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CORREOS/131: Mexiko - Die Geschichte der Familie Reyes Salazar


Correos des las Américas - Nr. 166, 16. Juni 2011

Die Geschichte der Familie Reyes Salazar
Eine linke Familie in Ciudad Juarez wird verfolgt - ein Blick hinter die Fassade des "Drogenkrieges".

von Kristin Bricker


(März 2011) Im Vorwort zu seiner neuen Anthologie País de Muertos (Land der Toten) schreibt der bekannte Journalist Diego Enrique Osorno: "Es ist nicht das Gleiche, ob wir die Toten zählen oder die Geschichte unserer Toten erzählen." Osorno hat sich der wachsenden Gruppe von mexikanischen Medienschaffenden angeschlossen, die den ejecutométro oder "Exekutionsmeter" kritisieren, der sich auf die Zahlenlisten von Regierung und Medien von Toten im Drogenkrieg bezieht. Dank der Obsession mit dem Exekutionsmeter werden die ermordeten mexikanischen BürgerInnen gleichsam im Massengrab des Drogenkrieges beerdigt. Bei einem Durchschnitt von einer pro Stunde ermordeten Person im Drogenkrieg (und allein in Ciudad Juárez acht pro Tag) nehmen sich die Zeitungen nicht einmal mehr die Mühe, die Namen der Toten zu erwähnen, geschweige denn die Umstände ihres Lebens und Sterbens. Sie berichten bloss über die grausige Zurichtung der Leichen: Wurde der Körper am Stück oder zerteilt gefunden, bekleidet oder nackt, welche Körperteile fehlten, wie wurden sie vor ihrer Ermordung gefoltert, welche aller Verletzungen brachte den Tod?

Die in die Höhe schiessende Mordrate bedeutet, dass die Leichen zunehmend häufiger in das bildliche Massengrab entsorgt werden. Proceso-Journalistin Marcela Turati schreibt in ihrem neuen Buch Fuego Cruzado (Im Kreuzfeuer): "Wenn die Gewalt ihren eigenen Rekord gewohnheitsmässig überbietet, hört sie auf, News zu sein." Der wachsende Leichenhaufen bringt es auch mit sich, dass die für ihre jämmerliche Verurteilungsrate notorisch bekannte Regierung noch weniger Druck verspürt, individuelle Morde zu untersuchen. Sie veröffentlicht stattdessen Statements und Communiqués des Inhalts, die Toten seien Mitglieder der organisierten Kriminalität gewesen, als ob dies bedeuten würde, ihre Ermordung wäre gerechtfertigt und bedürfe keiner Untersuchung. "War der Tote ein junger Mann, war er bestimmt Bandenmitglied; war er ein Polizist oder Soldat, war er ein Infiltrierter; war es eine Bürgerin auf der Strasse, was hatte sie am Tatort zu suchen?", erklärt Roberto Zamarripa von der Tageszeitung Reforma. "Models werden zu Berufskillern, Tortilla-Verkäufer zu Schützen und Bauarbeiter zu gefährlichen Verbrechern".

Die fehlende Regierungsuntersuchung der Fälle, kombiniert mit nachgewiesenen Fällen, in denen unschuldige zivile Opfer als Drogenhändler dargestellt wurden (vgl. CNN World: Report: Mexican army planted weapon on dead American), liess JournalistInnen wie Turati die unbegründete Statistik des Präsidenten bezweifeln, wonach neunzig Prozent aller Drogenkriegstoten Drogenhändler und Kartellkomplizen waren, die es verdient haben, zu sterben. Weiter wirft der Umstand, dass 2010 die Regierung nur gerade in einem Zwanzigstel der Morde im Land eine Untersuchung eröffnet hat, ein schlechtes Licht auf die Regierungsbehauptung.


Die Tragöde der Familie Reyes Salazar

Zurzeit steht das Exekutionsmeter bei über 35.000 Drogenkriegstoten seit dem Amtsantritt von Präsident Felipe Calderón vor vier Jahren. Am gleichen Wochenende, als Turati und Osorno ihre Bücher präsentierten, wurde auch das Versagen der Statistik, die Konsequenzen des Drogenkrieges für die mexikanischen BürgerInnen im wirklichen Leben darzustellen, verdeutlicht. Am Freitag, den 25. Februar, wurden die Leichen von Magdalena Reyes Salazar, ihres Bruders Elías Reyes Salazar und seiner Gattin Luisa Ornelas Soto an einem Strassenrand in Guadalupe im Bundesstaat Chihuahua ausserhalb von Ciudad Juárez gefunden. Laut den Behörden waren "Narco-Botschaften" an die Körper angeheftet, mit der Mitteilung, die drei seien wegen ihrer Verwicklung ins organisierte Verbrechen umgebracht worden.

Wäre nicht die Arbeit von Josefina gewesen, die sie vor drei Jahren zusammen mit Josefina, der Schwester von Elías begonnen hatte - eine Kampagne gegen die Militarisierung von Ciudad Juárez -, ihr Tod hätte das Exekutionsmeter um drei Stellen steigen lassen, und zwar ohne Fanfaren und sowieso ohne Untersuchung. Der dreifache Mord hätte es noch nicht einmal in das Exekutionsmeter geschafft, hätten nicht Marisela und Claudia die Arbeit ihrer im Januar 2010 ermordeten Schwester Josefina weitergeführt. Die drei Leichen waren mit Kalk und Dreck bedeckt, was die Behörden zur Annahme veranlasste, sie seien erst beerdigt gewesen, bevor sie auf die Strasse verbracht worden waren. Man nimmt an, dass die Mörder unter dem Druck der Proteste von Marisela und Claudia die Leichen wieder ausgegraben und auf die Strasse geworfen haben. Ohne das würden Magdalena, Elías und Luisa als "verschwunden" gelten und damit nicht im Exekutionsmeter der Regierung figurieren. Leichen, die in Säure aufgelöst, ins Meer geworfen, einbetoniert werden oder in geheimen Massengräbern verschwinden, werden nicht gezählt und erregen schon gar nicht die Aufmerksamkeit der Medien und der Staatsanwaltschaft.

Sara, die Matriarchin der Reyes Salazars, hat insgesamt sechs Angehörige an das Exekutionsmeter verloren: vier Kinder, einen Enkel und eine Schwiegertochter. Die Bedrängnis der Familie begann 2008, als die Soldaten den Staat im Rahmen der "Operation Chihuahua" besetzten. Josefina, eine aus dem Widerstand gegen die Feminizide und das atomare Abfalllager Sierra Blanca bekannte Aktivistin, opponierte gegen die Militarisierung ihrer Region. Als die Militärs Mitte 2008 im Rahmen der international kritisierten mexikanischen "vorbeugenden Verhaftung" (arraigo) dreizehn ihrer Nachbarn gefangen nahm, schloss sich Josefina einer Kommission an, die die Menschenrechtsaktivistin Rosario Ibarra um Hilfe für deren Freilassung bat. Am 14. August 2008 trat Josefina als "eine von der Armee angegriffene politische Aktivistin" am "Forum gegen Militarisierung und Repression" auf und führte eine Demonstration gegen die Militärpräsenz an. Nur wenige Tage später liess das Militär ihren Sohn Miguel Angel verschwinden. Josefina begann einen Hungerstreik, um eine Anklage gegen ihren Sohn oder seine Freilassung zu erzwingen. Kurz darauf liess die Regierung Miguel Angel frei.

Der Sieg war nur von kurzer Dauer. Drei Monate später, im November, wurde Josefinas anderer Sohn, Julio César, an einer Hochzeit ermordet. Adrián Fuentes Luján, Sprecher der Familie Reyes Salazar, sagte uns, dass eine paramilitärische Schwadron alle anwies, sich auf den Boden zu legen, und die Menge durchsuchte. "Einer der Männer trat Julio, so dass er sein Gesicht sehen konnte. Er fragte einen Anderen, ob das der Gesuchte sei und der antwortete 'ja'. Dann zielte er mit der Waffe direkt aufs Herz und feuerte einen Schuss ab", sagt Luján. "Die Familie denkt, dass der Tod von Julio César eine Repressalie für den Aktivismus von Josefina und ihm selbst gegen die Missbräuche der Militarisierung in der Valle-de-Juárez-Gegend darstellte." Am 4. September 2009 verhaftete die Armee Miguel Angel erneut. Die Generalstaatsanwaltschaft stellte zwei Monate später einen Haftbefehl wegen Mitgliedschaft im Juárez-Kartell aus und "regularisierte" so seine Haft. Anderthalb Jahre später wartet Miguel Angel im Gefängnis immer noch auf seinen Prozess.


Direktes Opfer der Militarisierung

Während ihres mit jeder Attacke persönlicher werdenden Kampfes gegen das Militär erhielt Josefina Morddrohungen. 2009 wurde sie wegen antimilitaristischer Proteste verhaftet. In jenem Jahr verliess sie ihre Heimatstadt Guadalupe aus Sorge um ihre Sicherheit eine kurze Zeit lang. Sie kehrte jedoch wieder zurück, um ihr Geschäft, einen Taco-Verkaufsstand, zu führen. Vor diesem Stand exekutierten sie unbekannte Angreifer am 3. Januar 2010. AugenzeugInnen berichteten, dass, als sie mit ihren Angreifern kämpfte, ihr einer von ihnen sagte: "Du hältst dich für so verdammt cool, weil du bei den Organisationen bist", eine Anspielung auf ihre Menschenrechtsaktivitäten. Für Josefinas Familie handelte es sich um ein "paramilitärisches Kommando".

Die brutalen Angriffe auf die Familie endeten nicht mit der Exekution ihrer bekanntesten Wortführerin. Am 18. August 2010 exekutierten unbekannte Angreifer Josefinas Bruder Rubén Salazar Reyes, als er in einem Laden Milch für das Personal der Familienbäckerei kaufen wollte. Rubén war ein prominentes Mitglied der Oppositionspartei Partido Revolucionario Democrático gewesen und hatte die Causa von Josefina weitergeführt. Er hatte die Bestrafung der Mörder seiner Schwester und seines Neffen verlangt. Dem Mord waren monatelange Todesdrohungen vorausgegangen.

Doch selbst nachdem die Reyes Salazars drei Angehörige verloren und einen im Gefängnis hatten, weigerten sie sich zu schweigen. Zwei Tage nach dem Mord an Rubén führten seine Mutter Sara und seine Schwester Marisela einen "Marsch gegen die Militarisierung" an, um Gerechtigkeit für Rubén und drei andere Juárez-AktivistInnen zu verlangen, die einen Tag vor Rubén ermordet worden waren. Sara und ihre verbleibenden Kinder weigerten sich, den Kampf von Josefina und Rubén aufzugeben. Sie erhielten dafür Morddrohungen ihrer Feinde und ein tosendes Schweigen der Presse. Das Schicksal der Familie Reyes Salazar wurde am 7. Februar 2011 wieder newswürdig, als Magdalena und Elías Reyes Salazar und Luisa Ornelas Soto entführt wurden. Die 76-jährige Sara, die die Entführung zusammen mit ihrer 12-jährigen Enkelin gesehen hatte, initiierte vor dem Büro der Generalstaatsanwaltschaft in Ciudad Juárez ein Protestcamp. Sara und ihre beiden Töchter Marisela und Claudia hofften, mit einem Hungerstreik die Regierung dazu zwingen zu können, die drei Verschwundenen entweder vorzuführen oder aber eine Untersuchung zu beginnen. Doch die Regierung von Chihuahua begegnete dem Hungerstreik mit grausamer Verachtung. Selbst nachdem Unbekannte die Häuser von Sara und Malú García, einer mithungerstreikenden Anti-Femizid-Aktivistin, niedergebrannt hatten, verweigerte der Vizegeneralstaatsanwalt Jorge González Nicolás ein Treffen mit den Frauen. Gustavo de la Rosa Hickerson von der staatlichen Menschenrechtskommission von Chihuahua rief nach einer Untersuchung, da es die Angreifer fertig gebracht hatten, Saras bescheidenes Heim aus Schlackenbeton in einer Entfernung von nur 100 Meter von der Kaserne von Guadalupe niederzubrennen. Nach zwei Wochen Hungerstreik ohne Treffen mit dem Vizestaatsanwalt oder dem Gouverneur César Duarte beschlossen Marisela, Claudia und Sara, den Druck zu erhöhen und verlegten ihr Protestcamp vor das Senatsgebäude in Mexiko-Stadt. Sie waren dort, als Gouverneur Duarte vor dem Senat seinen Bericht über die Erfolge in Chihuahua ablegte. Oppositionelle SenatorInnen stellten ihn und erzwangen ein Treffen, das Duarte jedoch auf zehn Minuten beschränkte. Der Hungerstreik der Reyes Salazars vermochte es nicht, die Angehörigen lebend nach Hause zu bringen, verhalf aber Magdalena, Luisa und Elías immerhin zu einem würdigen Begräbnis. Die Totenwache für Magdalena und Elías fand im Protestcamp vor der Staatsanwaltschaft in Juárez statt. Saúl, Bruder von Elías und Magdalena, erklärte, dies habe weniger mit einem Protest als mit einer Notwendigkeit zu tun gehabt: "Wir hielten die Totenwache vor der Staatsanwaltschaft ab, da wir noch nicht einmal ein Heim haben. Sie wurden beschädigt und das Haus meiner Mutter wurde niedergebrannt." Am 26. Februar nahm Chihuahua unter dem Ruf von "Que viva la familia Reyes Salazar! Tod dem verbrecherischen Staat!" von drei weiteren seiner MenschenrechtsaktivistInnen Abschied, "Kollateralschäden" in Mexikos Drogenkrieg.

Die Familie Reyes Salazar, oder "was von uns übrig geblieben ist", wie Saúl bei der Beerdigung seiner Geschwister sagte, zieht Asylangebote diverser Staaten in Betracht, darunter Venezuela, Spanien, Frankreich, Kanada und die USA. Was die Vereinigten Staaten betrifft, sagt Magdalena: "Ich würde das Angebot, dort zu leben, nicht annehmen, denn die USA spielen eine wichtige Rolle in allem, was uns passiert." Marisela erklärt, warum sie nie aufhören werden, für Gerechtigkeit zu kämpfen, ob sie nun aus dem Land flüchten oder nicht: "Ich habe Angst um meine Familie. Aber ich habe noch mehr Angst davor, so viel Blut auf den Strassen meiner Stadt zu sehen. Denn wenn wir nicht aufschreien, bringen sie uns doch um, und wenn sie uns töten, dann wenigstens für etwas, damit die Welt hört, was in Mexiko geschieht".


Die Opfer beschuldigen

In Juárez, wo 2010 mehr Menschen starben als in ganz Afghanistan (cnsnews.com, 25.2.11: More Civilians Killed Last Year in One Mexican Border Town Than All Afghanistan), war es für die Regierung nicht besonders schwierig, die Untersuchung von Morden an unschuldigen ZivilistInnen zu vermeiden. Fälle, in denen die Sicherheitskräfte eindeutig schuld sind, beispielsweise wenn sie ZivilistInnen an Strassensperren erschiessen, sorgen für einen nationalen Aufschrei. Sind die Angreifer wie aber im Falle der Reyes Salazars nicht eindeutig identifizierbar, zeigen die Medien wenig Interesse, da diese Fälle automatisch unter Gewalt zwischen den Kartellen eingereiht werden. Doch die Familie Reyes Salazar weigert sich, ihre Toten zu namenlosen Häkchen im Exekutionsmeter werden zu lassen. Sie machte es für die Regierung schwierig, wenn nicht unmöglich, nicht mindestens eine oberflächliche Untersuchung der Morde zu veranlassen. So fällt die Regierung auf die alte Verteidigungslinie zurück: Beschuldige die Opfer!

Bis zu einem gewissen Grad funktionierte diese Strategie beim Mord an Josefina. Da die Regierung ihren Sohn Miguel Angel der Arbeit für das Juárez-Kartell beschuldigt (aber nie verurteilt), glaubte selbst de la Rosa Hickerson von der Menschenrechtskommission von Chihuahua eine Zeitlang, dass mutmasslich das Sinaloa-Kartell dahinter stecke. "Früher sanktionierten sie nur Personen, die im Drogenbusiness aktiv waren", erklärte er nach dem Mord an Josefina. "Aber seit Juli [2009] warnen wir davor, dass sie ihren Zerstörungskrieg auf die Familien jener ausweiten, die mit dem gegnerischen Kartell ein legales oder illegales Geschäft machten. Im Fall von Josefina arbeitete [Miguel Angel] als Mechaniker für La Línea [vom Juárez-Kartell]. "Das Auftauchen von "Narcobotschaften" [narcomantas, Plakate oder Transparente mit Messages eines Kartells] auf den Leichen von Elías, Luisa und Magdalena nahm der Staat als Anlass, seine Hände in Unschuld zu waschen. Laut dem Vizegeneralstaatsanwalt González Nicolás weisen seine Untersuchungen auf das Sinaloa-Kartell als mutmasslich Schuldigen hin. Weshalb die Bundesbehörden, nicht Chihuahua, für den Fall zuständig seien. "Für uns ist die Beteiligung des organisierten Verbrechens [an den Morden] klar", argumentierte er. Zwischenzeitlich informierte er die Medien, sein Büro werde die Familie Reyes Salazar auf kriminelle Aktivitäten hin untersuchen.

Dafür hat die Familie Reyes Salazar nur ein müdes Lächeln übrig. Elías und Luisa "waren behindert, sie brauchten Hilfe beim Gehen. Wie könnten sie auch nur glauben, [dass sie für die Kartelle gearbeitet haben], wenn sie ihr Leben lang bescheiden in der Bäckerei gearbeitet haben?" Die Reyes Salazars haben angedeutet, dass die Narcobotschaft, wonach Magdalena, Elías und Luisa wegen ihrer Kooperation mit einem Kartell umgebracht worden seien, angebracht worden sei, nachdem die Leichen hingeworfen worden waren. Sie sagen, die ZeugInnen, welche die Leichen am Strassenrand entdeckt hatten, hätten ihnen gesagt, dass sie keine Narcobotschaft gesehen hätten. In einem Statement halten sie fest: "Wir werden nicht akzeptieren - wie es täglich geschieht - dass der Name dieser AktivistInnenfamilie in den Schmutz gezogen wird, indem dieser unglückliche Vorfall in den Rahmen einer angeblichen Beziehung mit dem organisierten Verbrechen gestellt wird." Zwar stehen die Mörder der sechs Familienmitglieder noch nicht fest, doch die Familie und internationale Menschenrechtsorganisationen halten die Regierung für verantwortlich. Die Familie verlangt den Rücktritt von González Nicolás.

Human Rights Watch ihrerseits kritisierte die Regierung, weil sie die MenschenrechtlerInnen von Chihuahua nicht schützte. Die Organisation verwies darauf, dass die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) 2008 Schutzmassnahmen für Sara Salazar und Malú García angeordnet hatte, deren Häuser während ihres Hungerstreikes niedergebrannt wurden. Damit erfüllten laut HRW die Bundes- und Einzelstaatsbehörden ihre Verpflichtung, García und Salazar und ihre Familien zu schützen, nicht. Hätte die Regierung ihre Pflicht erfüllt, wären womöglich Saras Kinder, ihr Grosssohn und ihre Schwiegertochter noch am Leben - sie wurden alle ermordet, als die CIDH-Schutzgarantien galten.

Das offensichtliche Desinteresse der Regierung am Schicksal der Reyes Salazars wurde durch die Geschwindigkeit nur unterstrichen, mit der diese den Mord an dem ICE-Agenten Jaime Zapata löste. Für Marisela ist klar: "In zwei Tagen haben sie die Mörder von Jaime Zapata gefasst, da er von der US-Fremdenpolizei war. Die Morde an meinen Geschwistern müssen gelöst und die Verantwortlichen verurteilt werden." Malú García meinte: "Auch wenn es nicht möglich ist zu sagen, dass die Behörden am organisierten Verbrechen beteiligt sind, kann man sagen, dass sie per Unterlassung dabei sind, denn sie sind nicht weitergekommen in Verfahren wegen mehrerer Angriffe auf MenschenrechtsaktivistInnen, die sie sogar für die Angriffe verantwortlich machten."


Nachtrag der Correos-Redaktion: Entgegen ihrer früheren Stellungnahme bestätigte Marisela Reyes Salazar letzten März, dass ihre Familie in den USA Asyl beantragt. Die Drohungen gingen weiter, insbesondere gegen einen Sohn ihrer ermordeten Schwester Magdalena.


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Quelle:
Correos de Centroamérica Nr. 166, 16. Juni 2011, S. 6-8
Herausgeber: Zentralamerika-Sekretariat, Zürich
Redaktion: Postfach, 8031 Zürich, Schweiz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. August 2011