aufbau Nr. 84, märz/april 2016
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus
Sexarbeit in Indien: "Save us from our saviours"
SEXARBEIT IN INDIEN Abolitionistische Strömungen, staatliche Verbote und Stigmatisierungen rund um Sexarbeit erschweren die Situation der SexarbeiterInnen weltweit. Die indische Organisation "Durbar" kämpft gegen Bevormundung, für die Anerkennung ihrer Arbeit und mehr Rechte.
(fk) Strömungen, welche die Prostitution abschaffen
wollen, sind weit verbreitet. Doch auch eine Gegenbewegung, die für
die Ent-Stigmatisierung der SexarbeiterInnen und für bessere
Arbeitsbedingungen kämpft, wird immer lauter. Ihren Ursprung hat sie
in den organisierten sozialen Kämpfen, die SexarbeiterInnen weltweit
führen. Dazu gehören in Europa beispielsweise die französische
Gewerkschaft für Sexarbeit "Syndicat du travail sexuel", kurz Strass,
oder die deutsche Hurenbewegung. Den abolitionistischen Feminismus,
der die Abschaffung der Prostitution als Möglichkeit sieht, sexuelle
Ausbeutung zu verhindern und aus den patriarchalen
Herrschaftsstrukturen auszubrechen, lehnen die Organisationen und ihre
AktivistInnen entschieden ab. Ihnen geht es um die Autonomie der
Individuen, sexuelle Dienstleistungen anzubieten - alles andere sei
bevormundend und kontraproduktiv. Die indischen SexarbeiterInnen
beispielsweise gründeten ihre eigene Organisation Durbar und setzen
dem Abolitionismus ein deutliches "Save us from our saviours"
- "Rettet uns vor unseren Rettern" - entgegen.
Durbar Mahila Samanwaya Committee, kurz Durbar, wurde 1992 gegründet. Die Organisation vertritt heute rund 65.000 weibliche, männliche und transgender SexarbeiterInnen. Diese fordern Selbstbestimmung, die Schaffung von Rechten und die Anerkennung von "Sexarbeit als Arbeit und von SexarbeiterInnen als ArbeiterInnen". Durbar steht für mehr Selbstbestimmung und Empowerment und wählt für ihre Aktivitäten einen umfassenden Ansatz. Sie hinterfragt dabei soziostrukturelle Faktoren, auf denen die Stigmatisierung, Exklusion und Ausbeutung basiert und kritisiert die von Staat und Gesellschaft reproduzierten Normen und Praktiken, welche zu den herrschenden Machtstrukturen führen. Den Kampf gegen HIV und Aids beispielsweise führen die AktivistInnen nicht nur auf medizinischer, sondern auch auf soziologischer Ebene. Sie sind überzeugt, dass sie nur als "AgentInnen im Kampf gegen die Krankheiten" agieren können, wenn die Gesellschaft ihre berufliche Stellung anerkennt und als solche würdigt.
Die SexarbeiterInnen bieten ein breites Bildungsangebot an, da für sie Bildung "eine der stärksten Waffen für Selbstverteidigung und Selbstständigkeit" ist. Ausserhalb ihrer Organisation sind sie oft damit konfrontiert, dass ihnen das Recht auf Bildung verwehrt wird. So waren laut eigenen Angaben nahezu 84,5 Prozent der indischen SexarbeiterInnen analphabetisch, bevor Durbar 1992 begann, Schulungen anzubieten. Heute erhalten immerhin 310 Erwachsene Bildung. Es geht den AktivistInnen dabei aber nicht ausschliesslich um das Erlernen der Fähigkeiten wie lesen und schreiben. Die gemeinschaftliche Wissensbildung und -vermittlung fördert ihrer Ansicht nach auch das Selbstbewusstsein und die Diskussionsfähigkeit der SexarbeiterInnen.
Einen hohen Stellenwert hat auch der Einbezug der Kinder von SexarbeiterInnen. So lancieren sie Projekte, welche die Integration der Kinder in das lokale Schulsystem fördern. Dabei geht es auch darum, die Beziehung zwischen den Kindern und ihren Eltern zu stärken, in dem sie lernen, die Arbeit ihrer Eltern als solche anzuerkennen und damit gleichzeitig die herrschende diskriminierende Praxis zu hinterfragen. Unter den Kindern der SexarbeiterInnen gibt es jedoch nach wie vor eine hohe Quote an SchulabbrecherInnen. Dies hängt mit den diskriminierenden Praktiken und dem Stigma zusammen, das den SexarbeiterInnen und damit auch ihren Kindern anhaftet. In Indien verunmöglichen laut Durbar Lehrkräfte, Eltern und vor allem Frauen und Männer aus der Mittelschicht die schulische Ausbildung der Kinder von SexarbeiterInnen. Für Kinder, die die lokalen öffentlichen Schulen verlassen müssen, hat Durbar ein eigenes Ausbildungsprogramm zusammengestellt.
Gegen aussen setzt Durbar auch Darstellende Künste ein, um ihre Anliegen und Forderungen zu vermitteln. Theater- und Gesangsdarbietungen thematisieren stereotype Bilder von SexarbeiterInnen und stellen diese infrage. Darüber hinaus wirkt die Kunst aber auch nach innen, sie hat einen therapeutischen Zweck: Sie hilft den SexarbeiterInnen und ihren Kindern, Gewalterfahrungen besser zu verarbeiten. Weiter engagiert sich Durbar politisch gegen Menschenhandel, vergibt Mikrokredite und fördert Sport und Bewegung. Dank der breit abgestützten Aktivitäten will die Organisation eine neue soziale Ordnung schaffen, die frei ist von "Diskriminierung aufgrund von Klasse, Kaste, Geschlecht oder Beschäftigung".
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Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)
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Quelle:
aufbau Nr. 84, märz/april 2016, Seite 6
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
aufbau, Postfach 8663, 8036 Zürich
E-Mail: info@aufbau.org
Internet: www.aufbau.org
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2016
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