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GEGENWIND/467: Regierung ohne Mehrheit


Gegenwind Nr. 271 - April 2011
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Regierung ohne Mehrheit, oder: Nach der Wahl ist vor der Wahl
Wahl, Neuauszählung und illegitime Mehrheit

Von Ranka Prante und Jannine Menger-Hamilton


Dass der Weg der LINKEN im Schleswig-Holsteinischen Landtag kein leichter sein würde, war schon am Tag der Wahl klar. Von Anfang an mussten wir für eine korrekte Neuauszählung einzelner Wahlbezirke streiten. Geklagt wurde auch gegen die unrechtmäßig zustande gekommene Ein-Stimmen-Mehrheit von CDU und FDP. Aber der Reihe nach:


Taggleich mit dem deutschen Bundestag wurde im September 2009 in Schleswig-Holstein der Landtag gewählt. Zuvor waren der Versuch einer rot-grünen, vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW) gestützten Regierung und anschließend eine große Koalition gescheitert. Mit der Neuwahl zog DIE LINKE zunächst mit fünf Abgeordneten erstmals in das Landesparlament ein.

Vereinzelt fielen deutliche Abweichungen zwischen den bei Bundes- und Landtagswahl abgegebenen Stimmen für DIE LINKE auf. Die hart erkämpfte Neuauszählung im Wahlbezirk Husum 3 ergab schließlich 32 zusätzliche Stimmen. Damit zog Björn Thoroe als sechster Abgeordneter in die Fraktion ein.

Aber auch damit ist das Landesparlament noch nicht dem WählerInnen-Willen entsprechend zusammengesetzt. CDU und FDP erhielten bei der Wahl 27.000 Stimmen weniger als SPD, Grüne, SSW und LiNKE. Dennoch regieren sie mit einer Ein-Stimmen-Mehrheit, weil nur acht von elf Überhangmandaten ausgeglichen worden sind. Deshalb klagten wir vor dem Landesverfassungsgericht und bekamen am 30. August 2010 Recht. Mittlerweile liegt ein Vorschlag von CDU, FDP und SPD vor, der weder zügige Neuwahlen, noch einen deutlich verkleinerten Landtag vorsieht. Außerdem haben die drei Fraktionen eine interessante Interpretation des Landesverfassungsgerichtsurteils an den Tag gelegt: weil das Wahlgesetz nicht verfassungsgemäß ist, wird nun kurzerhand die Landesverfassung geändert! Die Abgeordnetenzahl von 69 wird nun nicht mehr in der Verfassung, sondern im Wahlgesetz festgeschrieben sein.

Zwischen der voraussichtlichen Verabschiedung des neuen Wahlgesetzes und dem avisierten Wahltermin liegen sage und schreibe vierzehn Monate! Die Minderheitsregierung klebt an ihren Sitzen und zeigt dabei wenig Respekt vor WählerInnen-Willen und Verfassungsgerichts-Urteil.


Die Fraktion und ihre Arbeit

Trotz der von Anfang an schwierigen Gemengelage, haben wir gleich kraftvoll mit der inhaltlichen Arbeit losgelegt.

Mit einem eigenen Haushaltsentwurf haben wir einen sozialen Weg aufgezeigt, wie Mittel sinnvoll und gerecht generiert und eingesetzt werden können.

Wir haben den Ausbau erneuerbarer Energien (insb. Offshore-Windenergie) gefordert und uns an den Protesten beteiligt. Als einzige Fraktion haben wir Anträge zur sofortigen Abschaltung aller drei Atomkraftwerke in Schleswig-Holstein gestellt. Gegen die Stimmen aller (!) anderen Fraktionen wurden diese Anträge abgelehnt.

Nach den Atom-GAUs in Japan haben wir eine Aktuelle Stunde im Landtag beantragt, die mit fadenscheinigen Begründungen und trotz mangelnder verfahrenstechnischer Grundlagen abgelehnt werden soll.

Wir haben uns durch Anträge und Anfragen gegen Atommüll-Transporte durch Schleswig-Holstein gestellt.

Im Rahmen der Initiative "Kinderrechte stärken - Armut bekämpfen" forderten wir die Aufnahme von Kinderrechten in die Landesverfassung.

Durch den Besuch von Abschiebungsgefängnissen und Flüchtlingsunterkünften haben wir uns ein Bild von der Situation der Betroffenen vor Ort gemacht. Daraus gingen Anfragen und Anträge zur konkreten Verbesserung ihrer Lebensbedingungen hervor.

Streikende verbeamtete Lehrkräfte haben wir durch intensive Pressearbeit und Anfragen gestützt.

Wir haben durch Anträge die Neuausrichtung der HSH Nordbank zu einem regional verankerten Finanzdienstleister gefordert ("Bank des Nordens für den Norden! ") uvm.

Wir haben durch unser Engagement im Landtag dazu beigetragen, dass die kontroverse Debatte um die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund sachlich geführt wird.

Durch unsere Kooperation mit den diversen Migranten-Organisationen sorgen wir dafür, dass sie politisch mehr wahrgenommen werden.

Wenn es die Positionen zulassen, bringen wir Anträge gemeinsam mit anderen Oppositionsfraktionen ein, so zum Beispiel in den Bereichen Energie, Umwelt und Geschlechtergerechtigkeit. Tendenziell ist das Bemühen der anderen Fraktionen erkennbar, sich nach links abzugrenzen. Die FDP geht stellenweise so weit, einen Antrag nur zu unterstützen, wenn DIE LINKE nicht darunter steht. Soviel zum Thema Liberalität.

Auch außerparlamentarisch sind wir gut verankert. Wir pflegen regelmäßigen Austausch mit Vereinen, Verbänden und Initiativen, zum Beispiel mit dem Flüchtlingsrat und den Frauenhäusern. Das ist auch das Ergebnis der engagierten Arbeit unserer MitarbeiterInnen. Sie halten einen intensiven Kontakt, der allen Seiten und vor allem den betroffenen Menschen nützt. Das gilt für alle: meldet euch bei uns, denn wir brauchen eure Hinweise und eure Anregungen!


Verfehlungen der Übergangsregierung und unsere Gegenentwürfe

Mit ihrer illegitimen Mehrheit treiben CDU und FDP ihre Kahlschlagpolitik voran. Ein Sparkassengesetz wurde erlassen, das der Privatisierung Tür und Tor öffnet. Das beitragsfreie dritte Kita-Jahr wurde abgeschafft. Die so genannte "Schuldenbremse" wurde mit Unterstützung aller anderen Fraktionen in der Landesverfassung verankert und fortan jede Sozialkürzung mit ihr begründet.

Der Doppelhaushalt 2011/2012 war der traurige Höhepunkt der schwarz-gelben Kürzungspolitik. Zusammengekürzt werden die Frauenhäuser und Mädcheneinrichtungen, die Migrationssozialarbeit, die Zuschüsse an Gesellschaften und Vereine, die Jugendhilfe, die Verbraucherzentrale, das Landesblindengeld usw.

Wir haben dem Kürzungshaushalt einen sozialen Entwurf entgegengesetzt. Er beinhaltete die Rücknahme aller Kürzungen und die Aufstockung der Mittel im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich sowie bei der dänischen Minderheit. Zusätzliche Mittel haben wir für die Bildung vorgesehen. Als Bundesland mit den wenigsten Staatsbediensteten pro Kopf lehnten wir darüber hinaus jede geplante Personalkürzung ab und forderten den Einstieg in einen Öffentlichen Beschäftigungssektor so wie die Entlastung der Kommunen.

Wir betonten, dass die Lösung der finanziellen Engpässe auf der Einnahmeseite liegt. Die Probleme der Länderfinanzen gehen zum großen Teil auf Steuergeschenke auf Bundesebene zurück. Deshalb propagierten wir die Stellschrauben Erbschaftssteuer, Körperschaftssteuer und den Spitzensteuersatz.


Neue Entwicklung bei der SPD - DIE LINKE schließt soziale Lücke!

Am 26. Februar hat die schleswig-holsteinische SPD Torsten Albig zum Spitzenkandidaten gewählt. Der Kieler Oberbürgermeister und Ex-Sprecher von Peer Steinbrück steht für eine SPD, die den Sozialstaat geschliffen hat, für eine SPD, die die Umverteilung von unten nach oben befördert hat.

Für uns bedeutet das eine noch größere Verantwortung. Wir werden auch zukünftig die einzige Fraktion sein, die sich konsequent für die Menschen einsetzt, die benachteiligt werden. Nur mit einer starken LINKEN im Landtag und auf den Straßen wird es in Schleswig-Holstein soziale Gerechtigkeit geben. Wir werden uns der Verantwortung stellen, wir werden die Lücke füllen!

Einen Aufschlag dazu macht DIE LINKE auf ihrem Parteitag im Juni und ihren thematischen Veranstaltungen, wie die bildungspolitische Konferenz am 25. September in Kiel (Die Pumpe, Haßstraße 22). Das Wahlprogramm wird in einem basisorientierten Verfahren erarbeitet werden und das streng nach dem Motto: DIE LINKE - "Konsequent sozial".


Ranka Prante ist Vorsitzende der Landtagsfraktion DIE LINKE in Schleswig-Holstein

Jannine Menger-Hamilton ist Landessprecherin der Partei DIE LINKE in Schleswig-Holstein


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Quelle:
Gegenwind Nr. 271 - April 2011, Seite 13-14
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2011