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AUFBAU/461: Es regnet von unten nach oben


aufbau Nr. 85, mai/juni 2016
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Es regnet von unten nach oben


STAATSSCHULDEN Staatliche Sparprogramme auf der einen und umfassende Steuergeschenke auf der anderen Seite sind vor dem Hintergrund der Staatsschulden zu betrachten. Diese sind in der Schweiz extrem niedrig.

(gpw) Die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat hat wieder einmal Steuergeschenke an die Reichen verteilt. Bekanntlich dulden die EU und die OECD - eine Interessenvertretung der starken Metropolenländer - keinen steuerlichen Sonderstatus mehr für ausländische Multis, wie er in vielen Kantonen noch besteht. Im Rahmen der "Unternehmenssteuerreform III" soll das korrigiert werden, was die Gefahr der Abwanderung ausländischer Holdinggesellschaften mit sich bringt. Deshalb werden krampfhaft Kompensationsmöglichkeiten gesucht. Nun hat der Nationalrat darüber hinaus Steuergeschenke für Aktionäre und andere Gutbetuchte beschlossen. Das Gesamtpaket wird Einnahmeneinbussen von über 2 Milliarden Franken für Bund, Kantone und Gemeinden verursachen. Das bezeichnet die parlamentarische Linke als "verantwortungslos" (NZZ online 16.03.2016).

Selbstverständlich gehört es zum Kerngeschäft linker ParlamentarierInnen, Steuergeschenke zu bekämpfen - umso mehr, wenn ein Sparprogramm das andere jagt. Um die sogenannte Schuldenbremse einzuhalten, plant der Bundesrat ab 2017 weitere jährliche Einsparungen von einer Milliarde Franken. Dazu gehören zwischen 2017-2019 Kürzungen im Bereich Bildung, Forschung und Innovation (BFI) von 555 Millionen Franken. In der Bundesverwaltung sollen 345 Millionen Franken gespart werden. Das geht vorwiegend zu Lasten des Personals, indem unter anderem die Übergangsrenten für Frühpensionierte gestrichen werden. Kürzungen gibt es auch bei der Prämienverbilligung der Krankenkassen. Das Parlament hat allerdings bereits dafür gesorgt, dass die Bauern und die Armee weitgehend verschont werden.


Die Schweiz als Sonderfall

Bei Sparprogrammen dient die Staatsverschuldung häufig als Hauptargument für die Einführung von Verschlechterungen für die arbeitenden Klassen. Allerdings: bezüglich der Staatsverschuldung ist die Schweiz ein Sonderfall. Die Bruttoverschuldung des Bundes betrug im Jahr 2015 nur 16,2% des Bruttoinlandprodukts (BIP), Tendenz sinkend. Zieht man von der Schuld des Bundes dessen Finanzvermögen ab, bleibt eine Nettoverschuldung von 11,1% übrig. Schliesst man die Kantone und Gemeinden mit ein, beträgt die Bruttoverschuldung 33% des BIP und inklusive den Sozialversicherungen liegt sie bei 46%.

Die Maastricht-Kriterien, nach denen die EU die Verschuldung ihrer Mitgliedsländer begrenzen wollte, schreiben eine Obergrenze von 60% vor. Die durchschnittliche Verschuldung der EU-Länder lag 2015 bei knapp 100%, und auch Deutschland, Frankreich und Grossbritannien liegen weit über diesen 60%, die USA bei über 100% und Japan bei weit über 200% (Handelszeitung 15.10.2015). Das können sich diese Staaten leisten, denn in Zeiten niedriger Zinsen ist der Spielraum für hohe Staatsschulden längst nicht ausgereizt.

Ferner schreibt der Bundeshaushalt konstant höhere Einnahmen als budgetiert. Der Überschuss betrug 2015 laut SVP-Finanzminister Maurer 2,3 Milliarden Franken. Das wissen die Bürgerlichen und bedienen sich beim Staat dementsprechend mit grosszügigen Steuergeschenken. Da die Steuerlast einzelner Kantone nicht in dieses rosige Bild passt, wird der Ständerat die geplanten Reformen wohl noch etwas abfedern.


Umverteilung von unten nach oben

Generell enthüllen schon diese nackten Zahlen was hier vor sich geht: Steuergeschenke nach oben an die herrschende und Sparpakete nach unten an die unterdrückte Klasse sind die beiden Seiten derselben Medaille. Aber dahinter steht noch mehr: Das Pensionskassenobligatorium macht alle ArbeiterInnen, die mehr als 21.150 Schweizer Franken im Jahr verdienen, zu einem Heer von StaatsgläubigerInnen, denen vor der Einführung des Obligatoriums eine Verzinsung von mindestens 4% des "Sparkapitals" versprochen wurde - zum grossen Teil finanziert aus der Verzinsung der Staatsschuld. Inzwischen ist diese Verzinsung auf null gesunken und die Staatschuld wird kleiner. Die Verwaltungen der Pensionskassen müssen den Anteil anderer, tendenziell risikoreicherer Anlagen vergrössern, um überhaupt noch eine Rendite zu erzielen. Dieser Rentenklau war schon längst vorprogrammiert. Die Hypothek, welche der gegenwärtige Kapitalismus an die nächsten Generationen weiterreichen wird, besteht nicht in der Staatsschuld, wie immer gesagt wird. Sie besteht in der rasant zunehmenden Barbarei dieser verkehrten Produktionsweise, in der die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 85, mai/juni 2016, Seite 5
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2016

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