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AUFBAU/536: Arbeiten, wenn die Vorgesetzten es sich wünschen


aufbau Nr. 93, Mai/Juni 2018
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Arbeiten, wenn die Vorgesetzten es sich wünschen


ÖKONOMIE Die Auswirkungen der Entwicklung der Produktivkräfte sind für die ArbeitnehmerInnen spürbar und lassen sich unter dem Thema Flexibilisierung darstellen.


(gpw)Auch wenn sich durch die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt das Ausbeutungsverhältnis strukturell nicht verändert, haben die neusten Produktivkraftentwicklungen ihren Einfluss auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der ArbeiterInnen. Damit diese Veränderungen für die KapitalistInnen möglichst reibungslos über die Bühne gehen können, bereiten sie die Arbeitenden mit bewusst positiv formulierten Einschätzungen auf die Veränderungen vor. Der Bundesrat schreibt in seinem Bericht vom November 2017 über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Beschäftigung zum Beispiel, dass die Digitalisierung den Erwerbstätigen eine bessere Möglichkeit gäbe, Arbeit und Privatleben zu vereinbaren, da die Arbeitszeiten den individuellen Bedürfnissen angepasst werden könnten. Qualifizierte Arbeitskräfte werden mit dem Versprechen nach einer Verflachung der Hierarchien und vermehrten Mitwirkungsmöglichkeiten im Betrieb geködert.


Flexibilität erhöht die Unsicherheit

Das Zauberwort für die Beschreibung dieser Auswirkungen auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen ist der Begriff "Flexibilisierung". Gemäss Wikipedia ist damit der Prozess zur Erreichung einer erhöhten Agilität von Organisationen und Personen durch die Reduzierung fester Regeln und Strukturen gemeint. Die KapitalistInnenklasse, welche gegen den tendenziellen Fall der Profitrate ankämpft, will mit der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes von ihren LohnbezügerInnen mehr Gratisarbeit abpressen oder Produktionskosten senken. Insbesondere durch die Ökonomisierung der Zeit soll ein effizienzorientiertes Arbeiten herangezüchtet werden, um den Ausbeutungsgrad zu erhöhen. Verlangt wird unter anderem ein Übergang von umfassend vertraglich geregelten Arbeitsverhältnissen zu Vertragsverhältnissen mit möglichst wenigen Vorgaben. Die schwankende Nachfrage nach Arbeitskraft wird durch flexible Arbeitszeit geregelt (z.B. Jahresarbeitszeit) oder durch Outsourcing und befristete Arbeitsverhältnisse gesteuert.


Auswirkungen auf den Lebensalltag

Insbesondere ab der eher qualifizierten Arbeit kennen viele bereits den fliessenden Übergang zwischen Arbeits- und Privatleben, wenn berufliche E-Mails und Handys zu jeder Tages- und Nachtzeit bewirtschaftet werden. Es ist oft nicht die eigene Entscheidung, solche Mehrarbeit zu, leisten, sondern der innerbetriebliche und der gesellschaftliche Druck, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten. Wer - was häufig der Fall sein dürfte - diesen Mehraufwand nicht zusätzlich entlohnt erhält, leistet mehr Gratisarbeit. Ist ein Arbeiter oder eine Arbeiterin für die Wartung eines Roboters zuständig, wird er oder sie unabhängig der Uhrzeit Arbeit leisten müssen, wenn die Maschine per app ein Problem meldet. Wer auf diese Weise auf Abruf arbeitet, wird für einen Einsatz wenig Lohn erhalten und für den Lebensunterhalt bald mehrere Jobs benötigen.

Wird die Arbeitszeit den Marktschwankungen unterworfen, führt dies generell zu unkalkulierbaren Regenerationszeiten und einem erhöhten Koordinationsaufwand im Privatleben. Überbelastungen mit gesundheitlichen Folgen und die Unsicherheit, das eigene Leben nicht mehr im Griff sowie mit der Familie und dem sozialen Umfeld nicht mehr genügend Kontakt zu haben, nehmen zu, wie in Statistiken des Bundesamtes für Statistik nachzulesen ist.


Welchen Weg einschlagen?

Im Verlauf des 20. Jahrhundert hat die ArbeiterInnenklasse sich zumindest in Westeuropa zum Teil gegen die Auswirkungen eines zu langen Arheitstages oder einer ungesunden Schichtarbeit zur Wehr gesetzt. Der 8-Stunden-Tag und eine arbeitsfreie Zeit und Nachtruhe von täglich in der Regel mindestens 11 Stunden waren die Folge davon. Was den Werktätigen nun vom Bundesrat als scheinbar positive Errungenschaften verkauft wird, ist ein Abbau dieser hart erkämpften Errungenschaften. Als Klasse der Werktätigen, ob als qualifizierte oder einfache ArbeiterIn, sollten wir uns gut überlegen, ob diese Flexibilisierung unter kapitalistischen Vorzeichen nicht das Gegenteil von dem bewirkt, was die ArbeitnehmerInnen einer Gesellschaft sich hauptsächlich wünschen: ausreichende finanzielle Mittel für die Deckung der eigenen und der familiären Bedürfnisse, eine Arbeit, ohne übermässige Belastungen und ohne die eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen und genügend Zeit, seine familiären und sozialen Bedürfnisse zu pflegen.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 93, Mai/Juni 2018, Seite 11
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
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Internet: www.aufbau.org
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2018

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