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ARBEITERSTIMME/359: Unsere 46. Jahreskonferenz im Oktober 2017


Arbeiterstimme Nr. 198 - Winter 2017/2018
Zeitschrift für die marxistische Theorie und Praxis
Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein!

Unsere Jahreskonferenz


Die 46. Jahreskonferenz der Gruppe Arbeiterstimme fand heuer am 7. und 8. Oktober statt, also einige Wochen vor dem sonst üblichen Termin. Einige Genossinnen und Genossen sind dermaßen in Lohnarbeit und politischer Arbeit eingebunden, dass nur dieser Termin eine Teilnahme der Mehrheit ermöglicht hätte.

Aufgrund der Sturmschäden konnten dann doch einige Genossen aus dem Norden des Landes nicht kommen; sie hatten auf die Bahn als Transportmittel gesetzt, aber die wird ja ihrem Werbespruch aus vergangen Tagen, als sie noch Deutsche Bundesbahn hieß, schon lange nicht mehr gerecht: "Alle reden vom Wetter - wir nicht". Aus diesem Grund konnte auch unser englischer Freund und Genosse diesmal leider nicht an der Jahreskonferenz teilnehmen.

Trotz der geschilderten Ausfälle war die Teilnehmerzahl nur wenig geringer als in den letzten Jahren. Wir durften heuer vier Genossinnen und Genossen der Gruppe Arbeiterpolitik, sowie Genossen der Gruppe International Dorfen und einen Genossen der DKP Nordbayern begrüßen. Auch unser österreichischer Genosse war wieder nach Nürnberg gekommen - er berichtete über den Wahlkampf und die Wahlen in Österreich. Die Jahreskonferenz diente wie stets dem Meinungsaustausch der Gruppenmitglieder und Sympathisanten und der Gäste aus anderen Gruppen, über die Innenpolitik, die Weltlage und die Krisenerscheinungen des Kapitalismus.

Die Redaktion hatte im Vorfeld der Konferenz einige Themenbereiche festgelegt, die tiefergehend behandelt werden sollten. Dazu hatten wir einige Genossinnen und Genossen gebeten, Referate auszuarbeiten.

Die Wahlen in der BRD hatten zwei Wochen zuvor stattgefunden; es war also ein Muss. auf diese einzugehen.

Doch nun zu den Themen im Einzelnen:

  • Bericht zur Lage der Gruppe
  • Nachlese zur Bundestagswahl
  • Kommunistischer Widerstand am Beispiel einer oberbayrischen Marktgemeinde
  • Bedingungsloses Grundeinkommen
  • Auf den Spuren der russischen Revolution (ein Reisebericht)
  • Zur Situation in der Türkei
  • "Linksruck" in der Labour Party

Leider mussten der Bericht aus England, sowie der Reisebericht aus Russland wg. der Sturmschäden ausfallen.

Erfreulicherweise sprangen einige der anwesenden Genossen ein und ergänzten die Tagesordnung mit den Themen Wahlen in Österreich und einem Bericht aus Barcelona.

Den Bericht zur Lage der Gruppe hatte sich wieder unser Nürnberger Altgenosse vorgenommen. Sein Fazit war, dass die Gruppe trotz der personellen Schwäche und der Überbelastung der Redaktion und der für Umbruch und Versand verantwortlichen Genossinnen und Genossen, noch in der Lage ist, die Arbeiterstimme vier Mal im Jahr herauszubringen; auch das Programm der Jahreskonferenz sei wieder eines, das sich durchaus sehen lassen könne. Insgesamt sieht er die Gruppe in einem Zustand der "stabilen Stagnation". Erfreulich ist die konstruktive Zusammenarbeit mit der Gruppe International Dorfen und der Gruppe Arbeiterpolitik. Leider konnte im letzten Jahr keine der Redaktionssitzungen der Arpo von uns wahrgenommen werden. Das ist ein Manko, das wir bedauern, das aber nicht inhaltlichen Differenzen, sondern der Überlastung Einzelner und Terminüberschneidungen geschuldet ist. Das gegenseitige Abdrucken von Artikeln läuft problemlos und häufiger. Die gegenseitige Teilnahme an Konferenzen vertieft die Zusammenarbeit und fördert das freundschaftliche Verhältnis.

In der Diskussion zur Lage der Gruppe kamen wir im Meinungsaustausch über die Frage des Nachdrucks einiger vergriffener Broschüren überein, dass es notwendig sei, das zu tun; allerdings sollten aktuelle Vorworte dazu verfasst werden. Wir wollen uns an die Neuauflage folgender Broschüren machen: "Einführung in den dialektischen Materialismus", "Der Faschismus in Deutschland", "Volksfront - Einheitsfront" sowie die "Bremer Linksradikalen". Ein Genosse regte an, die Broschüren grundsätzlich auch als E-Book Reader aufzuarbeiten - ein Vorschlag, der auf Zustimmung stieß, und den wir auf seine Umsetzbarkeit hin prüfen werden.

In der Diskussion wurde natürlich auch deutlich angesprochen, dass es nötig wäre, häufiger in der Öffentlichkeit aufzutreten und unseren Standpunkt einzubringen - allein, es fehlt an den Kräften, die dies machen könnten.

Der nächste Tagesordnungspunkt war die Bundestagswahl. Aus dem Vortrag darüber ist ein Artikel entstanden, in den die wichtigsten Punkte der Diskussion eingearbeitet wurden. Er wurde allerdings um einige Seiten gekürzt, weil die Wahlergebnisse oft genug an anderen Stellen veröffentlicht wurden und bekannt sind. Einige der wichtigsten Aussagen der Diskussion sollen hier kurz dargestellt werden: Die Linke hat sich während des "Wahlkampfs" deutlich und wohltuend von den anderen (neoliberalen) Parteien abgehoben; mit ihr gibt es keinen Sozialabbau, keine Auslandseinsätze, keine Rüstungsexporte und die Rente soll zu einem guten Leben im Alter reichen.

Ein Genosse führte an, dass Die Linke in Sachsen als eine Intellektuellenpartei wahrgenommen werde, der nicht zugetraut wird, die Sorgen und Ängste der Menschen im Freistaat aufzugreifen: 20 % der Arbeitsplätze sind dort prekär, in nur noch 11 % der Betriebe gibt es einen Betriebsrat, die Abstiegsängste des Mittelstandes sind durchaus realistisch. Ein Genosse aus Berlin berichtete von Wahlergebnissen in manchen Stadtteilen von 30% für Die Linke; da wo Die Linke stark ist, ist die AfD schwach. Ein Teilnehmer meinte, dass es sich nicht um einen Rechtsruck, sondern vielmehr um eine kontinuierliche Rechtsentwicklung handle. Der Genosse der DKP verbuchte die Kandidatur der DKP als Erfolg für die Partei. So habe die DKP es geschafft, aus der Vergessenheit zu geraten - sie hat dadurch gezeigt, dass es die DKP als Partei überhaupt noch gibt. Durch den Wahlkampf konnten in einigen Regionen neue Sympathisanten gewonnen werden.

Das Wahlergebnis bedeutet eine Zäsur in der Geschichte der BRD; die AfD schiebt die anderen Regierungsparteien vor sich her. Ein Genosse meinte, dass die AfD das nur in der Flüchtlingsfrage tun könne, auf den andern Politikfeldern habe sie quasi nichts zu sagen und werde ihre Wähler enttäuschen.

Die Wünsche der Bevölkerung sind leicht zusammenzufassen: Sie will ein besseres Leben haben, eine gute Gesundheitsfürsorge, ausreichende Altersversorgung - man müsse die Menschen auf einfache Art ansprechen. Es müsse eine Integrationspolitik gemacht werden auch für alle Deutschen, die das Gefühl haben, ausgeschlossen zu sein. Vor einer "Linksentwicklung" der SPD brauche sich Die Linke keine Sorge zu machen - linke Politik wird in der SPD nur verbal stattfinden.

Zum Wahlkampf in Österreich brachte unser Genosse aus der Alpenrepublik einige Fakten. Er bezeichnete den Wahlkampf als Schlammschlacht, die fast ausschließlich das Thema Flüchtlinge im Mittelpunkt gehabt habe. Die SPÖ sei im Sinkflug. Genauere Ausführungen zu den Wahlen und den Wahlergebnissen werden in einem Artikel in dieser Nummer abgedruckt.

Eine andere Art der Geschichtsaufarbeitung hatte sich die Dorfener "Geschichtswerkstatt" zur Aufgabe gemacht. Früchte dieser Arbeit stellte unser Dorfener Genosse in seinem Beitrag "Kommunistischer Widerstand am Beispiel einer oberbayrischen Marktgemeinde" vor. Dabei wurden die Geschichts"fälschungen" der bürgerlichen Aufarbeitung des Faschismus in Deutschland und des Widerstands gegen den Nationalsozialismus deutlich. Hier gibt es Widerstand nur aus kirchlichen Kreisen, den Militärs des 20. Juni und der Weißen Rose. Der weit größere und bedeutendere Widerstand aus den Reihen der Kommunisten und Sozialdemokraten wird von den bürgerlichen "Aufarbeitern" geflissentlich weggelassen. Eine Methode, die durchaus erfolgreich war und ist - kommunistischer Widerstand ist nicht in den Köpfen der Deutschen präsent, obwohl er in vielfältigster Art und Weise stattgefunden und eine immense Zahl an Opfern gekostet hat. Für die BRD standen die Widerständler halt auf der falschen Seite. In der Diskussion wurde die Meinung vertreten: "Widerstand gegen Nationalsozialismus ist alles, was die Nazis in ihren Zielen behindert hat."

Das Projekt "Geschichtswerkstatt Dorfen" wendet sich mit der Thematisierung des Nationalsozialismus und seiner Vor- und Nachgeschichte gegen die Mythologisierung vieler "kleinerer" Nazis quasi aus der Nachbarschaft, die erst gar nicht mehr so schlimm waren und dann bald zu aufrechten, echten Demokraten wurden. Die Initiatoren der Geschichtswerkstatt enthüllten diese Ungeheuerlichkeiten, deren Belege teilweise von Archivaren jahrzehntelang unter Verschluss gehalten worden waren. "Vieles aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 ist immer noch tabuisiert beziehungsweise wurde und wird beschönigend dargestellt. Viele Opfer und deren Leiden sind vergessen, während nach Mitläufern, Opportunisten und Profiteuren des NS-Systems Straßen benannt wurden."

Dem entgegenzutreten, hat sich die Geschichtswerkstatt zur Aufgabe gemacht. Wir können gespannt auf weitere Veröffentlichungen sein, denn Material für weitere Enthüllungen ist reichlich vorhanden. Das Referat des Genossen wird in leicht überarbeiteter Form abgedruckt.

Als nächster Tagesordnungspunkt folgte ein Referat zum Bedingungslosen Grundeinkommen. Mit diesem Thema hatten wir uns bis jetzt in der Gruppe nur am Rande bzw. individuell beschäftigt - umso wichtiger, sich dazu einen Standpunkt zu erarbeiten. Das Referat "Das bedingungslose Grundeinkommen - die humanistische Antwort auf den technologischen Fortschritt?" bildete eine hervorragende Grundlage, um Klarheit in die vielen diffusen Schwurbeleien zu bringen, die in den Köpfen herumspuken. Fazit der Diskussion war, so unkritisch wie das Thema - auch in der linken - Öffentlichkeit behandelt wird, dient es dazu, Kapitalverhältnisse und Klassenverhältnisse zu verschleiern und gewerkschaftliche Errungenschaften abzubauen. Es könnte auch als eine Art Prävention vor befürchteten sozialen Unruhen wegen des Arbeitsplatzabbaus durch die bevorstehende 4.0 Produktion verstanden werden.

Dem gilt es, das Recht auf gute bezahlte Arbeit und eine entsprechende Absicherung bei Arbeitslosigkeit statt Hartz IV entgegenzustellen.

Als praktische Form der Solidarität führten wir heuer unsere Sammlung für Kuba durch, in dem die Hurrikans dieses Herbstes schwerste Schäden angerichtet hatten. Nur den besonnenen Vorkehrungsmaßnahmen und Evakuierungen der Kubaner ist es zu verdanken, dass die Hurrikans nicht noch größere Verwüstungen und Schäden angerichtet hatten; eine Tragödie, die von unseren "Qualitätsmedien" nahezu ausgespart worden war. Die Sammlung erbrachte 560 EUR, diese werden an die Hurrikanhilfe der Deutsch-Kubanischen Freundschaftsgesellschaft überwiesen.

Statt des geplanten Reiseberichts "Auf den Spuren der russischen Revolution" gab ein Genosse der Arbeiterpolitik seine Eindrücke einer Reise nach Barcelona wieder, von wo er gerade erst zurückgekommen war. Er berichtete über die Massendemonstrationen für die Unabhängigkeit in der katalanischen Hauptstadt. Das war kurz vor den Demonstrationen für einen Verbleib Kataloniens in Spanien und vor dem Referendum. Der spanische Nationalstaat war auf diese Proteste nicht vorbereitet. Durch sein übermäßig hartes Vorgehen und die unversöhnliche Haltung der Befürworter der Unabhängigkeit war der Konflikt zusätzlich angeheizt werden. In der Diskussion wurde auch die Frage erörtert, ob Kleinstaaterei in unsere Richtung weiterführend sein kann.

Den despotischen Zuständen in der Türkei geschuldet, begannen wir den Sonntag mit einer Analyse der Situation in der Türkei. Unser Genosse und interne Kenner des Landes machte deutlich, dass in der Türkei Krieg herrscht. Seit dem Putsch vom letzten Jahr sind aus den Reihen von Gülen-Anhängern, Kurden und Gewerkschaftern 60.000 bis 80.000 Menschen ins Gefängnis geworfen werden. Die Presse ist gleichgeschaltet, die Arbeitslosigkeit liegt bei 12 %, die Inflation bei 11,5 %. Trotz der angespannten Lage und aller Einschüchterungen finden immer wieder kleinere und auch größere Arbeitskämpfe statt, über die in Deutschland nicht berichtet wird. Die Türkei ist außenpolitisch isoliert, was ein guter Nährboden für Erdogans "Verschwörungstheorie" ist: "Alle anderen Länder wollen der Türkei etwas böses." Trotz allem war unser Referent der Meinung, dass Erdogans Machtbasis gar nicht so gesichert ist. Die "Stabilität" der Türkei könne sich schnell als ein Schein entpuppen.

Das Ende der Jahreskonferenz bildete dieses Jahr nicht der fast schon traditionelle Bericht aus England, sondern Überlegungen zum gefährlichen Konflikt zwischen Nordkorea und den USA, der ja, nicht nur, was sprachliche Aggression angeht, immer weiter eskaliert. Der Genosse, der vor drei Jahren die Artikelserie über Nordkorea verfasst hatte, hatte sich im Zuge der Zuspitzung der Spannungen zwischen den USA und Nordkorea genauer mit dieser für die Weltlage äußerst brisanten Krise auseinandergesetzt - und hat seine vorläufigen Ausführungen zu diesem Thema zur Diskussion gestellt.

Ausgangspunkt war die Aussage: "Sich auf die Atomrüstung einzulassen, bedeutet, sich auf die Logik des Feindes einzulassen. Rüstung und Waffenbeschaffung sind sehr teuer und bedeuten gewaltige Einschränkungen; sie verschlingen einen Großteil der Ressourcen und schwächen die innenpolitische Entwicklung, die Nordkorea bitter nötig hätte. Der Genosse hat seine Gedanken zu einem Artikel zusammengefasst, der in dieser Nummer abgedruckt wird.

Mit der Jahreskonferenz der Gruppe konnten wir die persönlichen Kontakte der Genossinnen und Genossen untereinander intensivieren und festigen. Auch fanden die Diskussionen in freundschaftlicher, solidarischer und zielführender Art statt. Dieser Umstand wurde von einem Genossen, der zum ersten Mal auf einer Jahreskonferenz teilgenommen hatte, besonders gewürdigt. Als Resümee der Konferenz können wir festhalten: Wir können in "stabiler Stagnation" weiterarbeiten und mit Hilfe und Unterstützung unserer Leserinnen und Leser die uns gestellte Aufgaben angehen.

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Quelle:
Arbeiterstimme Nr. 198 - Winter 2017/2018, Seite 6 bis 8
Verleger: Thomas Gradl, Bucherstr. 20, 90408 Nürnberg
E-Mail: redaktion@arbeiterstimme.org
Internet: www.arbeiterstimme.org
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Januar 2018

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