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GEGENWIND/491: Interview mit Jannine Menger-Hamilton, Landesvorsitzende der LINKEN in Schleswig-Holstein


Gegenwind Nr. 279 - Dezember 2011
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

"... bekommt einen Bonus"

Interview mit der Landesvorsitzenden der LINKEN


Auf ihrem Landesparteitag am 12./13. November in Elmshorn hat DIE LINKE ihr Programm für die Landtagswahl im Mai 2012 beschlossen. Das Motto: "Je stärker DIE LINKE desto sozialer das Land!". Über die Forderungen der Linkspartei, die Chancen für einen Wiedereinzug in den Landtag und warum DIE LINKE meint, sie seien Piraten in der Tradition Klaus Störtebeckers, sprach der Gegenwind mit der 30-jährigen Landessprecherin der LINKEN, Jannine Menger-Hamilton.


GEGENWIND: Mit welchen Themen möchte DIE LINKE bei der nächsten Landtagswahl punkten?

JANNINE MENGER-HAMILTON: DIE LINKE wird die Themen soziale Gerechtigkeit, gute Arbeit und bessere Bildung ins Zentrum stellen. Das ist unser Markenkern und hier sehen wir in Schleswig-Holstein die größten Herausforderungen.

GEGENWIND: Worin unterscheidet sich DIE LINKE dabei von den anderen Parteien?

JANNINE MENGER-HAMILTON: Ich möchte unsere Forderungen an einigen Beispielen verdeutlichen. Besonders Alleinerziehende - meist Frauen - und kinderreiche Familien sind von Armut betroffen. Deshalb fordern wir in unserem Wahlprogramm eine armutsfeste, sanktions- und repressionsfreie Grundsicherung für alle Menschen.

Die Städte und Gemeinden in unserem Land sind in einer extremen Finanznot und zunehmend handlungsunfähig. Wir wollen, dass sie wieder mehr Geld für soziale Projekte und Kulturförderung erhalten. Wir wollen gute Arbeit im Rahmen eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors schaffen. Damit sollen gerade die Kommunen bei gemeinnütziger Tätigkeit unterstützt werden. Wir werden aber auch den Öffentlichen Dienst nicht aus der Verantwortung entlassen. Deshalb fordern wir die Schaffung zusätzlicher Arbeits- und Ausbildungsplätze unter anderem durch Re-Kommunalisierung privatisierter Aufgaben, vor allem auf kommunaler Ebene.

Union und SPD haben die einfachen Beschäftigten und die Jugendlichen aus dem Blick verloren. Niedriglöhne, Abwanderung, Perspektivlosigkeit sind die Folge. Deshalb sagen wir: Von Arbeit muss man leben können. Mindestlöhne sowie Tariftreue müssen bei öffentlichen Ausschreibungen vorgeschrieben sein. Wir lehnen jede Beschränkung beim Bildungszugang ab. Deshalb sollen Kitas, Schulen und Hochschulen aber auch die Beförderung zu den Schulen gebührenfrei sein.

GEGENWIND: Die anderen Parteien werden Ihnen vorwerfen,
unfinanzierbare Forderungen aufzustellen.

JANNINE MENGER-HAMILTON: Die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein haben die HSH Nordbank mit drei Milliarden Euro vor dem Konkurs gerettet. Wenn DIE LINKE konkrete Verbesserungen der Lebenssituation von Menschen erreichen will, behaupten die anderen Parteien reflexhaft es sei kein Geld da. Es ist keiner Steuerzahlerin und keinem Sozialhilfeempfänger zu erklären, warum Geld da ist, wenn Aktionäre und Finanzmärkte befriedigt werden sollen, aber die Kasse leer ist für Sozialleistungen. Im Wahlkampf werden wir zeigen, dass wir die Partei der Umverteilung von oben nach unten sind. Wir wollen diejenigen zur Kasse bitten, die es sich leisten können - die Vermögenden, die Großverdiener, diejenigen, die hohe Erbschaften vermachen können. Wer dies möchte, muss sein Kreuz bei der LINKEN machen.

GEGENWIND: Frauen- und Gleichstellungspolitik nimmt einen großen Raum im Wahlprogramm ein. Untypisch für DIE LINKE.

JANNINE MENGER-HAMILTON: Da muss ich widersprechen. DIE LINKE steht für Gerechtigkeit und gerade deshalb sind Frauen, insbesondere Alleinerziehende im Zentrum unserer Aufmerksamkeit. Während andere Länder Kita-Plätze ausgebaut haben, hinkt Schleswig-Holstein hinterher. Wo eine rot-rote Landesregierung wie in Berlin die Kita-Gebühren abgeschafft hat, verlangt Schleswig-Holstein die höchsten Kita-Beiträge bundesweit. Es zeigt sich, dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf hier im Nordwesten ein Fremdwort ist. Die CDU will Frauen mit einer 'Herdprämie' namens Betreuungsgeld abspeisen. Wir fordern den konsequenten Ausbau der Kita-Betreuung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Männer und Frauen - wie in unserem Nachbarland Dänemark.

Auf Initiative der LINKEN wurde in der Bundeshauptstadt ein Gleichstellungsgesetz beschlossen, dass bei allen öffentlichen Unternehmen eine Geschlechterparität vorsieht. Hier in Schleswig-Holstein gibt es in der Ministerriege der Landesregierung genau eine Frau. In Wissenschaft und Wirtschaft ist der Anteil der Frauen in Führungspositionen katastrophal niedrig. Mit einer 50 Prozent Mindestquote bei der Besetzung von Führungspositionen im Zuständigkeitsbereich des Landes wollen wir dies beenden.

GEGENWIND: Nun will mittlerweile selbst die CDU einen Mindestlohn.

JANNINE MENGER-HAMILTON: Was ein CDU-Bundesparteitag in Leipzig als "Lohnuntergrenze" beschließt ist deutlich zu wenig, und was Schwarz-Gelb hier in Kiel macht, ist noch einmal etwas vollkommen Anderes. Schleswig-Holstein hat mit Carstensen und Kubicki gerade wieder einen Negativrekord aufgestellt. Mit 27% der Beschäftigten arbeiten in unserem Bundesland mehr Menschen im Niedriglohnsektor als woanders in Deutschland. Am stärksten betroffen sind Frauen und junge Menschen. Wenn wir sagen, dass es ungerecht ist, dass 41 % der weiblichen Beschäftigten hier im Nordwesten einen Niedriglohn bekommen, antwortet die Landesregierung: "Von einem niedrigen Lohn kann man bei uns besser leben als in München." Das ist nicht nur eine Kapitulationserklärung, sondern zynisch. Deshalb braucht es eine starke linke und soziale Opposition im Landtag.

GEGENWIND: Bei der Landtagswahl 2009 ist DIE LINKE mit 6% in den Landtag eingezogen. Die Piratenpartei erhielt 1,8%. Nun haben die Piraten auf Bundesebene mit der LINKEN gleichgezogen. Eine Gefahr für den Wiedereinzug der LINKEN in den Landtag?

JANNINE MENGER-HAMILTON: Um es ganz klar zu sagen: Wer das Programm der Piraten wählen möchte, der soll sein Kreuz bei der LINKEN machen. Seit unserem ersten Landtagseinzug sind alle Mandatsträgerinnen und Mandatsträger der LINKEN dazu angehalten, ihre Einkommen offenzulegen. Wir kämpfen bereits im Landtag für Transparenz, Informationsfreiheit sowie für mehr direkte Demokratie. Der Netzausbau im ländlichen Raum ist ein relevantes Thema und auch das bedingungslose Grundeinkommen hat Freunde in der LINKEN.

Wer sein Kreuz bei der LINKEN macht, bekommt aber - und das ist entscheidend - einen Bonus. Denn anders als die Piratenpartei, gibt es bei der LINKEN einen unauflösbaren Zusammenhang zwischen sozialer Gerechtigkeit und mehr Demokratie. Wir wollen, dass der Zugang zu Bürgerrechten und Informationsfreiheit nicht sozial gespalten ist. Insofern sehen wir uns in der Tradition von Klaus Störtebecker - einem Piraten, der den Reichen nahm und den Armen gab.

GEGENWIND: Wird DIE LINKE eine Koalitionsaussage machen?

JANNINE MENGER-HAMILTON: Schwarz-Gelb hier im Land muss abgelöst werden. Eine sozial-gerechte Politik ist unverzichtbar. Ohne die DIE LINKE fehlen Herz und Schrittmacher für einen Politikwechsel. Wir versprechen im Wahlkampf eine konsequente soziale Politik und werden diese nach der Wahl umsetzen. Alle anderen Parteien wollen regieren, wir wollen Schleswig-Holstein sozial gerecht verändern. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass wir als LINKE die Politik der anderen Parteien verändern können.

Interview: Reinhard Pohl


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Quelle:
Gegenwind Nr. 279 - Dezember 2011, Seite 14-16
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Dezember 2011