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ARBEITERSTIMME/292: Hiroshima, 6. August 1945 ...


Arbeiterstimme Nr. 185 - Herbst 2014
Zeitschrift für die marxistische Theorie und Praxis
Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein!

Hiroshima, 6. Aug. 1945 ...
und 3 Tage später Nagasaki, auf beide Städte warfen die USA eine Atombombe

Rede von Fritz Storim



Geschätzte Tote bis Ende 1946 zusammen 230.000, an den Spätfolgen starben bis Ende 1981 zusätzlich ca. 150.000 Menschen. Auch jetzt erkranken und sterben immer noch Menschen an den Folgen. (Die Zahlen sind als Größenordnungen zu verstehen, die auf das Ausmaß der Bedrohung einerseits und auf die Skrupellosigkeit andererseits, mit denen politische und ökonomische Interessen durchgesetzt werden, hinweisen sollen. Die wirklichen Auswirkungen, das Leid der betroffenen Menschen, sind durch Zahlen gar nicht zu erfassen.) Die Menschen in den betroffenen Gebieten wurden und werden auch noch als Versuchskaninchen eines nuklearen Experiments benutzt. Sie wurden lange über ihre eigene Gefährdung im Unklaren gelassen. Die Bombe war ursprünglich für Berlin vorgesehen, um den Zweiten Weltkrieg zu beenden. Bis zur letzten Sekunde vor der Kapitulation haben auch deutsche Wissenschaftler*innen an der Herstellung einer eigenen Atombombe gearbeitet, um den Krieg für das deutsche Reich zu gewinnen.(1) Nach der Kapitulation Deutschlands entschieden sich die USA, die Bomben auf Hiroshima und Nagasaki abzuwerfen. Für die USA-Politiker*innen eine Machtdemonstration - speziell gegenüber der damaligen Sowjetunion -, für die Wissenschaftler*innen ein Freilandexperiment an konkreten lebenden und toten "Objekten". USA-Präsident Eisenhower hat dann vor der UNO 1953 das "Atom for Peace"-Programm erfunden - die sogenannte "friedliche Nutzung der Atomenergie" - um in diesem Windschatten in Ruhe weiterhin Atombomben bauen zu können. Seit 1945 wurden bei ober- und unterirdischen Atomexplosionen (2047 Tests, durch die USA davon 1051; Stand 17. Aug. 95) gewaltige Mengen Spaltprodukte in die Biosphäre freigesetzt; das entspricht mehr als 40.000 Hiroshima-Bomben. Emissionen aus Atomanlagen, die auch größere Unfälle einschließen, erhöhen die Gesamtbelastung noch, die zu einem erheblichen Teil aus langlebigen radioaktiven Isotopen besteht, die sich Tausende von Jahren in der Stratosphäre halten.


Die zivile und die militärische Nutzung der Atomkraft sind zwei Seiten einer Medaille!

Sie haben technologisch gemeinsame Grundlagen (Uranabbau, Urananreicherung, Uranmunition, Plutonium aus Brennstäben separieren, know-how, ...) Deshalb haben viele Staaten, die Atomwaffen entwickelt haben oder entwickeln wollen ihr Atomwaffenprogramm als sogenanntes ziviles Programm getarnt. Auch in der damaligen BRD war die Motivation für den Bau von Atomkraftwerken das machtpolitische Bestreben, eigene Atommacht zu werden und die Unabhängigkeit vom Öl anderer Länder. Den großen Energiekonzernen wurden durch gigantische staatliche Subventionen(2) in Forschung und Entwicklung und dann in die laufende Technik diese Energieform erst profitabel gemacht. Die Produktion von Atomenergie ist bei Weitem die teuerste und gesundheitlich schädlichste.

Die sichere Urangewinnung, der sichere Betrieb von Atomanlagen (auch im "Normalbetrieb") und die sichere "Entsorgung" von Atommüll sind bisher gänzlich ungelöst und auch nicht vorstellbar.

Einen "Grenzwert", "Schwellenwert" oder "Toleranzgrenzen" für die Verträglichkeit radioaktiver Strahlung gibt es nicht.

So steckt hinter der Festlegung von "Grenzwerten" der Strahlenschutzverordnung für radioaktive Strahlung nicht die Sorge um das Wohlergehen der Menschen, sondern die Absicht, für Entwicklung und Betrieb von Atomanlagen günstige Bedingungen zu schaffen. Die Ideologie der "Grenzwerte" soll über das tödliche Risiko hinwegtäuschen. Weltweit werden weiterhin viele Millionen Menschen durch radioaktive Strahlung von Krankheit und Tod betroffen sein. Die Atompolitik der verschiedenen Regierungen und der Atomindustrien ist gekennzeichnet durch Verschweigen, Verschleiern und Verharmlosen der Katastrophen und der Auswirkungen von radioaktiver Strahlung.

Die herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung hat jahrzehntelang dazu beigetragen und trägt weiterhin dazu bei, diese Gefahren zu verharmlosen, und hat sich als Handlanger ökonomischer und politischer Interessen betätigt - herrschende Wissenschaft ist immer auch Wissenschaft der Herrschenden!

Wenn Kritiker*innen der Atomtechnologie weltweit wissenschaftlich diffamiert und politisch verfolgt wurden/werden und versucht wurde/wird, sie mundtot zu machen, ist das in diesem Kontext zu sehen.

So sind auch die Atomkatastrophen wie z.B. in Majak/Rußland (1957), in Windscale/Großbritannien (1957), in Harrisburg/USA (1979), in Tschernobyl/Ukraine (1986), in Fukushima/Japan (2011), oder auch die an vielen anderen Orten dieser Welt keine Naturkatastrophen sondern ein Verbrechen, und das Verbrechen ist noch lange nicht zu ende!

Wenn wir jetzt auf Japan schauen, dann sind wir von Traurigkeit und tiefem Mitgefühl mit der Bevölkerung erfüllt. Wir sind entsetzt und erschüttert, aber wir sind auch voller Wut und Zorn.

Wir wussten immer und haben unaufhörlich öffentlich darauf hingewiesen, dass so eine Katastrophe nicht auszuschließen ist.

Die Welt ist jetzt, nach der Katastrophe in Japan, eine andere als die, die sie vor der Katastrophe war. Und die nukleare Katastrophe ist noch lange nicht unter Kontrolle. Auch die Situation in den zerstörten Atomanlagen ist noch völlig ungeklärt. Das Innere der Reaktorgebäude und insbesondere der Bereich des Sicherheitsbehälters sind aufgrund der Strahlenbelastung noch nicht zugänglich. Große Mengen Radioaktivität werden nach wie vor freigesetzt. Die ausgetretene Radioaktivität hat viele Städte und Dörfer für lange Zeit in unbewohnbare Gebiete verwandelt - ca. 200.000 Menschen wurden unmittelbar nach dem Super-Gau in einem Umkreis von 20 - 30 km evakuiert -, und viele Menschen werden noch jahrzehntelang, ja über mehrere Generationen hinweg mit der Angst vor den Folgen für ihre Gesundheit leben. Es werden nicht nur weite Landstriche unbewohnbar werden, auch die Luft, das Wasser des Pazifik und die Meerestiere und -pflanzen sind betroffen. Das Wasser mit radioaktivem Material hat sich über den halben Pazifik verteilt. Große Teile des Landes werden auf Jahrzehnte oder Jahrtausende verstrahlt sein, große Teile der Bevölkerung werden extremen Gesundheitsbelastungen ausgesetzt sein.

Wie in Tschernobyl vor 28 Jahren wird das Ausmaß der Katastrophe verheimlicht, heruntergespielt und verharmlost.

Insgesamt haben bereits knapp 50 % der untersuchten Kinder aus Fukushima-Stadt Veränderungen an der Schilddrüse.

Die Regierung nahm zunächst alle 50 Reaktoren des Landes vom Netz, monatelang kam das Land ohne Atomstrom aus.

Und wenn Menschen hier meinen, Japan ist ja so weit entfernt und das trifft uns hier nicht, dann irren sie sich. Auch wir werden - zumindest längerfristig - die Auswirkungen zu spüren bekommen. Luftströmungen haben radioaktives Material aus Fukushima in den Wochen nach der Katastrophe auch bis nach Europa und Nordamerika getragen.

Die ersten Radionuklide aus Fukushima (Jod-131, Cäsium-134, -137) sind auch inzwischen in dem 9000 km entfernten Bremen gemessen worden - im Regenwasser, im Gras, in Flusssedimenten und in Kuh-Milch (Landesmessstelle für Radioaktivität, Bremen, Juli 2011). Radionuklide (wie z.B. Plutonium) im Meer werden in der Nahrungskette weitergereicht und irgendwann auch uns erreichen. Radioaktivität kennt keine nationalen Grenzen!

"Offizielle Expert*innen" weisen immer wieder darauf hin, dass die Mengen gering und die gemessenen Strahlenwerte gesundheitlich unbedenklich sind. Das ist - wie schon oben ausgeführt - reine Irreführung und soll nur der Beruhigung dienen.

Das zeigt sich auch daran, dass in Japan die Grenzwerte nach der Katastrophe mehrfach heraufgesetzt wurden, um nicht noch mehr Menschen evakuieren zu müssen und die bäuerliche Nahrungsmittelproduktion nicht ganz zum Erliegen zu bringen und um Arbeiten an den Reaktorruinen zu ermöglichen.

Und wenn wir jetzt nach Japan schauen, stellen wir mit großer Freude fest, dass der Widerstand dort sprunghaft gewachsen ist. Mehrmals gab es in letzter Zeit Demonstrationen mit über 200.000 Teilnehmer*innen. Bei einer Kyoda-Umfrage sprach sich eine Mehrheit von 55,2 % der Befragten gegen die Wiederinbetriebnahme von Atomreaktoren aus.

Im April 2014 verkündete der heutige Regierungschef Shinzo Abe, der auf seiner Europareise Berlin besuchte, den Ausstieg aus dem Ausstieg. Mehr als drei Jahre nach der Nuklearkatastrophe will Japan die Atomanlage Sendai des Betreibers Kyushu Electric Power - zwei stillgelegte Atomreaktoren - wieder hochfahren. Und zwar in der Nähe eines aktiven Vulkans. Derzeit werden Stück für Stück die japanischen AKW sicherheitstechnisch nachgerüstet, um danach wieder ans Netz zu gehen.

Im Fall Fukushima ist die Betreiberfirma Tepco (Tokyo Electric Power Company) inzwischen Pleite. Bisher hat die japanische Regierung - nach Presseberichten - über 26 Milliarden Euro in Tepco reingesteckt. Damit ist Tepco de facto verstaatlicht. Entschädigungen, Kosten für die Stilllegung und Entsorgung der zerstörten Reaktoren, sowie die Lagerung des Atommülls/der Brennstäbe werden nun von den japanischen Steuerzahler*innen getragen werden müssen.)

Die japanischen Konzerne Toshiba, Hitachi und Mitsubishi sind weiterhin am internationalen Bau von AKW beteiligt.


Wenn jetzt in Deutschland von "Ausstieg" und "radikaler Energiewende" geredet wird

Wenn die noch 2010 beschlossene Laufzeitverlängerung für AKWs zurückgenommen wurde, wenn die ältesten 7 AKWs und das AKW-Krümmel stillgelegt worden sind: ist das sicher einerseits ein Erfolg des jahrzehntelangen Kampfes der anti-AKW-Bewegung, andererseits ist es bitter, dass es dafür einer weiteren Katastrophe bedurfte, und wir empfinden das ganze Gerede vom "Ausstieg" und von "Energiewende" als dreiste Lüge und Irreführung, als Zynismus und Menschenverachtung, z.B.:

• wenn in Deutschland 9 AKWs weiterlaufen dürfen (ab Januar 2016 sollen schrittweise weitere stillgelegt werden, spätestens am 31. Dezember 2022 sollen keine AKWs in Deutschland in Betrieb sein), d.h. 11 Jahre garantiertes Restrisiko und ständige Belastung auch durch den sog. Normalbetrieb, und jederzeit die Möglichkeit zum Wiedereinstieg,

• wenn so eine weitere Anhäufung von nicht entsorgbarem Müll produziert wird,

• wenn Uranabbau, Weiterverarbeitung und Forschung weiter laufen. z.B. wenn in Gronau (Uran-Anreicherungsanlage (UAA)) und in Lingen (Brennelementfabrik) unvermindert die Produktion von Atombrennstoff für den internationalen Markt weiter läuft und die Vielzahl von Atomforschungszentren (z.B. auch die Forschungsreaktoren: Helmholtz-Zentrum Berlin, TU-München - Garching, Universität Mainz - Institut für Kernchemie) vom Atomausstieg ausgeschlossen sind.

• wenn die Bundesregierung über Hermes-Bürgschaften rund um den Globus Investitionen in Atomprojekte absichert (verändert sich zur Zeit ständig), "Die Bundesregierung schließt trotz Atomausstieg hierzulande die Förderung deutscher Firmen beim Bau neuer Atomkraftwerke im Ausland nicht aus. Das geht aus einer Antwort der Regierung an die Grünen hervor. Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, der Atomausstieg in Deutschland habe auf die souveräne Entscheidung anderer Staaten, Nukleartechnologie zu nutzen, keine Einfluss." (junge Welt, 13.08.2012)

• wenn Materialien für Bau und Betrieb von Atomanlagen hergestellt und exportiert werden, und deutsche Firmen und Banken (z.B. Hypo Vereinsbank) am Bau und Betrieb in anderen Ländern beteiligt sind (verändert sich zur Zeit ständig),

• wenn Atomstrom importiert oder exportiert wird,

• und wenn weltweit etwa 436 Reaktoren in Betrieb (141 in Europa), 64 im Bau, 163 in Planung sind. (Januar 2013,
www.world-nuclear.org/info/reactors.html, verändert sich ständig) "Der Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) resümiert, die Kernenergie ist wieder ein globaler Wachstumsmarkt."(3)

• und wenn die sog. Energiewende unter kapitalistischem Kommando stattfinden soll: zentralisiert in Großanlagen (z.B. DesertTech, Off-Shore-Windparks) und im Besitz der mächtigen Konzerne und Banken und Energie weiterhin als Ware, um Profite zu machen, produziert wird.

Es wird ungehindert am internationalen Atomgeschäft weiter mit gemischt!


Norddeutschland ist eine internationale Drehscheibe für Atomtransporte!

In der BRD finden jährlich 500.000 Transporte radioaktiver Stoffe statt. Davon stehen knapp 10.000 Transporte in direktem oder indirektem Zusammenhang mit der Atomenergienutzung zur Stromerzeugung. Es ist kaum in der Öffentlichkeit bekannt, dass es beim Transport radioaktiver Stoffe in der Vergangenheit bereits zu einer Vielzahl von Transportvorkommnissen bis hin zu Unfällen gekommen ist."(4)

Auf öffentlichen Druck hin haben sich Städte oder Länder wie z.B. Emden, Wilhelmshaven, Lübeck, Cuxhaven, Rostock, Kiel inzwischen zumindest gegen bestimme Transporte über ihre Häfen ausgesprochen und diskutieren teilweise über die Möglichkeit einer Entwidmung ihr Häfen für Atomtransporte.

Über Stadtgebiete von Hamburg, Bremen/Bremerhaven und Rostock gehen fast täglich Atomtransporte - und demnächst wahrscheinlich auch über Nordenham.

Damit ist Norddeutschland eine wichtige Drehscheibe im internationalen Atomgeschäft. Uranoxide, das extrem giftige Uranhexafluorid, unbestrahlte und bestrahlte Brennelemente oder andere Produkte im Zusammenhang mit der Nutzung der Atomtechnologie werden in den Häfen umgeschlagen und/oder durch die Stadtgebiete transportiert. Empfänger und Absender des atomaren Materials sind Orte in der ganzen Welt, u.a. in: Deutschland, Dänemark, Belgien, Schweiz, Niederlande, Schweden, Großbritannien, Norwegen, Frankreich, Spanien, Kanada, USA, Argentinien, Australien, Süd-Korea, Russland, Kasachstan, Namibia, Brasilien, Süd-Afrika, Finnland, z.B. auch Brennelemente mit Uran und Plutonium aus Atombomben oder U-Booten. (s. Süddeutsche Zeitung vom 15./16.09. 2012; Strahlentelex Nr. 618-621, 04.10.2012)



Ein gut florierender weltweiter Handel!
Teilentwidmung des Bremer Hafens

Die bremische Bürgerschaft hat am 31.01.2012 auf öffentlichen Druck hin die Teilentwidmung (Sperrung) der bremischen Häfen für den Umschlag (nicht aber für den Transit!) von "Kernbrennstoffen" (nach Definition Atomgesetz §2 Abs. 1) beschlossen. Rot-Grün hat die Teilentwidmung so formuliert, dass der Senat Ausnahmegenehmigungen ohne Beteiligung der Bürgerschaft und völlig geheim erteilen kann. Ein Großteil der Atomtransporte über die Häfen ist aber von diesem Umschlagverbot nicht erfasst. Ca. 80 % der Atomtransporte sind keine "Kernbrennstoffe", sondern Vorprodukte oder Abfallstoffe der Produktion von Atomenergie.

Die CDU hat gegen diese Teilentwidmung vor dem Staatsgerichtshof geklagt. Am 17. Juni 2013 ist darüber das Urteil gesprochen worden.

Der Bremer Staatsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag, mit dem die CDU-Bürgerschaftsfraktion die Entwidmung der Bremer Häfen für den Umschlag von "Kernbrennstoffen" als rechtswidrig erklären wollte, mit 4 gegen 3 Richter*innen-Stimmen als unzulässig zurückgewiesen.

Ebenfalls als unzulässig wurden die beiden Hilfsanträge der CDU zurückgewiesen - das Verfahren auszusetzen, um die Streitfrage vom Bundesverfassungsgericht beziehungsweise vom Europäischen Gerichtshof prüfen zu lassen.

Die Richter*innen wiesen die Klage ab, weil die Länder selbst entscheiden dürfen, was in den Häfen umgeschlagen wird. Damit bleiben die Bremer Häfen für den Umschlag von "Kernbrennstoffen" weiterhin gesperrt!

Die Hamburger Bürgerschaft hat sich bisher mehrmals dagegen entschieden, die Hamburger Häfen für Atomtransporte zu sperren.

Aber dieses Verbot in Bremen durchzusetzen, ist schon mal ein schöner Erfolg des Anti-AKW-Widerstandes, daran sollten wir anknüpfen und nicht locker lassen.


Unser Kampf ist noch lange nicht zu ende! Wir setzen uns nach wie vor ein:

• für die bedingungslose und endgültige Stilllegung aller Atomanlagen und Atomwaffen und der dazugehörenden Infrastrukturen - und auch für die Veränderung der Ursachen - nämlich die gesellschaftlichen Verhältnisse - die solche zerstörerischen Technologien erst ermöglichen, sofort und weltweit!

• Uranabbau, Uranhandel, Urananreicherung, Uranmunition, Urantransporte und alle weiteren Verwendungen des Urans gehören abgeschafft. Uran muss in der Erde bleiben - überall auf der Welt. Ob in Australien, Niger, Gabun, Südafrika, Indien, Iran, Russland, Kasachstan, Kanada oder in den USA.

• Für Export- und Importverbot von Atomtechnik, Atomenergie und Atomwaffen (z.B. auch von Uranmunition).

• Für ein Beteiligungsverbot der deutschen Regierung, deutscher Firmen, Banken und Forschungseinrichtungen an Atomprojekten jeglicher Art weltweit! Keine staatlichen Hermes-Bürgschaften für Atomprojekte anderer Länder!

• Für Abzug aller US-Atomwaffen aus Deutschland! Für die Vernichtung aller Atomwaffen, weltweit!

• Für die Enteignung und Vergesellschaftung der Energiekonzerne und Dezentralisierung der Energie-Produktion und -Versorgung!

• Für die Herstellung von Energie als Gemeingut und nicht als Ware, um Profite zu machen! Für sparsame und effiziente Energienutzung!

• Atomtransporte sind die Achillesferse der Atomindustrie, sie sind für die Atomindustrie von größter strategischer Bedeutung.

Es geht nicht nur darum, die Transporte sicherer zu machen. Auch mit den sichersten Transporten wären z.B. Tschernobyl oder Fukushima nicht verhindert worden. Die Transporte müssen immer im Zusammenhang mit ihrer Funktion, den Betrieb von Atomkraftwerken zu gewährleisten, gesehen werden. Atomtransporte verhindern heißt - neben gesundheitlichem Schutz der Bevölkerung - die Atomanlagen stilllegen, und das ist genau unser Ziel.



Bilanz

Das Streben nach weltweiter politischer und ökonomischer Vorherrschaft, nationalistische Überheblichkeit und wissenschaftlicher und technologischer Machbarkeitswahn waren und sind die Ursachen/Rechtfertigungen für grausame Verletzungen und Ermordung mehrerer Millionen Menschen und Zerstörung der Umwelt durch radioaktive Strahlung. Die Sicherheit für die Bevölkerung wird dabei machtpolitischen und wirtschaftlichen Interessen untergeordnet.

Die weltweite Option auf den Einsatz von Atomwaffen ist überhaupt nicht vom Tisch:

• Und gerade weil der militärische und zivile Aspekt des Atomprogramms nicht zu trennen sind und die japanische Regierung den Aufbau eines Atomwaffenarsenals erwägt, hält sie auch deshalb an der "zivilen" Nutzung fest. Oder die indische Regierung lässt mit Hilfe von Areva, Rosneft und Mitsubishi/Westinghouse ihr "ziviles" Atomprogramm massiv ausbauen, u.a. um so an Plutonium zu gelangen.

• NATO und USA beabsichtigen derzeit ihr Atomwaffenarsenal zu modernisieren, was einen erneuten Atomwaffen-Rüstungswettlauf auslösen wird. Die deutsche Atomindustrie ist an dem weltweiten Ausbau des Atomprogramms beteiligt. Sie leistet so weiterhin Beihilfe zur Entwicklung auch der militärischen Nutzung der Atomenergie.

Das Geschäft mit der Atomtechnologie und Atomenergie macht deutlich, wie ganz bewusst mit dem Leben und der Gesundheit von Mensch und Umwelt spekuliert wird. Die Gier nach Profit und Macht geht über Leichen. (Solange alles funktioniert spielt ein abgeschriebenes AKW pro Tag bis zu einer Million Euro ein. Das ist eine reine Gelddruckmaschine.) Wir müssen uns immer wieder vergegenwärtigen, dass die Atomtechnologie nicht auf Unwissenheit beruht, kein Fehler, kein Irrtum, auch kein Auswuchs dieser herrschenden Verhältnisse ist, sondern bewusster, konsequenter Ausdruck. Tod und Krankheit sind lediglich Faktoren in der Macht- und Kosten-Nutzen-Rechnung von Industrie und Staat. Für die Konzerne steht ihr Profitinteresse im Vordergrund und dafür nehmen sie Ausbeutung und Zerstörung von Mensch und Umwelt - auch für viele Generationen - billigend in Kauf - die Risiken und Kosten werden dabei vergesellschaftet/auf die Allgemeinheit abgewälzt, die Profite privatisiert! (Kein Versicherungskonzern der Welt ist bereit, die eventuellen Folgeschäden des "Normalbetriebs" oder einer Katastrophe zu versichern.)

So haben jetzt ganz aktuell die großen Energiekonzerne vorgeschlagen, die deutschen Atomkraftwerke einschließlich der Verantwortung für Abriss, Endlagerung und aller draus eventuell entstehenden Kosten wie z.B. auch Entschädigungsforderungen in eine öffentlich-rechtliche Stiftung zu überführen. Der Staat kann dann bis zum geplanten Ende 2022 zum Nutzen der Staatskasse Strom produzieren.

Die Allgemeinheit hat mit enormen Subventionen den Einstieg und Betrieb bezahlt, soll jetzt auch noch für den Ausstieg und alle Folgekosten aufkommen - wenn es nach dem Willen der großen Energiekonzerne ginge.

Deshalb sollte es in unserem Widerstand nicht nur ausschließlich darum gehen, bestimmte Symptome - wie Atomtechnologie, Gentechnologie, Klimakatastrophe, Rassismus, Nationalismus, Faschismus, Militarisierung der Gesellschaft, Waffenexporte, Krieg, Gentrifizierung, ... zu kurieren, sondern auch immer die Ursachen für diese Symptome - nämlich die kapitalistischen Verhältnisse - anzugreifen und zu verändern. Und genau diese Vorstellung und Praxis wird auch unsere unterschiedlichsten Widerstandsthemen und Widerstandsformen zusammenbringen.

Sonst werden wir gegen ein Symptom nach dem anderen kämpfen - ein Leben lang - ohne unserer Utopie von einer menschlichen Gesellschaft, unserer Utopie von Kommunikation, Solidarität und Befreiung, von Selbstbestimmung und Kollektivität einen Schritt näher zu kommen.

Und das führt dann auch oft dazu, dass viele nach einer "revolutionären Lebensphase", nach sog. "Jugendsünden" sich resigniert zurückziehen und sich in die herrschenden Verhältnisse integrieren, dort Sicherheit und Geborgenheit suchen.

Aber das alles werden wir nicht ausschließlich erreichen durch Analysen, durch Argumente, durch Appelle an die Politiker*innen oder durch juristische Prozesse, sondern: da müssen wir schon selbst Hand anlegen!

Und das heißt auch: die Verantwortlichen für das Atomgeschäft - und damit auch für die vielen Toten und Verletzten - die Verantwortlichen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik beim Namen nennen und Wege entwickeln, sie zur Rechenschaft zu ziehen.

Der Kapitalist*in Vorwürfe machen, empört über bestimmte sog. "Auswüchse" sein, suggeriert, dass ein humaner Kapitalismus möglich ist. Aber im Rahmen der kapitalistischen Logik ist eine humane Lösung nicht denkbar:

der Kapitalismus macht keine Fehler - er ist der Fehler, und der muss beseitigt werden, damit wir leben können!

In diesem Sinne Freund*innen, Genoss*innen:

• wie schon die Alten sangen: es rettet und kein höheres Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun, uns von dem Elend zu erlösen können wir nur selber tun!

• Vorwärts und nicht vergessen die Solidarität!

• Wir sehen uns wieder auf der Straße!


Grundlage für eine Rede am 06.08.2014: Bremen, Marktplatz,
Fritz Storim


Anmerkungen

(1) "Die Nacht der Physiker - Heisenberg, Hahn, Weizsäcker und die deutsche Atombombe", Richard von Schirach, 2012 BERENBERG Verlag.

(2) Nach einer Studie von Greenpeace (2010) hat die Atomindustrie in Deutschland Subventionen von über 200 Milliarden Euro erhalten.

(3) "Die Kernenergie ist wieder da", Wolfram Weimer, Handelsblatt, 27.06.2014.

(4) Aus "Studie zu Transporten radioaktiver Stoffe in Bundesrepublik Deutschland.", Seite 33, Auftraggeber: Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Auftragnehmer: intac - Beratung - Konzepte - Gutachten zu Technik und Umwelt GmbH. Hannover, Februar 2011 - ergänzt im September 2011.

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Quelle:
Arbeiterstimme Nr. 185 - Herbst 2014, Seite 17 bis 21
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2014