Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

ARBEITERSTIMME/207: Darf in Lateinamerika wieder geputscht werden?


Arbeiterstimme, Winter 2009/2010, Nr. 166
Zeitschrift für die marxistische Theorie und Praxis
- Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein! -

Darf in Lateinamerika wieder geputscht werden?

Deutungen und Spurensuche zwischen Honduras und hierzulande


Warum lohnt sich ein Blick auf die Homepage der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNS) um etwas über die aktuelle Entwicklung in Lateinamerika zu erfahren?

Da heißt es erst mal ganz allgemein und unverfänglich:

"Mit allen Kräften für eine liberale Welt: Dafür ist die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit im Rahmen ihrer internationalen Arbeit in aller Welt im Einsatz. Wir fördern den Aufbau demokratischer, marktwirtschaftlicher und rechtsstaatlicher Strukturen, damit immer mehr Menschen in liberalen, demokratischen Gesellschaften leben können. Das Kernanliegen der Stiftungsarbeit im Inland und international ist die Verwirklichung von Freiheit und Verantwortung. In diesem Sinne unterstützen wir unsere Partner weltweit bei der Erarbeitung individueller Problemlösungen."

Wie die Unterstützung bei individuellen Problemlösungen im Sinne der FNS aussehen kann, dafür steht das mittelamerikanische Land Honduras, ein Fleck dieser Erde, der in der gängigen Medienwelt in der Regel nicht vorkommt. Die Partner der FNS sind in der liberalen Internationale organisiert. Gesteuert wird die FNS von Deutschland aus und sie lässt sich als FDP nahe Stiftung bezeichnen, was den Sachverhalt beschönigt, denn es gibt eine inhaltliche wie personelle Identität mit der FDP. Nur finanzieren lässt sie sich - wie die übrigen Parteistiftungen auch - über Steuermitteln und das nicht zu knapp. In Lateinamerika ist die bedeutendste und erfolgreichste Partnerorganisation der FNS die "Partido Liberal de Honduras", die seit 2005 mit Manuel Zelaya als Präsidenten die Regierung stellt. Aber das ist inzwischen für die FNS bzw. die FDP ziemlich kompliziert. Denn das Land verfügt seit Ende Juni über zwei Präsidenten, einen gewählten und einen sog. de-facto Präsidenten und beide sind Mitglieder dieser liberalen Partei.


Putsch mit legalem Anstrich

Bereits in den Nachtstunden des 28. Juni waren Einheiten des honduranischen Militärs in die Residenz des Präsidenten Manuel Zelaya eingedrungen und hatten ihn noch im Schlafanzug - um der Demütigung die Krone aufzusetzen - auf den US-amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Soto Cano Air Base in Palmerola verbracht und von dort aus nach Costa Rica ausgeflogen. Diese Air Base, die 1981 unter dem US-Präsidenten Reagan in Betrieb genommen worden war, um die gegen Nicaragua operierenden Contra-Banden zu steuern, ist illegal, da die Verfassung die ständige Präsenz ausländischer Streitkräfte im Land verbietet. Um dem Putsch einen legalen Anstrich zu geben, verlas man im Parlament ein gefälschtes Rücktrittsgesuch und ließ den Parlamentspräsidenten, den Transportunternehmer Roberto Micheletti, der in der Partido Liberal ein parteiinterner Widersacher Zelayas ist, zum Interimspräsidenten wählen. Weltweite Empörung war die Folge. Nicht so bei "unserem" FNS/FDP-Repräsentanten in der Hauptstadt Tegucigalpa, dem Regionaldirektor Christian Lüth. In einem "Bericht aus aktuellem Anlass" fasste er die wesentliche Aussage vorab zusammen: "Honduras' abgesetzter Präsident Mel Zelaya sieht sich als Opfer eines von langer Hand geplanten Militärputsches. Dabei ist es mehr als fraglich, ob der Machtwechsel in Honduras überhaupt etwas mit einem Militärputsch zu tun hat." Lüth hätte auch ganz kurz und lapidar schreiben können: Der Staatsstreich war gar kein Militärputsch. Denn Herr Lüth ist mehr als nur ein kommentierender Beobachter der dramatischen Vorgänge. Harald Neuber wies am 7. Juli auf einige Details hin, die eine aktive Verstrickung der Stiftung in die Putschvorbereitung erkennen lassen: "Nach dem Sturz Zelayas wurde deutlich, dass die liberale Organisation weitaus tiefer in den Putsch verstrickt ist, als bisher bekannt war. Auf der Internetseite der FNS berichtet eine lokale Mitarbeiterin, Rosbinda Sabillón, von dem Aufbau der Jugendorganisation 'Generación por el cambio' (Generation für den Wandel). Mit Hilfe der Naumann-Stiftung hätten die jugendlichen Aktivisten vor dem Umsturz auf dem Zentralplatz von Tegucigalpa im Rahmen einer politischen Aktion die 479 Artikel der geltenden Verfassung verlesen. Das Event war als Protest gegen die erwogene Änderung des Grundgesetzes geplant - und wurde von vornherein von aggressiver Rhetorik der Stiftung flankiert: 'Von jetzt an wird die Bevölkerung den Mut haben zu sagen, dass der von uns allen gewählte Präsident Manuel Zelaya (...) ein Vaterlandsverräter ist', schrieb FNS-Mitarbeiterin Sabillón über die Politaktion."


Zelaya: Vom Mann der FDP zur Unperson

Zelaya hat in honduranischen FDP nahen Kreisen nicht immer als Vaterlandsverräter gegolten. Sonst hätte ihm die FDP während seiner Präsidentschaftskandidatur nicht den deutschen Politikberater Peter Schröder zur Seite gestellt. Schröder, der von 1971 bis 1982 für die FDP tätig gewesen war, bekleidete zuletzt in der Bundesgeschäftsstelle die nicht unbedeutende Position eines Abteilungsleiters. Nach Angaben der Stiftung waren die FDP-Leute im Wahlkampf so aktiv, dass lt. der bereits erwähnten Rosbinda Sabillon im Parlament 39 durch die FDP-Stiftung geschulte Abgeordnete vertreten waren und vier Minister sowie vier stellvertretende Minister über eine enge Stiftungsanbindung verfügten. Hätte es in Honduras keinen Putsch gegeben, wären diese Aktivitäten einer relativ kleinen deutschen Partei wohl kaum ans Licht der Öffentlichkeit gelangt. Wie kam es nun zum Zerwürfnis zwischen den deutschen Freidemokraten und dem honduranischen Präsidenten Zelaya? Marina Schuster, MdB und Fachsprecherin der FDP für Globalisierungspolitik erklärt es so: "Zu Beginn seiner Regierungszeit hatte Zelaya (...) auch die Unterstützung der Liberalen in Deutschland. Allerdings wandelte sich der Regierungsstil bereits nach kurzer Zeit von einer liberalen zu einer linksorientierten Politik. Der Präsident versuchte anfangs mit Ländern wie den USA zu kooperieren, wandte sich aber immer stärker seinen lateinamerikanischen linksregierten Nachbarn zu." Das kann eine so bedeutende Partei wie die FDP nicht durchgehen lassen! Auch der ehemalige FDP-Vorsitzende und jetzige Chef der Naumann-Stiftung, Wolfgang Gerhard, nahm sich der Sache an und meinte herausgefunden zu haben, Präsident Zelaya habe verfassungswidrig versucht sich eine zweite Amtszeit zu sichern, und behauptete, dieser habe in Honduras seine "moralische Autorität" verloren. Weil aber die FNS und mit ihr die FDP wegen der Rechtfertigung des Putsches immer mehr Kritik auf sich zog und damit auch der neue deutsche Außenminister Westerwelle beschädigt werden konnte, lud die FNS für den 5. August sog. Experten zur aktuellen politischen Krise in Honduras nach Berlin "im Bemühen um mehr Objektivität und eine differenziertere Darstellung der Ereignisse." Die geladenen Gäste, sämtlich uneingeschränkte Befürworter des Putsches, die nicht einmal in den USA ein Einreise-Visum erhalten hätten, repräsentierten die beiden führenden Parteien PL und PN und den sog. Privatsektor. Somit war die herrschende Oligarchie dreifach vertreten. Für Ausgewogenheit sollte der offizielle Menschenrechtsbeauftragte von Honduras dienen. Er wies, wie nicht anders zu erwarten war, "den Vorwurf systematischer Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung Micheletti entschieden zurück." Wäre er eingeladen worden, wenn er das nicht getan hätte? Einer der Moderatoren des Gesprächs war Christian Lüth.


Der holländische Pirat

Wie ausgewogen das Verhältnis der Liberalen zu den Vorgängen in Honduras ist, zeigte sich zuletzt, als zwei Wochen vor der Präsidentenwahl in Honduras der Putschpräsident Micheletti zu einem der Vizepräsidenten des internationalen Zusammenschlusses der liberalen Parteien gewählt wurde. Das Ergebnis der Wahl wurde ihm vom Präsidenten dieser Internationale, dem Niederländer Hans van Baalen mitgeteilt, nachdem dieser das Nachbarland Nicaragua gezwungenermaßen hatte verlassen müssen. Van Baalen soll sich massiv in die Innenpolitik Nicaraguas eingemischt und bei einem Gespräch mit hochrangigen Militärs die Möglichkeiten eines Putsches ausgelotet haben. Zumindest wurde das von Präsident Ortega so interpretiert und zum Anlass genommen, den "holländischen Piraten" des Landes verweisen zu lassen. ("Bedreigt, beschimpft, uitgemaakt vor Hollandse piraat." HvB). Anlässlich einer Debatte im Europaparlament bestätigte die deutsche FDP-Abgeordnete Gesine Meißner nicht nur die Stoßrichtung der Gespräche, indem sie äußerte: "Es wurde gesagt, dass Herrn van Baalen vorgeworfen worden ist, jetzt über einen Staatsstreich diskutiert haben zu sollen, und deswegen wurde er des Landes verwiesen.(...) Das ist, wenn es in der Öffentlichkeit geschieht, in keinster Weise - ja, das ist doch so! - das ist doch nichts, wo man sagen kann, deshalb muss jemand des Landes verwiesen werden, nur weil diskutiert wird!" Auch in den Niederlanden ist der Europaabgeordnete der Liberalen Van Baalen seit Jahren kein Unbekannter. Er war lt. jW vom 20.11.09 "in seiner Studentenzeit offenbar Anhänger der Neo-Nazi-Partei Nederlandse Volks-Unie" und musste einmal den "gerade errungenen Sitz im niederländischen Parlament aufgeben", da eine frühere "Faszination für Nazi-Deutschland" bekannt wurde.

Ignacio Ramonet, Direktor der Zeitung Le Monde Diplomatique, weist Unterstellungen, wie sie vom Spitzenpersonal der FDP in die Welt gesetzt werden, glaubwürdig zurück, indem er die Faktenlage benennt: "Manuel Zelaya hat keinen einzigen Artikel der Verfassung verletzt oder übertreten. Er hat auch kein Referendum organisiert. Noch wollte er sein Mandat, das am 27.Januar 2010 abläuft, verlängern. Seine Absicht war es, ein unverbindliches Plebiszit zu starten und die Bürger seines Landes zu fragen: Sind Sie einverstanden, dass bei den allgemeinen Wahlen Ende November 2009 eine vierte Wahlurne aufgestellt wird, mit der entschieden werden könnte, ob eine Verfassungsgebende Versammlung einberufen werden soll mit dem Auftrag, eine neue Verfassung auszuarbeiten." (Freitag, 20.8.09) Zelaya hatte nie vor, zu den geplanten Wahlen im November 2009 selbst als Kandidat anzutreten. Erfolgte also der Putsch wegen einer Frage, deren Beantwortung verhindert werden sollte? Natürlich nicht. Warum wurde dann wirklich geputscht? Ramonet: "Weil Honduras noch immer Eigentum von etwa 15 reichen Familien ist, die praktisch alles kontrollieren, von der Exekutive angefangen über das Parlament bis hin zur Justiz."

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, Peter Burghardt: "Eine Elite von rechtskonservativen Geschäftsleuten klammert sich an ihre Interessen, der Transportunternehmer Micheletti ist ihr Strohmann und Zelaya ihr Feind." (SZ, 29.9.09) Als Präsident hatte sich Zelaya zum Reformer entwickelt, der die feudale Rückständigkeit des Landes beseitigen wollte, den Mindestlohn von 126 Euro auf 202 Euro angehoben hatte und die Privatisierung bremste. Er legte sich mit Bananen- und Pharmakonzernen an. Letzteren passte es ganz und gar nicht, dass ein Vertrag über die Lieferung von Generika mit Kuba abgeschlossen wurde. Für die für jegliche Veränderung abgeneigte Oligarchie wurde er zum Klassenverräter. Der Beitritt zu Petrocaribe und zur Bolivarianischen Allianz für die Völker unseres America (ALBA) war der endgültige und unverzeihliche Sündenfall. Der Beitritt war nicht zuletzt die Folge eines Konfliktes zwischen der Regierung und dem Oligopol der Ölkonzerne Chevron, Exxon Mobil, Shell und Dippsa. Die Regierung hatte auf das Mittel einer öffentlichen Ausschreibung zurückgegriffen und sich deswegen den Vorwurf eingehandelt, gegen die Spielregeln der Marktwirtschaft verstoßen zu haben.


Und wie bewerten zwei weitere Stiftungen den Putsch?

Ähnlich wie bei der Naumann Stiftung erfolgte die Wertung des Vorgangs durch den Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), die den CDU-Standpunkt vertritt. Die KAS hat im Unterschied zur FNS kein Büro in Tegucigalpa. Deshalb äußerte sich der Vertreter aus der Niederlassung in Guatemala namens Tjark Marten Egenhoff. Er schrieb am 29. Juni in einem Bericht über den Umsturz, der Nationalkongress in Tegucigalpa habe "in einem Ausdruck von Geschlossenheit über jegliche Parteigrenzen hinweg den Weg für eine neue Regierung unter (...) Micheletti" freigemacht. Dass dissidenten Abgeordneten die Teilnahme an der Sitzung verwehrt wurde, ist nicht bis zu Herrn Egenhoff durchgedrungen.

In diesem Zusammenhang lohnt es sich, den Bericht mit dem der an der SPD orientierten Friedrich-Ebert-Stiftung zu vergleichen. Eine Sarah Ganter, die SPD Frau vor Ort, stellt unter der Überschrift "Ein Putsch - ist ein Putsch - ist ein Putsch: Hintergründe des gewaltsamen Umsturzes in Honduras" unmissverständlich fest: "Die gewaltsame Absetzung des honduranischen Präsidenten durch das Militär entspricht einem Staatsstreich und ist als solcher zu verurteilen." "Aus juristischer Sicht" sei das Verhalten des Putschpräsidenten "Micheletti und seiner Anhänger nicht zu rechtfertigen." Außerdem sei "der Putsch nicht nur durch juristische Unzulässigkeit gekennzeichnet", er stelle sich auch "aus politischer Sicht als hochgradig ungeschickt dar". Hätte eine geschicktere Vorgehensweise der Zelaya gegner somit das Placet der Sozialdemokratie bekommen? Vermutlich ja, denn in der Gegnerschaft zum Projekt ALBA sind sich die deutschen Stiftungen einig.

Was wiederum nicht verwundern sollte, denn in der Zielrichtung unterscheidet sich "das Wirken" der drei Parteistiftungen in Honduras wie in anderen lateinamerikanischen Ländern nicht wesentlich. Sie arbeiten in der täglichen Praxis eng zusammen und verstehen sich als Wegbereiter und Türöffner des deutschen Kapitals in diesen Ländern. Bevorzugt pflegen sie den Kontakt zu politischen Kräften aus dem konservativ bzw. wirtschaftsliberalen Lager und geraten deshalb schon mal in engeren Kontakt mit politischen Gruppierungen, die einem Militärputsch gegen eine fortschrittliche Regierung das Wort reden und Taten folgen lassen. So war im April 2002 beim beinahe erfolgreichen Umsturzversuch gegen Präsident Chavez auch die Partei Primero Justicia involviert, die seit 2001 von der Kanrad-Adenauer-Stiftung gefördert wurde. Falsch wäre es jedoch, diesen Stiftungen generell eine Vorliebe zu dieser Form von Regime Change zu unterstellen. Die Realität ist komplizierter. Sie hätten schon lieber, dass der demokratische Schein gewahrt wird. Was aber auch nicht zu übersehen ist: Im ausführlichen Bericht über den Putsch von Sarah Ganter findet sich keine Äußerung, die als Sympathie für den gestürzten Präsidenten interpretiert werden könnte. Ihre Sorge gilt dem Umstand, dass "die Ereignisse der vergangenen Wochen das Vertrauen in die staatlichen Institutionen nachhaltig zerstört haben." Denn durch ihr Vorgehen habe "die honduranische De-facto-Regierung das Land destabilisiert, alle zuvor vorhandenen internationalen Sympathien verspielt und Honduras in die internationale Isolation geführt." Der Putsch kam insofern auch ungünstig, weil sich die Verhandlungen der zentralamerikanischen Staaten mit der EU um ein Assoziierungsabkommen in einer entscheidenden Phase befanden und sich für die EU durch eine Intervention der nicaraguanischen Regierung und den Wahlsieg der salvadorenischen Linksfront FMLN komplizierter gestalteten als ursprünglich angenommen. (vgl. ARSTI Nr.164, S.15 ff) Ob nun der Putsch das Vordringen der EU in Mittelamerika behindern sollte, ist derzeit nicht zu belegen.


Undurchsichtige Rolle der USA

Was die Rolle der US-Behörden beim Putsch betrifft, gibt es divergierende Einschätzungen. Der Journalist und Anthropologe Leo Gabriel, der Ende Juli als Vertreter des Weltsozialforums an einer Menschenrechtsmission in Honduras teilgenommen hat, erwähnt eine Begegnung mit dem US-Botschafter in Honduras: "'Als der US-amerikanische Botschafter Hugo Llorens, ein in Miami aufgewachsener Exilkubaner, den Namen seines Vorgängers John Negroponte hört, verdreht er die Augen. John Negroponte war lange Jahre Botschafter in Tegucigalpa und hat von dort aus während der 80er Jahre den 'schmutzigen Krieg' gegen die zentralamerikanischen Revolutionäre organisiert. (...) Jetzt aber sei alles anders geworden, sagt Llorens und fügt mit einem breiten Grinsen hinzu: 'Ich freue mich über die Proteste da draußen, denn es kommt nicht oft vor, dass wir dieselben Ziele haben wie die Demonstranten.' Tatsächlich haben die USA unter Präsident Barack Obama nicht nur die Militärhilfe, sondern inzwischen auch sämtliche Nettozahlungen für das Putschregime eingestellt und versichert, dass sie die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen nicht anerkennen werden, wenn Präsident Zelaya nicht zurückkehrt."

Leo Gabriel neigt der Einschätzung zu, die man häufiger bei kritischen Journalisten antrifft, die US-Administration sei in zwei Fraktionen zu unterteilen. Die Obama-Leute, die mit Putschstrategien nichts am Hut hätten und eine aus der Republikanerzeit noch vorhandene Clique um John Negroponte, die die neue Lateinamerikapolitik des Präsidenten zu boykottieren versuche.

Dieser Einschätzung widerspricht z.B. die US-Juristin venezolanischer Abstammung, Eva Golinger, die sich seit dem Putsch gegen Chavez im Jahr 2002 intensiv mit Einmischungsversuchen der US-Administration in lateinamerikanischen Ländernbeschäftigt. Für sie gilt: "Der Botschafter der USA in Tegucigalpa, Hugo Llorens, koordinierte den Sturz des Präsidenten Manuel Zelaya, gemeinsam mit dem Lateinamerika-Beauftragten in Außenministerium, Thomas Shannon, und John Negroponte, der zur Zeit Berater der Außenministerin Hillary Clinton ist."

Hugo Llorens Acosta, noch vor der Revolution in Kuba geborener Exilkubaner, der 1981 von der Chase Manhatten Bank in New York für delikate Aufgaben auf dem diplomatischen Parkett rekrutiert worden ist, sollte nicht unterschätzt werden. Erst im September 2008 ist er zum Botschafter in Honduras ernannt worden. Während des Putsches gegen Chavez 2002 war er Chefberater des US-Präsidenten für Venezuela.

Eva Golinger führt weiter aus: "Niemand bezweifelt die Verwicklung Washingtons in den Staatsstreich. (...) Viele Analysten, Intellektuelle oder sogar Präsidenten haben sie benannt. Die Mehrheit stimmt jedoch darin überein, die Obama-Regierung zu entschuldigen. Sie habe keine Rolle beim Putsch gespielt. Verantwortlich wären weiterhin die Hardliner der Bush-Regierung, die immer noch in den Fluren des Weißen Hauses ein- und ausgehen. Es ist richtig, dass diese Hardliner und die Protagonisten von Staatstreichen und Sabotageaktionen in Lateinamerika auch dieses Mal beteiligt waren. Es gibt aber auch umfangreiche Beweise, die auf die Rolle der Obama-Regierung hinweisen." Es würde hier zu weit führen, auf die angeführten Beweise einzugehen. Nachzulesen sind sie unter "Washington und der Honduras-Putsch: Die Fakten" (Portal amerika 21.de)

Maurice Lemoine weist in Le Monde diplomatique auf einen weiteren Aspekt hin, der eine gewisse Plausibilität hat: "Wer im Oval Office sitzt, hat noch lange nicht alle Bereiche der Regierung und alle widerstreitenden Interessen in der Außenpolitik unter Kontrolle."


Deutsche Medien unterstützen den Putsch

Neben dem Vertreter der Friedrich-Naumann-Stiftung, der vor Ort agiert, hat die Putschjunta in Deutschland eine mediale Sympathisantenszene, die von Anfang an klar Partei ergriffen hat: Diese reicht von der FAZ über die Welt, von der Berliner Morgenpost bis zur B.Z. Zu einem Hauptfeind haben sie sich den venezolanischen Staatschef Chavez erkoren und alle Entwicklungen in und um Lateinamerika herum werden danach beurteilt wie sie zu Chavez stehen. Für die Chavez Schublade ist etwa in der FAZ-Redaktion eine Hildegard Stausberg zuständig. Ihr Schreibtisch steht in der Hauptstadt und nennen darf sie sich "Diplomatische Korrespondentin im Ressort Außenpolitik". Bereits zwei Tage nach dem Putsch kommentierte sie diesen unter der Überschrift: "Das Märchen vom Staatsstreich in Honduras". Damit war eigentlich alles gesagt bzw. geschrieben - könnte man meinen. Aber weit gefehlt. Die Frau schaut hinter die Kulissen: "Mit Hilfe seines engen Freundes Hugo Chávez hat Honduras Präsident Manuel Zelaya sich zum Opfer eines Militärputsches stilisiert. Doch die Wahrheit ist eine andere. Zelaya war es, der Schritt für Schritt auf einen Verfassungsbruch und einen Staatsstreich zusteuerte. Es gab keinen Staatsstreich. Es gab - auf Geheiß des Parlaments - die gewaltsame Entfernung eines Präsidenten, der Schritt für Schritt auf Verfassungsbruch und Staatsstreich zusteuerte. Dieser Präsident war Manuel Zelaya, ein enger Freund von Hugo Chávez. Wo es ums politische Zündeln geht, ist Chávez unübertroffen. Und auch seine Alliierten verstehen dies glänzend und sind untereinander aufs engste vernetzt. So ermöglichen sie jetzt Zelaya, sich auf internationaler Bühne medienwirksam in eine Opferrolle hineinzusteigern. Wer die Lage nicht kennt, fällt darauf rein." (30.6.09) Und ein weiterer Kommentar von ihr endet: "In Honduras steht mehr auf dem Spiel als die Zukunft einer Bananenrepublik: Es geht darum, ob Hugo Chavez ein weiteres Land unter seine Kontrolle bekommt. Dies gilt es zu verhindern." Und wie man inzwischen weiß, darf das Verhindern in Honduras wie anderswo auch die Ermordung unliebsamer Personen einschließen. Natürlich arbeitet Frau Stausberg eng mit Informanten vor Ort zusammen. In ihrem Märchenkommentar bezieht sie sich - na auf wen schon? - natürlich auf Christian Lüth, Vertreter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Tegucigalpa, der es über glaubwürdige d.h. der FNS nahestehende Informanten erfahren haben will, dass "die wachsende Gewalttätigkeit" in den Straßen von Honduras "eindeutig" von den Zelayaanhängern ausgehe. Im Gespräch mit WELT ONLINE soll er geäußert haben: "Diese schießen auf die Polizisten, nicht umgekehrt, das hat es so noch nie gegeben; schon längst spekulieren hiesige Medien, dass Agitatoren aus Venezuela und Kuba dahinterstehen." Auf Herrn Lüth und Frau Stausberg ist also Verlass, wenn es gilt, Fakten für die eigenen Zwecke zurechtzubiegen. Wie Frau Stausberg journalistische Fähigkeiten zu bewerten sind, zeigt ein Vorfall aus dem Jahr 2006. Damals hatte sie einen Bericht über sog. "Ausschreitungen" in der mexikanischen Provinz Oaxaca verfasst und darin vier Tote erwähnt "unter ihnen ein amerikanischer Mitarbeiter einer sich mit Indianerfragen beschäftigenden nordamerikanischen NGO, Indymedia." Nun ist aber Indymedia die gängige Abkürzung von Independent Media Center und hat nicht im entferntesten etwas mit Stausbergs Indianern zu tun. Eine Bezeichnung übrigens, die als rassistisch gilt, seit sich diese Völker als indigene oder Indigenas verstehen.


Ein Ausweg für Honduras in Sicht?

Präsident Zelaya befindet sich seit dem 21. September - 86 Tage nach dem Putsch - in Tegucigalpa in der brasilianischen Botschaft. Michelettis Putschtruppe war von dieser Entwicklung völlig überrascht worden. Die erst nach Stunden einsetzenden Reaktionen, die von einer Falscheinschätzung der Situation geprägt waren, richteten sich sowohl gegen die brasilianische Botschaft, die u.a. mit Giftgas und Ultraschall-Lärmgeräten angegriffen worden sein soll, wie auch gegen den Massenwiderstand der Bevölkerung. Schließlich griff man zum Mittel der Verhängung des Ausnahmezustandes für 45 Tage. Am 28. September attackierten Spezialeinheiten den Radio Globo sowie den TV-Sender Canal 36 und schalteten sie aus. Die Pattsituation sollte schließlich durch Gespräche zwischen den Delegationen beider Konfliktparteien aufgelöst werden. Ein Unterfangen, das scheitern musste, weil die Putschisten eine Verzögerungstaktik verfolgten und zu keinerlei substantiellen Zugeständnissen bereit waren. Am 29. November, genau fünf Monate nach der gewaltsamen Entfernung des Präsidenten Zelaya, fanden unter massivem Einsatz von Militär und Polizeikräften Wahlen des Präsidenten, der Bürgermeister und Abgeordneten für die Nationalversammlung statt. Der Kandidat der Nationalen Partei, der Großgrundbesitzer Porfirio Lobo, der zwar mal in Moskau studiert hatte, aber ein Bourgeois geblieben ist, machte das Rennen. Weniger als 30 Prozent der rund 4,5 Millionen Abstimmungsberechtigten sollen sich beteiligt haben. Allerdings haben nur die USA, Panama, Costa Rica, Peru und Kolumbien den Abstimmungsprozess anerkannt und ein gewisser Dr. Harald Klein, der für die Friedrich-Naumann-Stiftung vor Ort war. In einem Interview mit Hildegard Stausberg ließ er sich befragen: "Herr Klein, waren diese Wahlen fair und sauber?" Und darauf konnte vom freien Stiftungsdemokraten nur eine Antwort kommen: "Ja, das waren transparente, faire und saubere Wahlen." (WELT-Online vom 30.11.09) Keine guten Aussichten für die Bevölkerungsmehrheit in Honduras!


Überarbeitete und aktualisierte Fassung des Referats von der Jahreskonferenz,
hd., Stand: 1.12.09


*


Quelle:
Arbeiterstimme, Nr. 166, Winter 2009/2010, S. 16-20
Verleger: Thomas Gradl, Postfach 910307, 90261 Nürnberg
E-Mail: redaktion@arbeiterstimme.org
Internet: www.arbeiterstimme.org

Die Arbeiterstimme erscheint viermal im Jahr.
Das Einzelheft kostet 3 Euro,
Abonnement und Geschenkabonnement kosten 13 Euro
(einschließlich Versandkosten).
Förderabonnement ab 20 Euro aufwärts.


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2010