll, die vor 2 Jahren von der UNO verabschiedete Resolution, mit der Trinkwasser als Menschenrecht bestimmt worden ist, in verbindliches EU-Recht umzusetzen. Mit diesem Ziel ist verbunden, den derzeitigen faktischen Warencharakter des Wassers aufzuheben.

In 7 Mitgliedstaaten sind innerhalb eines Jahres insgesamt eine Million Unterschriften einzureichen, damit die EU-Kommission tätig wird. Die konkretisierten Forderungen sind:

  • Wasser und sanitäre Grundversorgung als Garantie für alle Menschen in Europa
  • Keine Liberalisierung der Wasserwirtschaft
  • Zugang zu Wasser und sanitäre Grundversorgung weltweit.

Nachtrag: Der Lübecker Flughafen Blankensee ist wegen der hohen Defizite privatisiert worden. In den Medien wurde Ende November gemeldet, dass es vier Interessenten gäbe, von denen einer den Zuschlag bekam. Eine Zeitung berichtete etwas ausführlicher, gab an, dass alle Interessenten Angebote mit einem "negativen Kaufpreis" vorgelegt hätten. Die Stadt Lübeck sollte demnach bei einer Übernahme des Flughafens durch einen der privaten Investoren die bisherigen Schulden übernehmen und einen jährlichen Zuschuss zahlen. Das hat die Bürgerschaft mehrheitlich beschlossen.

*

Quelle:
Gegenwind Nr. 292 - Januar 2013, Seite 42-43
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
Redaktion: Tel.: 0431/56 58 99, Fax: 0431/570 98 82
E-Mail: redaktion@gegenwind.info
Internet: www.gegenwind.info
 
Der "Gegenwind" erscheint zwölfmal jährlich.
Einzelheft: 3,00 Euro, Jahres-Abo: 33,00 Euro.
Solidaritätsabonnement: 46,20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2013