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GEGENWIND/464: Piratengold


Gegenwind Nr. 270 - März 2011
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Piratengold

Von Andy Lippner


Oder warum heißen wir nicht die Partei der "Kopfgeldjäger"? Unsere Ziele stehen fest, wer diese nicht weiß kann gern auf unserer Seite piratenpartei.de nachlesen. Ich bekam nun zum zweiten mal eine Mail von der Redaktion Gegenwind mit der Frage, "warum man von uns Piraten so wenig hört". Diese Aussage kann ich nicht ganz nachvollziehen, denn viele Piraten zeigen gern ihre Bereitschaft auf Demonstrationen und im Internet. Viele von uns sind noch Studenten oder berufstätig und haben wenig Zeit für die Stammtische. Nun liegt es auch an jedem Leser selber, sich ein Bild über uns zu machen, und dazu gibt es genügend Informationen im Internet. Wohl bemerkt beschäftigen wir uns auch mit Themen, die für den normalen Bundesbürger sehr anspruchsvoll sind. Er setzt sich lieber vor den Fernseher und genießt verdienterweise sein Feierabendbier. Nach dem Feierabend verfallen die meisten Menschen in eine Grauzone und überlassen den Rest der Welt den Politikern. Frei nach dem Motto "Die da oben machen das schon". Ganz so einfach sieht es aber in der gegenwärtigen Situation nicht aus, denn die meisten Politiker haben keine Vorstellung von dem, was im World Wide Web passiert. Obwohl beide, der Bürger und der Politiker aus privaten oder geschäftlichen Gründen viel Zeit im Internet verbringen.

Wenn wir den PC einschalten, befinden wir uns in einer digitalen Welt die noch zu erforschen gilt.

Piraten sind in der Geschichte der Menschheit dafür bekannt, dass sie neues Land entdecken, rauben, morden und plündern damit ihre eigene Art weiterhin existieren kann. Ganz so wild wird es bei uns hoffentlich nicht sein. Denn noch befinden wir uns in einer Situation, in der wir unsere Bedingungen und unsere Interessen verteidigen werden.

Man zählt uns zu einer relativ unterentwickelten Randkultur, die einen großen Expansionsdrang hat. Wenn es in der Vergangenheit um Gold ging, wird es sich in der Gegenwart um Kulturgüter handeln, die ich als unsere Beute bezeichne. Unabhängig davon, ob diese Kulturgüter von Kirchen, Musik-, Buch- oder Zeitungsverlagen stammen, handelt es sich dabei um Wissen, das diese Institutionen sich selber angeeignet haben.

"Wissen ist Macht" und damit ein großer Bestandteil einer jeden Gesellschaft. In manchen Kulturen wird dieses Wissen sogar als Schatz bezeichnet und das mit gutem Recht, denn es ist nicht immer nur das Geld, sondern primär das Wissen, auf dem die Menschheit ihre ganze Kultur aufgebaut hat.

Es geht mir nicht darum, das Urheberrecht abzuschaffen, aber ich möchte die Perspektive der Menschen ändern, die sich im augenblicklichen Zustand immer noch, gebunden durch unsere Copyrights und Urheberrechte, an dem "geistigem Eigentum" festhalten. Also ob Verlag, Musiklabel oder Sendeanstalt, was ich mit "geistigem Eigentum" meine, sind all diejenigen Fortschritte, die uns Menschen der modernen Welt in eine Luxusgesellschaft verwandelt haben. Diese Luxusgesellschaft lebt davon, ärmere Länder und damit auch Gesellschaftsschichten durch Verträge zu knebeln.

Spätestens jetzt sollte man sich doch die Frage stellen: Gibt es überhaupt geistiges Eigentum? Ja, aber nur so lange, wie diktatorische Machthaber oder Unternehmen Menschen anfangen zu knebeln. Und plötzlich erscheinen Piraten auf der Bildfläche, die man schon lange für ausgestorben gehalten hat.

Selbstverständlich sollte jeder Künstler ein Recht darauf haben, sein Werk gegen Entgelt zu veräußern. Er hat aber nicht das Recht dazu, ein Leben lang Gebühren dafür zu verlangen und nach seinem Ableben diese Rechte zu vererben. Das betrifft den gegenwärtigen Zustand in unserer Gesellschaft, unabhängig ob es Musiker, Schriftsteller oder Filmproduzenten sind.

Die Künstler dieser Welt haben ihr Kulturgut, also ihr Wissen auch aus Erzählungen und Betrachtungen eines Werkes erhalten und mussten dafür nichts bezahlen.

Wenn unsere Gesellschaft dagegen nichts unternimmt, wird uns allen eines Tages streng vorgegeben werden, wie wir zu denken und zu handeln haben, und dafür müssen wir dann auch noch bezahlen. In einigen Unternehmen ist dies schon der Fall.

Jene Menschen, die sich uns Piraten anschließen, sind junge Menschen, die die Zukunft und damit ihr Leben noch vor sich haben, auch wenn sie schon ein paar Jahre älter sind. Wir haben uns damit abgefunden, dass wir uns in einer Informationsgesellschaft befinden die uns mit Wissen geradezu überflutet. Das Internet hat diese Wissensflut möglich gemacht, und nun liegt es an uns, wie wir diese Wellen und Wogen sicher befahren.

Wir Piraten entdecken eine neue Welt. Diese Welt ist eine digitale Welt, die unter widrigen Umständen entstanden ist. Für den einen oder anderen ist sie nicht mehr ganz so neu, für den Bürger, der sich darin nicht auskennt, ist diese Welt jedoch völlig unbekannt und abstrakt. Ja, ich denke, er wird sich ein wenig wie Tron in der digitalen Welt vorkommen. Wie gesagt, die Beute der Piratenpartei wird kein Gold sein, sondern Wissen und damit Bildung.

Letzt endlich wollen wir aber den Bürger vor Verlusten, die seine Identität ausmachen, bewahren, weiter unten komme ich noch etwas ausführlicher dazu. Identitätsverlust kann jeden von uns betreffen, wenn Daten gestohlen werden und anschließend zum Missbrauch verwendet werden. Schließlich kann man auch damit Geld verdienen, wenn man Daten schützt, das zeigen uns Programme, die jeder auf seinem PC haben sollte, um ihn vor dem Angriff aus dem Internet zu schützen.

In der Vergangenheit hatten Piraten einen schlechten Ruf, sie sind aber auch dafür bekannt, neue Kontinente zu entdecken und diese zu besiedeln. Piraten haben ein demokratisches Denken weiter entwickelt und haben durch ihr soziales Handeln neue Wege in der modernen Gesellschaft geschaffen. Dazu zähle ich die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und Pionierarbeit in der Dichtkunst.

Piraten haben den Drang, Wissen zu wollen, manchmal wie kleine Kinder. Dieses Wissen war in vielen Kulturgütern versteckt. Nun steckt dieses Wissen im Internet, und ironischerweise helfen nun Piraten dem Bürger im Kampf gegen Internetkriminalität und auch gegen Behördenwillkür. Ich darf hier an die Vorratsdatenspeicherung und die aktuelle ELENA-Karte erinnern, diese Einrichtungen ergeben für uns keinen Sinn, so wie sie von den Behörden eingesetzt wurden und werden sollen. Also kann man doch nun davon reden, dass wir Piraten unsere Gesellschaft zwei entscheidende Schritte nach vorn gebracht haben, nachdem wir in unserer Startphase von allen möglichen Querdenkern blockiert wurden.

"Wissen ist Macht", das wussten schon die alten Griechen. Diese Macht kann schnell missbraucht werden, wenn sie in die falschen Hände gerät oder nicht richtig gelenkt wird. Kulturgüter sind aber Dinge, die uns Menschen im alltäglichen Leben begegnen und die uns zum Teil kostenlos zur Verfügung stehen sollten. Aus sozialökologischer Sicht muss das meiste Wissen dem Menschen kostenlos zur Verfügung stehen, damit auch die ärmeren Länder und Menschen eine Möglichkeit haben einen Wohlstand aufzubauen.

Es ist wichtig, wenn es um Wissen geht, eine Transparenz in der Geschichte zu schaffen, damit unsere Nachkommen erfahren, was ihnen zusteht.

Nicht nur einmalig, sondern doppelt und dreifach müssen wir Gebühren und manche Steuern bezahlen, wenn ich an die GEMA- und GEZ-Gebühren denke. Musik, Kunst, Telekommunikation und Literatur sind plötzlich die Gebiete, wo nach Raubritter-Manier Gebühren verlangt und eingetrieben werden.

Nun gibt es endlich ein Licht am Ende des Tunnels. Der Anbieter eines Kabelnetzes hat es möglich gemacht, dass wir uns aus den Klauen der GEZ befreien können. Wie einige vielleicht schon wissen, wird ab dem Jahr 2012 das analoge Fernsehen eingestellt. Einige Sender verschwinden jetzt schon aus dem Fernsehprogramm und wir wundern uns, wo sie geblieben sind. Eine neue Regelung im Kabelnetz erlaubt es dem Anbieter, sein Kabel von analog auf digital umzustellen. Das bedeutet, dass unser Bild viel schärfer wird für den, der einen HD-fähigen Fernseher hat. Es bedeutet aber auch, dass der Teilnehmer des Kabelnetzes nicht mehr fünfunddreißig Programme, sondern in naher Zukunft zirka vierhundert Sender erreichen kann.

Der Wissensdurst in unserer Gesellschaft ist groß. Selbst wenn wir die meisten Sender nicht verstehen werden, weil sie in einer anderen Sprache ausgestrahlt werden, verstehen wir nun was digitales Fernsehen bedeutet. Als das Fernsehen bei uns in Deutschland gesellschaftsfähig wurde, konnten wir einen Sender sehen, der sein Programm aus einem Münchner Studio sendete. Heute schauen wir in den Fernseher und damit in bis zu vierhundert verschiedene Studios, die auf der ganzen Welt verteilt sind.

Ich habe auch eine phantastische Software zum Thema File Sharing entdeckt und ich finde es sensationell, wie die Entwickler es geschafft haben, die Industrie zu umgehen. Sie haben einen Fond gegründet und unterstützen den Künstler aus diesen Einkünften direkt. Somit hat der Künstler die Möglichkeit, viele unnötige Kosten zu ersparen und muss keine Knebelverträge mehr eingehen.

Eine neue Welle des Wissens rollt auf uns zu, Frauen und Männer, also packen wir es an.


Andy Lippner
PS.: Wer mehr Infos zum Thema Kabelnetz und File Sharing haben möchte erfährt hier mehr:
andylippner@yahoo.de


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Quelle:
Gegenwind Nr. 270 - März 2011, Seite 4
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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Redaktion: Tel.: 0431/56 58 99, Fax: 0431/570 98 82
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. März 2011