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GEGENWIND/372: AKWs und Bundestagswahl


Gegenwind Nr. 248 - Mai 2009
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

AKWs und Bundestagswahl
Atomausstieg hoch drei

Von Ingrid Nestle und Konstantin von Notz
Schleswig-holsteinische BundestagskandidatInnen von Bündnis 90/Die Grünen


Tatsächlich könnte die deutsche Anti-Atom-Bewegung ihre Erfolge der vergangenen Jahrzehnte in einem halben Jahr vervierfachen. Nämlich dann, wenn wir den Atomausstieg über die Bundestagswahl hinweg verteidigen. Bisher gingen zwei Atomkraftwerke vom Netz, in der nächsten Legislaturperiode sind weitere sechs bis sieben an der Reihe.

Die Zahl der stillgelegten AKWs kann also von bisher zwei auf acht oder neun steigen. 23=8: der Atomausstieg hoch drei ist in greifbarer Nähe - wenn es gelingt eine schwarz-gelbe Koalition zu verhindern. Auch insoweit wird die Wahlkampfauseinandersetzung hart und entscheidend.

Dabei geht es neben dem Ausstieg aus dem Atomstrom auch um den konsequenten Einstieg in die Erneuerbaren Energien: Denn inzwischen haben selbst eon, Edf und das Wirtschaftsministerium zugegeben, dass der Ausbau von Wind- und Sonnenstrom sich mit Atomkraft nicht vereinbaren lässt: Atomkraftwerke sind schwerfällige Kolosse, die nicht mit den fluktuierenden Erneuerbaren gleichzeitig ins Netz passen. Die Atomkonzerne fordern deshalb in Großbritannien eine Begrenzung der Erneuerbaren auf 25-33% am Strommix. Dabei haben wir schon heute die Technik für eine 100% erneuerbare Stromversorgung und dies ist mittelfristig die einzige Option für unseren Planeten.

Denn weder Merkels Atom- noch Gabries Kohlekraftwerke führen uns in eine nachhaltige Zukunft. Auf's Neue offensichtlich wurde das Gefährdungspotential von AKWs bei dem schweren Zwischenfall in Forsmark. Eine Ursache des Problems war dort, dass AKWs nicht nur Strom produzieren, sondern auch erhebliche Mengen an Strom verbrauchen. Unter anderem wird dieser Strom benötigt um den Reaktor zu kühlen - und eine Lücke in der Stromversorgung kann zum schlimmsten anzunehmenden Unfall führen, der Kernschmelze. Deshalb muss ein AKW immer Notstromaggregate bereit halten. In Forsmark allerdings fielen zwei der vier Notstromaggregate komplett aus und für 22 Minuten funktionierte ein erheblicher Teil der Überwachungs- und Sicherheitssysteme nicht - die Betriebsmannschaft steuerte den Reaktor im Blindflug. Möglicherweise gab es im Zusammenhang mit der Trennung des AKWs vom Netz Rückwirkungen auf die Notstromaggregate, so dass diese genau aus dem Grund nicht funktionierten, wegen dem sie gebraucht wurden. Es war lediglich Glück und Zufall, dass die anderen beiden Notstromaggregate noch per Hand angeworfen werden konnten und die Kernschmelze verhindert wurde.

Auch aus den Atommülllagern erreichen die Öffentlichkeit trotz spärlicher Informationen immer wieder höchst erschreckende Nachrichten: Erst Anfang April stürzte in Morsleben wieder ein Teil der Decke in einem zentralen Teil des Lagers für Atommüll ein. 2001 hatten sich hier bei einem ähnlichen Vorfall mehrere tausend Tonnen Salzgestein von der Decke gelöst. Mindestens so desaströs ist die Lage im Atommülllager in der Asse: das Bergwerk ist einsturzgefährdet, täglich dringen 12.000 Liter Wasser ein. Es ist nicht klar, ob der Atommüll unter Tage wieder geborgen werden kann. Mit diesem Desaster hat auch Gorleben als Standort noch weiter an Glaubwürdigkeit verloren. Da ist es schon mehr als erstaunlich, dass die Beamten von Wirtschaftsminister zu Guttenberg meinen, mit der Errichtung eines sicher zu betreibenden und verschließbaren Endllagers könne begonnen werden. Dabei werden Grundwasserbewegungen im Störfall in einem Bericht im Auftrag des Wirtschaftsministeriums sogar noch als positiv beschrieben: "Im Deckgebirge finden in der Regel die wesentlichen Grundwasserbewegungen statt, die bei einem Störfallszenario sowohl eine Ausbreitung als auch eine Verdünnung von radioaktiven Stoffen bewirken können (Verdünnungspotenzial)." Offenbar hat das Wirtschaftsministerium den Anspruch aufgegeben, dass der Atommüll über 1 Millionen Jahre sicher von der Biosphäre abgeschlossen werden muss?

Übrigens kündigte die Atomlobby kürzlich an, eine Werbekampagne starten zu wollen, die speziell auch Frauen vom angeblichen Segen des Atomstroms überzeugen solle. Die Konzernstrategen hatten nämlich festgestellt, dass trotz gigantischer Werbeetats die meisten Frauen Atomstrom nach wie von ablehnen. Tja, verehrte Herren des Atomstroms: wann werdet ihr endlich begreifen, dass wir eine gesunde Umwelt für uns und unsere Kinder wollen statt Volksverdummung mit Milliardenetats?


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Quelle:
Gegenwind Nr. 248 - Mai 2009, Seite 22-23
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2009