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CORREOS/204: Für den Schutz des Service Public und der echten Demokratie


Correos de las Américas - Nr. 182, 22. September 2015

Für den Schutz des Service Public und der echten Demokratie

«In Zeiten der allgemeinen Täuschung ist es eine revolutionäre Tat, die Wahrheit zu sagen». George Orwell.

von Franklin Frederick


Das Beispiel Griechenland zeigt, dass der Abbau des Service Public eine der Prioritäten der neoliberalen Agenda transnationaler Konzerne bleibt. Gemäss dem Transnational Institute (TNI) zwang die EU Griechenland, öffentliche Güter im Wert von 50 Milliarden Euro zu veräussern, darunter zwei grosse Wasserunternehmen, die Trinkwasser für die zwei grössten Städte des Landes aufbereiten(1). Die Zeitung «The Guardian» veröffentlichte dazu einen Artikel und unterstrich «Deutschlands Scheinheiligkeit bezüglich der Wasserprivatisierung in Griechenland»(2), denn viele europäische Städte, beispielsweise Berlin, wollen keine Privatisierung mehr und führen die Wasserversorgung zurück in die öffentliche Hand. Die öffentlichen Wasserversorger in Deutschland zeigten sich denn auch solidarisch mit der Kritik der griechischen BürgerInnen an der erzwungenen Wasserprivatisierung.

In einem Interview erwähnte Ianis Varoufakis unter Verweis auf die griechischen Erfahrungen im 2. Weltkrieg den Begriff «3. Weltkrieg». Aufschlussreich wäre auch die Parallele mit dem Spanischen Bürgerkrieg 1936. Die demokratisch gewählte Regierung Spaniens wurde zum Testfall der Nazis, die dort ihre Kriegswaffen «testeten», während dem die restlichen Europäischen Demokratien «neutral» blieben. All diejenigen jedoch, denen echte Demokratie am Herzen lag, haben rasch begriffen, dass im Spanischen Bürgerkrieg etwas Fundamentales auf dem Spiel stand und solidarisierten sich mit der jungen Republik.

Die EU zeigt heute eine Abkehr vor der Demokratie, indem sie Griechenland gegen den Willen der Mehrheit der dortigen BürgerInnen Sparprogramme aufzwingt und dabei ihre vernichtenden ökonomischen Waffen «testet». Dieser Sieg der neoliberalen Agenda in Griechenland und die Niederlage der griechischen BürgerInnen durch die Missachtung ihres demokratischen Entscheids ist ein dramatischer Meilenstein und wird die neoliberale Agenda in und ausserhalb Europas zweifellos weiter vorantreiben.

Es gibt klare Signale dafür, dass diese nächsten Schritte seit langem in Vorbereitung sind. Das Trade in Services Agreement (TISA), das gegenwärtig «in Verhandlung» ist, kommt wohl einer der umfassendsten und bestens koordinierten Attacke gegen die Demokratie gleich, die je konzipiert wurde. Gemäss dem Public Services International (PSI): «Die Geschäfte, die zurzeit im Rahmen des Services Agreement (TISA) geheim und ausserhalb der WTO-Regeln verhandelt werden, sind ein vorsätzlicher Versuch, die Profite der reichsten Konzerne und Länder in der Welt gegenüber denjenigen mit der größten Bedürftigkeit zu privilegieren. Der Service Public soll für alle zugänglich und erschwinglich die bedarfsorientierte soziale und ökonomische Grundversorgung sicherstellen, z.B. Gesundheitsversorgung oder Bildung. Der Service Pubic existiert, weil die freien Märkte genau dies nicht sicherstellen»(3).

Die Privatisierung des Service Public attackiert auf sehr konkrete Weise den Kern der Demokratie, wie das Beispiel der Wasserprivatisierung zeigt. Seit dem Jahr 2000 wurde in 235 Städten - darunter Paris, Berlin und Buenos Aires, die insgesamt 106 Millionen BürgerInnen vertreten - die Wasserversorgung wieder zurück in den Besitz und die Kontrolle der öffentlichen Hand geführt. Tritt das TISA-Abkommen in Kraft, wäre dies nicht mehr möglich, denn seine Klauseln besagen, dass ein einmal privatisierter Service nicht mehr zurück an die öffentliche Hand gehen kann - Das hebelt die Demokratie aus und kommt einer «Demokratie-Verhinderungsregel» gleich! Die Tatsache, dass ein Handelsvertrag wie TISA überhaupt von den Regierungen beraten wird, ist ein klares Signal, wie weit fortgeschritten die Attacke auf die Demokratie bereits ist. Es ist daher höchste Zeit, dass sich BürgerInnen überall engagieren um echte Demokratie zu verteidigen.

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Es gibt auch Länder, die sich bewusst nicht an den TISA-Verhandlungen beteiligen, darunter Kuba, Venezuela, Bolivien, Ecuador und Brasilien. Die ALBA-Länder haben eine Tradition, um den Service Public nicht nur zu schützen, sondern auszubauen und öffentliche Einrichtungen sowie die Beteiligung und Partizipation der Menschen zu stärken. Es ist daher nicht erstaunlich, dass genau diese Länder, allen voran Venezuela, stark unter Druck der Massenmedien geraten, die ihrerseits von der neoliberalen Agenda dominiert werden. In den Massenmedien findet sich beispielsweise kaum etwas zu der hohen Beteiligung der BürgerInnen an den politischen Prozessen in den ALBA-Ländern.

Die meisten westlichen Medien und die westlichen Regierungen haben das NEIN-Votum der griechischen Bevölkerung gegen das Sparprogramm als zutiefst störend präsentiert. Den gleichen Kreisen missfällt auch die zunehmende Partizipation der lateinamerikanischen Bevölkerung in der Ausgestaltung ihrer eigenen politischen Zukunft.

Eines ist klar: Wenn die ökonomische Kriegsführung, wie sie in Griechenland angewandt wird, nicht genügt, um die «Bedrohungen» echter Demokratie zu bändigen, werden neoliberale Ideologen nicht zögern, zu reiner Gewalt zu greifen - dies ist in Venezuela oder in Zentralamerika heute bereits sichtbar.

Die öffentlichen Einrichtungen und der Service Public stehen im Zentrum im Kampf um echte Demokratie. Denn durch Service Public, öffentliche Institutionen, öffentliche Einrichtungen und die Partizipation der BürgerInnen wird Demokratie erst real und zur gelebten Gemeinschaftserfahrung. Der Schutz dieses Service Public bedeutet daher der Schutz der echten Demokratie.


Anmerkungen:

(1) www.tni.org

(2) http://www.theguardian.com/sustainablebusiness/2015/aug/14/germanys-hypocrisy-overgreece-water-privatisation?CMP=share_btn_fb

(3) http://www.world-psi.org/en/psi-special-reporttisa-versus-public-services

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Quelle:
Correos de las Américas, Nr. 182, 22. September 2015, S. 21
Herausgeber: Zentralamerika-Sekretariat, Zürich
Redaktion: Postfach, 8031 Zürich, Schweiz
Tel.: 0041-(0)44/271 57 30
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2015

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