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OFFENSIV/104: 1945 fiel in Italien die Revolution aus


offen-siv 6/2012
Zeitschrift für Sozialismus und Frieden

1945 fiel in Italien die Revolution aus

von Gerhard Feldbauer


Statt revolutionärer Massenaktionen zur Flankierung des eingeschlagenen parlamentarischen Weges griffen Opportunismus und faule Kompromisse um sich, was die Kampfkraft schwächte und längerfristig zu verheerenden Niederlagen führte.


INHALT

Redaktionsnotiz

1945 fiel in Italien die Revolution aus
1. Marx und Lenin zur Nutzung revolutionärer Situationen
2. Am Vorabend des Sieges über den Faschismus
3. Die revolutionäre Situation
4. Schwerwiegende Kompromisse
5. Die Entwaffnung der Partisanen
6. Verhängnisvolle Entscheidungen
Schlusswort

Anhang
- Häufig verwendete Abkürzungen und Begriffe
- Biografien, Statistiken, Organisationen
- Literaturverzeichnis
- Dokumente (nach Erscheinungsjahr)
- Publikationen des Autors (Eine Auswahl)

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REDAKTIONSNOTIZ

Dieses Heft bringt in mehrfacher Hinsicht Neues.

Gerhard Feldbauer analysiert die Situation in Italien 1945 sowie die Wurzeln ihres Entstehens und beweist, dass dort eine objektiv revolutionäre Situation vorlag. Er schreibt u.a.: "Der italienische Imperialismus war militärisch geschlagen, seine ökonomischen und politischen Positionen ernsthaft erschüttert. Er verfügte über keine ihm hörige Regierung mehr. Die großbourgeoisen Vertreter in der antifaschistischen Einheitsregierung befanden sich in der Minderheit und mussten lavieren. Das von Kommunisten und Sozialisten 1934 geschlossene Aktionseinheitsabkommen war 1937 während des gemeinsamen Kampfes zur Verteidigung der Spanischen Republik mit einem klaren antiimperialistischem Bekenntnis und dem Ziel, Faschismus und Kapitalismus zu beseitigen und eine sozialistische Gesellschaft zu errichten, vertieft worden. Eine Demokratische Republik unter Führung der Arbeiterklasse sollte errichtet werden, in der die ökonomischen Grundlagen der Reaktion und des Faschismus durch 'Nationalisierung des Monopolkapitals in der Industrie und im Bankwesen und der Vernichtung jeder Art von Feudalismus auf dem Lande beseitigt werden sollten'".(1)

Diese Situation wurde nicht genutzt, in der Kommunistischen Partei Italiens setzte sich die rein auf den parlamentarischen Weg ausgerichtete Strategie durch. Gerhard Feldbauer belegt, dass mit dieser strategischen Ausrichtung der Weg der faulen Kompromisse und der Zugeständnisse an den Klassenfeind begann, von denen man hoffte, sie würden honoriert. Selbstverständlich war das Gegenteil der Fall.

Ausführlich legt unser Autor dar, dass die nicht genutzte revolutionäre Situation für die Basis der Partei zu einem jahrzehntelang nachwirkenden Trauma wurde, was sich langfristig auf die Kampfkraft auswirkte. Hervorzugeben ist in diesem Zusammenhang der Vergleich zu dem von der KKE geführten Wiederstand gegen die britische Besatzungspolitik oder wie die KP Portugals aktiv in die Nelkenrevolution 1975 eingriff. Über Niederlagen hinweg gingen diese Parteien gestärkt aus den schweren Kämpfen hervor, was sich bis heute auf ihren antiimperialistischen Widerstand auswirkt. Diese Schlussfolgerunen werden bereits vorher mit der Darlegung des Standpunktes von Marx und Lenin zum Kampf der Pariser Kommunarden belegt.

Die vorliegende Arbeit setzt neue Akzente im Hinblick auf den Mythos, die IKP sei stets eine siegreiche Partei gewesen und damit auch im Hinblick auf die Rolle Palmiro Togliattis. Gleichzeitig betont sie die Leistungen und Positionen von Luigi Longo und Pietro Secchia, die beide bisher oft in den Schatten Togliattis gestellt wurden. Neue, kritische Akzente ergeben sich auch zu den Wirkungen und Resultaten der Einheitsfrontpolitik nach dem Sieg über den Faschismus, also nach 1945. In Osteuropa, wo großbürgerliche und spätfeudale Kräfte durch die Präsenz der Roten Armee und der sowjetischen Militäradministration keine Chancen hatten, führte diese Ausrichtung zur Bildung der Einheit von Sozialdemokraten und Kommunisten in den Einheitsparteien und zur Bildung der antifaschistisch-demokratischen Blöcke. Die Hegemonie der Parteien der Arbeiterklasse war gesichert und so war der Weg zum Aufbau des Sozialismus eröffnet.

Ganz anders in Italien.

Die Strategie der antifaschistischen Einheitsfront, die im Kampf gegen die Hitlerwehrmacht großbourgeoise Kreise einbezogen hatte, musste mit dem Ziel einer antifaschistisch-demokratischen Umgestaltung mit einem antiimperialistischen Inhalt und einer sozialistischen Orientierung neu konzipiert werden. Statt der historisch möglichen Orientierung auf die sozialistische Revolution beseitigte die italienische Partei in dieser Situation jedoch die entsprechenden revolutionären Grundlagen, besonders durch ihre Zustimmung zur Entwaffnung ihrer Partisanenverbände und verzichtete im Rahmen ihrer auf Klassenkollaboration angelegten Politik selbst weitgehend auf proletarische Massenaktionen zur revolutionären Flankierung und Vertiefung der eingeleiteten antifaschistisch-demokratischen Umwälzung. Im Gegensatz zu dem Sozialistenführer Pietro Nenni, der sich in Mailand dem Redeverbot der Besatzungsmacht widersetzte und dafür vorrübergehend verhaftet wurde, beugte sich Togliatti und schwieg, was eine nachgerade Kapitulation darstellte.

Gerhard Feldbauer legt uns damit eine wichtige, neue Aspekte hervorhebende historische Arbeit vor.

Zum Schluss der Hinweis, dass sein Buch: "Wie Italien unter die Räuber fiel. Und wie die Linke nur schwer mit ihnen fertig wurde? (gerade erschienen bei Papyrossa, Köln) eine sehr lesenswerte Lektüre ist.

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1945 FIEL IN ITALIEN DIE REVOLUTION AUS
1. Marx und Lenin zur Nutzung revolutionärer Situationen

Zu der Frage, ob es richtig gewesen sei, dass das Pariser Proletariat am 18. März 1871 angesichts der Anwesenheit der preußischen Truppen die revolutionäre Macht ausrief, hat sich Marx in einem Brief an Ludwig Kugelmann wie folgt geäußert: "Die Weltgeschichte wäre allerdings sehr bequem zu machen, wenn der Kampf nur unter der Bedingung unfehlbar günstiger Chancen aufgenommen würde", und hielt fest, dass die Pariser Arbeiter, die im September 1870 das Kaiserreich gestürzt und die Republik proklamiert hatten, durch die antinationale Kapitulation der Regierung Thiers vor die Alternative gestellt wurden, "den Kampf aufzunehmen oder ohne Kampf zu erliegen". Die "Demoralisierung der Arbeiterklasse in dem letztren Fall wäre ein viel größeres Unglück gewesen", schlussfolgerte Marx.(2)

Ausgehend von den Lehren und Erfahrungen des Kampfes der Pariser Kommunarden, mit denen "ein neuer Ausgangspunkt von welthistorischer Wichtigkeit" gewonnen wurde, vermerkte Lenin, "dass es Augenblicke in der Geschichte gibt, wo ein verzweifelter Kampf der Massen sogar für eine aussichtslose Sache notwendig ist um der weiteren Erziehung dieser Massen und Ihrer Vorbereitung zum nächsten Kampf willen". Denn, so Lenin weiter: "Eine Niederlage der revolutionären Aktion in dieser Situation, wie in vielen anderen, war vom Standpunkt des Marx'schen dialektischen Materialismus für den ganzen Gang und Ausgang des proletarischen Kampfes das kleinere Übel als ein Verzicht auf die einmal eingenommene Position, als eine Kapitulation ohne Kampf: Eine solche Kapitulation hätte das Proletariat demoralisiert, seine Kampffähigkeit untergraben."(3)

In Italien bestand Ende April 1945 nach dem Sieg über die Hitlerwehrmacht und ihre italienischen Vasallen, die Mussolinifaschisten, für die revolutionären Kräfte, Kommunisten (IKP) und Sozialisten (ISP), die durch ein Aktionseinheitsabkommen verbunden waren, und die mit ihnen verbündeten kleinbürgerlichen revolutionär-demokratischen Kräfte der Aktionspartei (PdA) eine klassische revolutionäre Situation, die bis zum Spätherbst anhielt: Der italienische Imperialismus war militärisch geschlagen, seine ökonomischen und politischen Positionen ernsthaft erschüttert. Er verfügte über keine ihm hörige Regierung mehr. Die großbourgeoisen Vertreter in der antifaschistischen Einheitsregierung befanden sich in der Minderheit und mussten lavieren.

Wie die Kommunalwahlen im März 1946 und anschließend die zur Verfassungsgebenden Versammlung im Juni zeigten, verfügten IKP und ISP über eine Massenbasis. Sie erreichten jeweils rund 40 Prozent der Stimmen. Im Ergebnis des im Herbst 1943 begonnen Partisanenkampfes, der in einen nationalen Befreiungskrieg überging, standen über eine halbe Million, in ihrer Mehrheit Arbeitern und Bauern, unter Waffen.

Die von IKP-Generalsekretär Palmiro Togliatti dominierte Führungsgruppe der Partei verzichtete auf die Nutzung der gegebenen Möglichkeiten eines revolutionären Vorgehens mit der Begründung, das hätte zu einer bewaffneten Konfrontation mit den im Lande stehenden anglo-amerikanischen Besatzungstruppen und zu einem Bürgerkrieg geführt. Dazu wurde als warnendes Beispiel auf die Entwicklung in Griechenland verwiesen. Dort hatte die Volksbefreiungsarmee ELAS in dem im Dezember 1941 begonnenen Befreiungskrieg bis 1944 große Teile des Landes befreit. Angesichts dieser Entwicklung gingen britische Truppen, unterstützt von den reaktionären Kräften des Landes, gegen die ELAS vor und setzten eine reaktionäre Regierung ein. Es begann ein bis 1949 dauernder Bürgerkrieg, in den die USA nach der Verkündung der Trumandoktrin ab 1947 aktiv eingriffen. 1946 wurde unter dem Terror der Reaktion ein Referendum durchgeführt, in dem eine Mehrheit für die Wiedererrichtung der Monarchie stimmte.

Heroische Beispiele lieferte die Geschichte des Jahrzehnte währenden revolutionären nationalen Befreiungskampfes vor, während und nach der Revolution von 1848/49 in Italien. Die Kämpfe waren geprägt vom entschlossenen Ringen der Volkskräfte, von zahlreichen Aufständen, von leidenschaftlicher Entschlossenheit, von großen Opfern, die gebracht wurden, von den unvergesslichen Eindrücken, die sie im Bewusstsein der Volksmassen hinterließen. Erinnert sei an Giuseppe Garibaldis Landung auf Sizilien im April 1860. Mit nur etwa Eintausend Mann kam er dem Aufstand einiger Tausend Bauern zu Hilfe, denen eine mehrere Zehntausend Mann starke, gut ausgerüstete und ausgebildete Armee der Feudalherrscher gegenüberstand. Das mit großen Risiken behaftete Unternehmen endete nicht zuletzt Dank der Entschlossenheit der Revolutionäre, welche die Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung erlangten, siegreich. Die Errichtung einer kleinbürgerlichen revolutionär-demokratischen Diktatur über ganz Süditalien durch Garibaldi wurde eine wesentliche Grundlage des Dreiviertelsieges der bürgerlichen Revolution 1860/70.(4)

Aus den unzähligen Beispielen sei noch eins aus dem nationalen Befreiungskampf Vietnams und seiner führenden Kraft, der Kommunistischen Partei, angeführt. Als im kolonialen Vietnam im Herbst 1930 in zwei Provinzen des Landes (Nge An und Ha Tinh) spontan ein Bauernaufstand gegen die Hungersnot ausbrach,(5) für dessen Erfolg die objektiven Bedingungen nicht gegeben waren, setzte sich die KPV dennoch an seine Spitze und nutzte ihn zur Vermittlung der Kenntnisse über die Ziele der nationalen Befreiungsrevolution. Die über ein halbes Jahr dauernden Kämpfe, in deren Verlauf Arbeiter- und Bauernsowjets gebildet und 30.000 Kämpfer zählende Rote Garden aufgestellt wurden, vermittelten für die siegreiche Augustrevolution 1945, als deren Vorspiel sie in die Geschichte eingingen, wertvolle Erfahrungen. "Obwohl die Franzosen die Bewegung durch blutigen Terror niederschlugen, bewiesen die Sowjets von Nghe Tinh den heldenhaften Geist und die revolutionäre Kraft der vietnamesischen Werktätigen. Obwohl die Bewegung nicht erfolgreich war, schmiedete sie die Kräfte für die siegreiche Augustrevolution", hielt Ho Chi Minh fest.(6) Hätte die Partei, so Ho Chi Minh weiter, in dieser Situation die Bauern im Stich gelassen, hätten diese in der Augustrevolution nicht an ihrer Seite gekämpft.

Bei der Antwort auf die Frage, ob die revolutionäre Situation im Frühjahr 1945 in Italien hätte genutzt werden sollen, ist zu sehen, dass in der veränderten konkret-historischen Situation 1945 zweifelsohne die günstigen Bedingungen die ungünstigen überwogen und von einem verzweifelten Kampf für eine aussichtslose Sache keine Rede sein konnte. Die folgende Abhandlung wird sich detailliert dieser Frage widmen. Soviel kann jedoch bereits gesagt werden: Parteien wie die KP Griechenlands, die 1944 den revolutionären Kampf begannen, gingen in der langfristigen Perspektive gestärkt aus der Niederlage hervor und bestehen bis in die Gegenwart die schweren Prüfungen der Geschichte. Das trifft, um ein weiteres Beispiel anzuführen, auch auf die KP Portugals zu, die sich 1975 angesichts einer drohenden NATO-Intervention dennoch als eine führende Kraft in die Nelkenrevolution, welche die faschistische Diktatur stürzte, einbrachte. Auch hier wurden diese Klassenauseinandersetzungen trotz der Rückschläge zu einem bis heute anhaltenden Quell der Kampfkraft.


2. Am Vorabend des Sieges über den Faschismus

Am 29. April 1945 unterzeichnete das Kommando der Wehrmacht in Italien vor dem Alliierten Kommando die bedingungslose Kapitulation, die am 2. Mai in Kraft trat. Der Sieg über die Hitlerwehrmacht schloss die Niederlage der Mussolinifaschisten ein. Eine Besonderheit des Kampfes gegen den Faschismus in Italien war, dass nach dem Sturz des "Duce" durch eine Palastrevolte am 26. Juli 1943 die von König Vittorio Emanuele III. unter Marschall Pietro Badoglio eingesetzte Militärregierung mit den Alliierten einen Waffenstillstand schloss und aus der faschistischen Achse ausschied. Am 13. Oktober 1943 erklärte Badoglio Hitlerdeutschland den Krieg. Italien trat auf die Seite der Antihitlerkoalition über.

Die vernichtenden Niederlagen der Hitlerwehrmacht 1943 bei Stalingrad und Kursk-Belgorod hatten das Scheitern der deutschen Aggressionspläne verdeutlicht und den Sieg der angloamerikanischen Truppen in Nordafrika sowie die folgende Landung der alliierten Verbände auf Sizilien begünstigt. Die Palastrevolte spiegelte den Realitätssinn der herrschenden Kreise wider, die über 20 Jahre Träger der faschistischen Diktatur waren, sich aber nun in die Niederlage nicht hineinziehen lassen wollten. Sie befürchteten auch, dass die Arbeiter mit einer Kommunistischen Partei an der Spitze, die in Aktionseinheit mit den Sozialisten handelte, mit einer antifaschistischen Massenbewegung den Sturz Mussolinis herbeiführen könnten.

Als der Waffenstillstand am 8. September 1943 bekannt gegeben wurde, besetzte die Hitlerwehrmacht Nord- und Mittelitalien und entwaffnete die italienischen Streitkräfte. Das einen Tag später, am 9. September auf Initiative der IKP von allen Oppositionsparteien gebildete Comitato di Liberazione Nazionale (CLN) rief alle Italiener zum Kampf gegen das Besatzungsregime Hitlerdeutschlands und seine italienischen Vasallen auf. Der auf dem Gran Sasso gefangen gehaltene Mussolini wurde am 12. September von einem SS-Kommando befreit und nach Deutschland verbracht. Am 25. Oktober proklamierte er den faschistischen Rumpfstaat als Repùbblica Sociale Italiano (RSI), der als reines Marionettenregime völlig der Besatzungsherrschaft Hitlerdeutschlands unterworfen war.

Nach der Okkupation begann die Etappe der Resistenza, des bewaffneten Kampfes, deren Teilnehmer den verschiedenen Klassen und Schichten angehörten, an deren Interessen sie sich meist gebunden fühlten. Das verlieh der Resistenza starke Merkmale eines Klassenkampfes. Vorherrschend, wenn auch besonders in der Endphase nicht immer klar artikuliert, war seitens der IKP die Verbindung der nationalen antifaschistischen Komponente mit der klassenkämpferischen. Anderseits ergaben sich aus der durch die Arbeiterklasse verkörperten sozialen Frage nach dem Sieg über die Hitlerwehrmacht die Gegensätze zwischen den verschiedenen teilnehmenden Klassen und Schichten.

Gleichzeitig war die Resistenza ihrem vorherrschenden Charakter nach ein nationaler Befreiungskrieg gegen die ausländische Besatzung und kein ausschließlicher Bürgerkrieg zwischen Faschisten und Antifaschisten. Das bezeugte bereits die Kriegserklärung der Badoglio-Regierung an Hitlerdeutschland. Mit dem Waffenstillstand schieden die Hauptkräfte des italienischen Imperialismus, das waren im militärischen Bereich 3,5 Millionen Soldaten, aus dem Krieg aus. Das Kräfteverhältnis wurde im Mittelmeerraum erheblich zugunsten der Antihitlerkoalition verändert.(7) Damit leistete Italien einen historisch bedeutsamen Beitrag zum Sieg über das Besatzungsregime Hitlerdeutschlands und den italienischen Faschismus. Darin eingeschlossen war der militärische Beitrag der Resistenza, gegen deren Partisanenverbände die Wehrmacht bereits Anfang 1944 15 Divisionen einsetzen musste.

Die IKP ging aus der Resistenza als die politisch einflussreichste Kraft hervor. Das ergab sich vor allem aus ihrer Rolle im bewaffneten Kampf, ihren Positionen in der Partisanenarmee, ebenso aber aus ihrem Masseneinfluss. Auf ihrem V. Parteitag (29. Dezember 1945 bis 5. Januar 1946) war sie im Ergebnis ihrer zielstrebig geführten Werbung mit 1.770.896 eingeschriebenen Mitgliedern zu einer Massenpartei angewachsen. Unter der Losung "Für den Aufstand" hatte eine bereits im September 1944 begonnene Kampagne ihr Zehntausende neue Mitglieder zugeführt, von denen viele den Partisaneneinheiten beitraten. Ihre Mailänder Organisation wuchs auf 10.000 Mitglieder an, von denen 8.000 Arbeiter waren. 280.000 Frauen traten der IKP bei, von denen 35.000 Partisanen waren.(8) Die Mehrzahl der zur Partei stoßenden neuen Mitglieder hatte sich zwar aktiv in der Resistenza engagiert und besaß entsprechende Kampferfahrungen, hatte aber oft nur geringe Kenntnisse der kommunistischen Theorie. Dem versuchte die Partei durch regelmäßige Schulungsbeiträge in ihrer Zeitung La nostra Lotta abzuhelfen.(9)

Als einzige Oppositionspartei hatte die IKP unter dem Faschismus seit ihrem Verbot 1926 in Italien illegal ihre Arbeit fortgesetzt. Die antifaschistische Einheitsfront und die aus ihr hervorgegangene Regierung waren vor allem ihr Werk. Im CLN übte sie mit der ISP den dominierenden Einfluss aus. Ihnen zur Seite stand die kleinbürgerliche radikal-demokratische Aktionspartei (PdA).(10) In den befreiten Gebieten übernahmen links dominierte örtliche Organe des CLN die Macht und leiteten revolutionär-demokratische Veränderungen ein.

Die IKP genoss als erfolgreichste Partei der Resistenza großes Ansehen unter der Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung, vor allem Norditaliens. Dazu hatte in der Endphase des Krieges beigetragen, dass sie die treibende Kraft des Aufrufs des Comitato di Liberazione Nazionale Alto Italia (CLNAI), der Regionalleitung des CLN für Norditalien, vom 25. April zur nationalen bewaffneten Erhebung war. Vorausgegangen war dem ein vor allem von der IKP vorbereiteter, von Turin ausgehender Generalstreik, der fast alle noch besetzten Städte Norditaliens erfasste. Mit dem bewaffneten Aufstand ging es nicht nur darum, wie Pietro Secchia ausführte, "die breiten Volksmassen für den Aufstand zu mobilisieren", sondern auch die von den Wehrmachtsverbänden betriebene Strategie der Zerstörung aller Betriebe und der Infrastruktur zu verhindern. "Jede Werkstatt, jede Fabrik, jede Werft muss vor der nazifaschistischen Zerstörung bewahrt werden". Secchia betonte, im Ergebnis des Aufstandes müsse das ganze Land "mit einem Netz von Tausenden nationalen Befreiungskomitees" überzogen werden, auf die sich die demokratische Regierung in Italien stützen müsse. "Ohne diese Basisorgane der Volksmacht ist es sinnlos, von einer progressiven Demokratie zu sprechen".(11) Die unter der Leitung von Luigi Longo ausgearbeitete Direktive betonte weiter, dass im Falle einer Weigerung der bürgerlichen Vertreter im CLN/CLNAI, sich am Aufstand zu beteiligen, "wir auch allein handeln und versuchen müssen, soviel Kräfte wie möglich mit uns zu ziehen".(12) DC und Liberale lehnten dann im CLNAI auch eine Beteiligung am Aufstand ab.(13) Faktisch setzte damit die Spaltung des CLN bzw. CLNAI in einen linken und einen konservativen/rechten Flügel ein.(14)

Mit der Aufstandsdirektive widersetzte sich das CLNAI einer Forderung des alliierten Befehlshaber in Italien, General Mark Clark, der am 10. April angeordnet hatte, die Partisanen dürften ohne seine ausdrückliche Genehmigung keinerlei Initiativen eines bewaffneten Aufstandes unternehmen. Das geschah zu einem Zeitpunkt, da die Partisanenarmee zum Angriff auf Mailand ansetzte, während die alliierten Truppen sich erst auf das 250 km südwestlich liegende Bologna vorkämpften. General Clark wollte verhindern, dass die Partisanen vor dem Eintreffen der Alliierten die noch von der Wehrmacht besetzten Städte Norditaliens einnahmen. Außerdem sollten die im März begonnenen Gespräche des Leiters des OSS (Vorläufer der CIA) in Bern, Allen Dulles, mit deutschen Unterhändlern, an ihrer Spitze der SS-Polizeichef in Norditalien, Obergruppenführer Karl Wolff, über eine separate Kapitulation der Wehrmachtsverbände in Norditalien, nicht gestört werden. Das Oberkommando der Wehrmacht beabsichtigte, in diesem Fall die in Italien stehenden deutschen Verbände gegen die in Österreich vorrückende Rote Armee einzusetzen.(15) Mit dem Aufstand und ihrer letzten Offensive vereitelten die Partisanen diese Pläne und befreiten an die 200 Städte, darunter alle Großstädte Norditaliens.(16) Mailand wurde nach schweren Kämpfen am 27. April eingenommen, fünf Tage vor dem Eintreffen der Alliierten am 2. Mai. In den befreiten Städten nahmen die örtlichen Komitees des CLNAI sofort ihre Arbeit als revolutionäre Machtorgane auf. In den Fabriken, die von den Unternehmensleitungen verlassen worden waren, bildeten Kommunisten und Sozialisten Fabrikräte, welche die Leitung der Produktion übernahmen. Mit Beginn des Aufstandes übernahm das CLNAI als Beauftragter der von den Alliierten anerkannten Nationalen Einheitsregierung die zivilen und militärischen Nachtbefugnisse. Es erklärte den Ausnahmezustand, richtete Kriegsgerichte ein, erließ Justiz- und Verwaltungsdekrete und forderte alle italienischen Faschisten zur bedingungslosen Kapitulation auf. Die Partisanenarmee griff zwischen Piemont und Venetien auf einer Breite von über 400 Kilometern die Stellungen der Wehrmacht an, deren Truppen in Stärke von noch 19 Divisionen zwischen Friuli und Carnia konzentriert waren. Auch in der letzten Offensive kämpften die Garibaldibrigaden der IKP in vorderster Linie. In Genua kapitulierte der Ortskommandant der Wehrmacht, General Meinhold, mit 9.000 Mann vor dem Vorsitzenden des Befreiungskomitees der Stadt, dem Arbeiter und Kommunisten Remo Scappini. Am Fluss Piave legte das X. Panzerkorps die Waffen nieder. Insgesamt ergaben sich bis zum 2. Mai über 200.000 deutsche Soldaten den Partisanen. Die Gefangenen wurden nach dem Eintreffen der alliierten Truppen diesen übergeben. In allen Fällen hatten die Partisanenkommandeure auch hier einer Forderung General Clarks zuwider gehandelt, Wehrmachtsangehörige nicht gefangen zu nehmen, sondern in den Stellungen zu verharren und auf das Eintreffen der alliierten Truppen zu warten. Dabei sollten die deutschen Soldaten sogar ihre Waffen behalten dürfen.

Das Ansehen der IKP stieg insbesondere, als in Mailand bekannt gegeben wurde, dass eine Abteilung der 52. Garibaldi-Brigade Mussolini auf der Flucht zur Schweizer Grenze in der Nähe von Como in der Ortschaft Dongo gestellt und am 28. April das vom CLNAI gegen ihn und weitere führende Faschisten, die sich weigerten, zu kapitulieren, verhängte Todesurteil durch ein Exekutionskommando unter dem Befehlshaber der Garibaldibrigaden, Oberst Walter Audisio (Kampfname Valerio), vollstreckt hatte.(17) Damit werden die von bestimmten Historikern verbreiteten Geschichtsfälschungen, welche die Vollstreckung dieser rechtskräftigen Urteile als Morde zu diskriminieren suchten, widerlegt.(18) Die Leichen wurden nach Mailand gebracht und auf der Piazzale Loreto mit den Köpfen nach unten aufgehängt. Am selben Ort hatten die Mussolinifaschisten am 12. August 1944 fünfzehn ermordete Geiseln so zur Schau gestellt. Diese Aktivitäten stärkten die Positionen des linken Flügels der IKP, der vor allem durch die Partisanen repräsentiert wurde.

Auch mit der Hinrichtung Mussolinis war eine Weisung des alliierten Kommando ignoriert worden, diesen bei einer Gefangennahme zu übergeben. Um diese Brüskierung nicht einzugestehen, erhob das Alliierte Kommando keine Einwände. Oberst Charles Poletti von der Alliierten Militärregierung gab für das CLN und eine Partisanenabordnung in Mailand einen Empfang und erklärte: "Wir haben in Mailand alles in ausgezeichneter Disziplin vorgefunden. Wir sind auch auf der Piazzale Loreto gewesen und haben dem CLN und den Partisanen unsere vollste Anerkennung für ihre bewundernswerte Operation ausgedrückt."(19) Wie sich kurz darauf zeigte, diente der alliierten Militärregierung diese Demonstration dazu, die Partisanen ruhig zu stellen, um ihre geplante Entwaffnung um so besser vornehmen zu können.


3. Die revolutionäre Situation

Nach der Niederlage des Faschismus standen Kommunisten und Sozialisten vor der Entscheidung über die gesellschaftliche Perspektive. Ende April 1945 bestand in Italien eine klassische revolutionäre Situation, die bis zum Spätherbst anhielt: Der italienische Imperialismus war militärisch geschlagen, seine ökonomischen und politischen Positionen ernsthaft erschüttert. Er verfügte über keine ihm hörige Regierung mehr. Die großbourgeoisen Vertreter in der antifaschistischen Einheitsregierung befanden sich in der Minderheit und mussten lavieren.

Das von Kommunisten und Sozialisten 1934 geschlossene Aktionseinheitsabkommen war 1937 während des gemeinsamen Kampfes zur Verteidigung der Spanischen Republik mit einem klaren antiimperialistischem Bekenntnis und dem Ziel, Faschismus und Kapitalismus zu beseitigen und eine sozialistische Gesellschaft zu errichten, vertieft worden. Eine Demokratische Republik unter Führung der Arbeiterklasse sollte errichtet werden, in der die ökonomischen Grundlagen der Reaktion und des Faschismus durch "Nationalisierung des Monopolkapitals in der Industrie und im Bankwesen und der Vernichtung jeder Art von Feudalismus auf dem Lande beseitigt werden sollten.(20)

Die Kommunalwahlen im März 1946 und anschließend die zur Verfassungsgebenden Versammlung im Juni zeigten, dass IKP und ISP über eine Massenbasis verfügten. Sie erreichten jeweils rund 40 Prozent der Stimmen. Beide Wahlen fanden bereits im restaurativen antikommunistischen Klima der zum Gegenangriff übergegangenen Konterrevolution statt. Unmittelbar nach Kriegsende dürfte ein noch größerer Anteil der Bevölkerung hinter den Arbeiterparteien gestanden haben.

Das CLN wurde von IKP und ISP sowie PdA dominiert. Auf dieser Grundlage besaßen diese auch ein Übergewicht in der nationalen Einheitsregierung. Im Juni 1945 zwangen sie den Ministerpräsidenten Ivanhoe Bonomi von den Liberalen zum Rücktritt. Die Democrazia Cristiana (DC) lehnte den von IKP und ISP vorgeschlagenen Sozialisten Pietro Nenni ab und benannte stattdessen aus ihren Reihen Alcide De Gasperi, den ihrerseits die Linken nicht akzeptierten. Die Linken erreichten dann die Berufung des Aktionisten Ferrucio Parri. Nach dessen Rücktritt im Dezember 1945 setzte die DC die Ernennung von De Gasperi durch.

In den meisten Städten und Gemeinden Norditaliens übten im Frühjahr 1945 die mehrheitlich aus Kommunisten und Sozialisten bestehenden Komitees des CLNAI die Macht aus und leiteten antiimperialistische revolutionär-demokratische Umgestaltungen ein. Im Süden hatten Landarbeiter, Tagelöhner und Halbpächter das Land der durchweg zu den Faschisten gehörenden Latifundistas besetzt. Die IKP hatte in der Einheitsregierung ein Dekret durchgesetzt, das die Inbesitznahmen legalisierte.

Es stand weit über eine halbe Million Mann unter Waffen. In der gut organisierten 256.000 Kämpfer zählenden Partisanenarmee stellte die IKP mit ihren Garibaldi-Brigaden 155.000 Mann und hatte mit 42.000 von insgesamt 70.000 Gefallenen auch die meisten Opfer gebracht. Weitere 206.000 Partisanen waren in den örtlichen Gruppi di Azione Patriottica (GAP) organisiert. Ihnen hatten sich während des bewaffneten Aufstandes Zehntausende weitere Kämpfer angeschlossen. Alle Partisanenformationen bestanden zu 85 bis 90 Prozent aus Arbeitern und Bauern.(21) Sie bildeten den Kern einer kampfentschlossenen Basis.

Der verbrecherische Krieg des Faschismus hatte in der Wirtschaft und im Leben der Menschen unermessliche Schäden angerichtet. Etwa zehn Prozent der Industrieanlagen und fast zwei Drittel der Infrastruktur waren zerstört, davon 40 Prozent des Eisenbahnnetzes und 60 Prozent der Straßen und Brücken sowie fast alle Transportmittel. Neben einem Großteil der Wohnungen lagen 40 Prozent aller öffentlichen Gebäude in Trümmern. Die landwirtschaftliche Produktion war um ein Drittel gesunken. Etwa zwei Millionen Menschen waren arbeitslos: frühere Soldaten, aus der Gefangenschaft oder der Internierung Heimkehrende und aus der Rüstungsindustrie Entlassene. Die Landwirtschaft zählte 600.000 Unterbeschäftigte.

In dieser Situation stand die IKP vor der Aufgabe, zusammen mit der ISP und im Bündnis mit bürgerlichen Schichten eine antifaschistische, antiimperialistische revolutionär-demokratische Umgestaltung einzuleiten, um die politischen und sozialökonomischen Grundlagen des Faschismus zu beseitigen. Viele Gesichtspunkte sprachen dafür, dass die IKP über eine solche Umgestaltung als erster demokratischer Etappe Grundlagen für eine spätere sozialistische Entwicklung hätte schaffen können. Dabei war von einem langfristigen Prozess auszugehen in dessen Verlauf auch mit einem Stagnieren und Rückschlägen gerechnet werden musste. Die angeführten Faktoren boten günstige Bedingungen, diesen Weg einzuschlagen.

Hier sei an Gramscis Grundsatz erinnert, dass die IKP gegenüber den bürgerlichen Bündnispartnern des "Historischen Blocks" Zugeständnisse machen müsse, diese aber nicht "das Wesentliche", nämlich "die entscheidende Rolle" der "führenden Kraft" betreffen dürften, d. h., sich zur Beseitigung der kapitalistischen Gesellschaft und die Herstellung einer sozialistischen Ordnung zu bekennen. Eine entsprechende Klarstellung in dieser Deutlichkeit fehlte jedoch seitens der IKP bereits in der Resistenza und danach in ihrer unmittelbaren Nachkriegsstrategie. Ihr "Aufruf an das italienische Volk" vom September 1943 konnte zunächst in dieser Hinsicht interpretiert werden. Es hieß darin: "Die Arbeiterklasse wird die Hauptkraft sein, die das italienische Volk zum Kampf führt, um für immer die Macht der imperialistischen Kräfte, die für den räuberischen Krieg und den Ruin der Nation verantwortlich sind, zu brechen. Deshalb darf die Demokratie, die wir meinen, den rechten Kräften nicht noch einmal erlauben, sich in ihr wieder breit zu machen." Es wurde betont, dass diese Demokratie "eine Volksdemokratie" sein müsse, die sich auf die Massen stützt und in der "die Arbeiterklasse ihre Avantgarde und sichere Führung" bildet.(22) Der Begriff der Volksdemokratie tauchte in den späteren Dokumenten der IKP aber nicht mehr auf. Offensichtlich, um einen Vergleich mit der Entwicklung in den Ländern Osteuropas, wo die Volksdemokratie als eine Etappe des Übergangs zum Sozialismus gesehen wurde, zu vermeiden.

Zu den Fragen, wie eine antifaschistisch-demokratische Nachkriegsordnung zu gestalten war, gab es in der Führung der IKP keine einheitliche Meinung. Eine von Togliatti angeführte Gruppe wollte das breite antifaschistische Bündnis mit den großbürgerlichen Kräften auch auf Regierungsebene weiterführen und setzte für antifaschistisch-demokratische Veränderungen auf den parlamentarischen Weg. Togliatti, der mit seiner hohen Autorität, die auch aus seiner führenden Rolle in der Komintern resultierte, diese Gruppe dominierte, setzte sich in der Nachkriegsphase in der Führung durch.

Eine zweite Gruppe mit Luigi Longo, in der Partisanenarmee einer der beiden Oberbefehlshaber (der andere war Sandro Pertini von der ISP) und dem nach Longo für Militärfragen zuständigen Pietro Secchia an der Spitze, repräsentierte vor allem die Partisanen. Sie trat zwar ebenfalls für zunächst antifaschistisch-demokratische Veränderungen ein, forderte jedoch, sich klar für eine sozialistische Orientierung auszusprechen und dieses Vorgehen durch revolutionäre Massenaktionen zu untersetzen. Diese Strömung wurde auch als radikaler oder linker Flügel bezeichnet. Sie hatte starke Positionen in den Parteileitungen der Arbeiterzentren - in Mailand, Turin (Sitz der FIAT-Zentrale) und in Genua.

Zu den strittigen Fragen äußerte sich Longo auf einem Kongress der Provinzorganisation von Rom im Oktober 1945. Zur Fortsetzung der "Politik der nationalen Einheit auch im Frieden" verwies er warnend auf "die Spaltungsversuche der konservativen und reaktionären Kräfte innerhalb und außerhalb Italiens", welche die "Errichtung einer fortgeschrittenen Demokratie zu stören und unmöglich zu machen" suchten. Das kam insbesondere in der Weigerung der Liberalen und der Christdemokraten zum Ausdruck, Vertreter der starken Massenorganisationen der IKP (Frauen, Jugend) aber auch der Einheitsgewerkschaft CGIL in die CLN-Organe aufzunehmen.

Im deutlichen Gegensatz zu Togliatti forderte Longo, zur "Fortsetzung und Festigung der nationalen Einheit" genau zu präzisieren, "mit wem und gegen wen". "Wir wollen mit den Arbeitern, den Bauern, den Angestellten, Technikern, Freiberuflichen, Intellektuellen, mit den Rentnern, den Heimkehrern, den Jugendlichen, den Frauen marschieren, mit einem Wort, mit allen, die arbeiten, die leiden, mit denen, die ein weniger stiefmütterliches Italien und eine bessere Menschheit erhoffen". Longo forderte, gegen "alle faschistischen Überbleibsel" vorzugehen, gegen "die Magnaten der Industrie, der Finanz und des Großgrundbesitzes". Wir müssen "gegen die Reaktion marschieren, die sich um die Monarchie gesammelt hat". Zu der an der Parteibasis heftig diskutierten Frage, ob die IKP "auf den Sozialismus verzichtet" habe, sagte Longo "nicht im Traum", womit er eindeutig die Notwendigkeit betonte, ein klares Bekenntnis zur sozialistischen Perspektive abzulegen. In offensichtlicher Berücksichtigung, dass sich die revolutionäre Situation im Oktober 1945 ihrem Ende zuneigte, verwies er nunmehr darauf, dass dafür jetzt die nationalen und internationalen Voraussetzungen "nicht gegeben" seien und man von der eingetretenen "Realität der italienischen Verhältnisse ausgehen" müsse.(23)

Togliatti vermied zwar generell ein Bekenntnis zur sozialistischen Perspektive, trat jedoch für eine antifaschistisch-demokratische Umwälzung ein, die das Eigentum des Großkapitals und der Großagrarier durch Nationalisierungen und eine Agrarreform beschneiden sollte. Der kommunistische Finanzminister Mauro Scoccimarro verlangte eine sofortige Währungsreform, eine progressive Besteuerung der Vermögen und eine außerordentliche Besteuerung der Kriegsgewinne. Die Lasten des Wiederaufbaus sollten so primär den besitzenden Klassen, die sich unter dem Faschismus größtenteils bereichert hatten, auferlegt, auf Kriegs- und Spekulationsgewinne einmalige Steuern erhoben werden. Vermögenszuwachs aus den Kriegsjahren sollte, soweit er nicht aus Erbschaften oder aus Gewinnen vorher bestehender Vermögen stammte, stark progressiv besteuert, Summen über 75 Mio Lire vollständig konfisziert werden; ebenso alle Reichtümer, die auf Funktionen innerhalb des faschistischen Regimes oder im Dienste der Deutschen zurückzuführen waren.(24)

Bei Vermeidung eines klaren Bekenntnisses zum Sozialismus gab es dazwischen Erklärungen bzw. Beschlüsse, welche eine entsprechende Orientierung verdeutlichen konnten. So beschloss das Zentralkomitee im Juli 1945, "eine Demokratische Republik der Arbeiter zu schaffen, durch eine Agrarreform die feudalen Überbleibsel auf dem Lande zu beseitigen, mit einer Industriereform die politische Vorherrschaft der Industrie- und Bankenmonopole zu eliminieren, den alten reaktionären, bürokratisch bestimmten Staat zu zerstören und einen neuen Staat des Volkes zu schaffen, in dem der Faschismus nie wieder auferstehen kann und das Volk Herr seines Schicksals sein wird."(25) Der 5. Parteitag im Januar 1946 bekräftigte, als Voraussetzung einer Industrie- und Agrarreform, "jene Gruppen aus der Leitung des Wirtschaftslebens auszuschließen, die uns schon einmal, als sie den Faschismus aus der Wiege hoben, zum Ruin führten und noch heute unsere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung hemmen."(26) In den Dokumenten ist schwer zu analysieren, ob solche Beschlüsse auf das Drängen des linken Flügels zurückgingen oder es sich darum handelte, diesen und die Parteibasis zu beschwichtigen. Wahrscheinlich sind beide Gesichtspunkte zu sehen.

Mit der ISP stimmte die IKP in diesen Fragen weitgehend überein. Es gab jedoch auch in der ISP einen radikalen Flügel, der darauf drängte, klare sozialistische Forderungen zu stellen. Am 28. September 1943 hatten beide Arbeiterparteien das Aktionseinheitsabkommen ein weiteres Mal erneuert und ein ständiges Komitee zur Koordinierung des gemeinsamen Kampfes gebildet.(27) Vor Beginn des bewaffneten Aufstandes im April 1945 schlug Togliatti Nenni eine Vereinigung beider Arbeiterparteien vor. Er betonte, der "Aufbau eines demokratischen und fortschrittlichen Italiens" erfordere, dass "die Arbeiterklasse all ihre Kräfte vereint", um den reaktionären und konservativen Kräften "den festen und untrennbaren Block der Arbeiterklasse" entgegenzustellen.(28) Es ist anzunehmen, dass Togliatti sich bei der Vereinigungsinitiative auch davon leiten ließ, seiner Konzeption eines parlamentarischen Weges größeren Nachhalt zu verschaffen. Andererseits war zu sehen, dass es sich bei der ISP um eine sozialdemokratisch-sozialistische Partei handelte, die sich nie mit dem ihr innewohnenden Opportunismus auseinandergesetzt hatte. Es bleibt jedoch spekulativ, sich der Frage zuzuwenden, wie sich das auf die IKP ausgewirkt hätte, denn die Vereinigungsaktivitäten kamen nicht voran. Sie beschränkten sich dann auf die Bestätigung des Aktionseinheitsabkommens im Oktober 1946, in dem der Aufbau eines "antimonopolistischen Italien" und dazu das einheitliche Handeln auf Regierungs-, Parlaments- und kommunaler Ebene sowie die Stärkung der Einheit der Gewerkschaften und der Massenorganisationen vereinbart wurden.(29) Das Vorhaben scheiterte an der Ablehnung des rechten ISP-Flügels, der sich bereits unmittelbar nach Kriegsende zu formieren begann. Als dieser sich gegenüber den in der Partei vorherrschenden linken Kräften nicht durchsetzen konnte, spaltete er sich unter Giuseppe Saragat im Januar 1947 von der ISP ab und bildete die ISDP.(30)

Bereits bevor Togliatti im März 1944 aus der Emigration in der UdSSR nach Italien zurückkehrte, unternahm Moskau Schritte, um den dann von Togliatti eingeschlagenen Kurs zu befördern. Am 8. Januar 1944 traf ihr Vertreter im Advisory Council of Italy mit dem Außenminister der Badoglios-Regierung, Vittorio Brunas, zusammen, um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu sondieren. In London vermutete man, dass es Stalin um weitergehende Ziele ging, was Churchill veranlasste, sich am 22. Januar unmissverständlich für die Beibehaltung der Monarchie in Italien und gegen einen Beitritt der antifaschistischen Parteien in die Badoglio-Regierung auszusprechen. Präsident Roosevelt distanzierte sich jedoch von der britischen Haltung und sprach sich am 13. März 1944 in einem Brief an Churchill für den "Rückzug Emanuele III. von der Politik" und "für die Einbeziehung der antifaschistischen Parteien in die Regierung Italiens" aus. Danach gab die UdSSR einen Tag später im Alleingang die Anerkennung der Regierung Badoglio bekannt. Der Schritt wertete dessen Regierung auf und durchkreuzte die Ziele führender Kreise der westlichen Alliierten, Italien nur als besetztes Land zu behandeln und ihm den Status eines gleichberechtigten Mitglieds der Antihitlerkoalition zu verwehren. Washington und London nahmen danach noch keine diplomatischen Beziehungen auf, ernannten aber Hohe Kommissare für Italien. Schließlich machte Moskaus Schritt Badoglio einem Regierungsbeitritt der CLN-Parteien zugänglich.

Im Vordergrund der Betrachtungen Stalins dürfte nicht so sehr die Befürchtung eines militärischen Vorgehens der westlichen Alliierten gegen die Linken in Italien gestanden haben, wie es Großbritannien seit 1944 in Griechenland praktizierte. Der UdSSR ging es, ausgehend von der Erklärung der Krim-Konferenz "Einigkeit im Frieden wie im Krieg", vordergründig um die Erhaltung der Antihitlerkoalition in der Nachkriegsphase.(31) Dieses Ziel sollte/wollte Togliatti durch die Fortsetzung des im Befreiungskrieg gegen Hitlerdeutschland geschlossenen Bündnisses mit den großbürgerlichen Parteien, vor allem mit der Democrazia Cristiana, auch für antifaschistisch-demokratische Umgestaltungen innenpolitisch flankieren. Die seit April 1944 erreichten Ergebnisse meinte Togliatti durch den Verzicht auf zu revolutionäre Forderungen sichern zu können. Bei der weiteren Verfolgung dieses Regierungsbündnisses war es von Anfang an fraglich, ob mit den großbürgerlichen Parteien antifaschistisch-demokratische Umgestaltungen, die einen antiimperialistischen Inhalt erhalten mussten, möglich sein würden.

Das 1944 gebildete Regierungsbündnis wurde von der IKP gewissermaßen als jener Blòco stòrico gesehen, der in Gramscis Bündnispolitik einen zentralen Stellenwert einnahm, und zwar mit dem Einschluss monarchistischer und großbürgerlicher Kreise in größeren Dimensionen, als sein theoretischer Begründer seinerzeit konzipiert hatte. Wenn Togliatti jedoch versuchte, nach dem Sieg über den Faschismus in der Bündnispolitik an 1944 anzuknüpfen, wurden entscheidende Aspekte der historisch-konkreten Situation übersehen. In Salerno war eine Allianz entstanden, die sich in erster Linie gegen die deutschen Okkupanten richtete, für welche die Faschisten der Salò-Republik Mussolinis nur noch Erfüllungsgehilfen waren. Es war die Stoßrichtung gegen Hitlerdeutschland, welche die "Wende von Salerno" ermöglichte. Die IKP hatte den Charakter des Kabinetts zunächst auch ganz gezielt als "Governo Nazionale democratico di Guerra" (National-demokratische Kriegregierung) hervorgehoben.(32) Zum Eintritt in die Badoglio-Regierung erklärte sie, "wir sind für alles, was unser Land für den Krieg stärkt. Wir sind gegen alles, was es schwächt. (...) In den Reihen der Patrioten, die für die Freiheit des Landes kämpfen, ist Platz für alle Italiener, soweit sie Liebe zu ihrem Vaterland und den heißen Wunsch empfinden, es zu befreien, ebenso wie den heiligen Hass auf die deutschen Invasoren und die Tyrannen und Banditen, die Italien in die heutige Katastrophe geführt haben."(33) Die Einheitsregierung, die mit dem Eintritt der antifaschistischen Oppositionsparteien in das Kabinett Badoglio begründet wurde, war eine konkrete Widerspiegelung der Antihitlerkoalition. Als das Ziel des Kampfes gegen Hitlerdeutschland mit dem Sieg über den Faschismus wegfiel, verlor das Bündnis seinen wesentlichen Inhalt und zerfiel. Nicht zuletzt auch, weil die Antihitlerkoalition im Frühjahr 1946 in ihren Grundfesten ebenfalls auseinanderbrach.(34)

Solche Entwicklungstendenzen waren in der IKP bereits nach der "Wende von Salerno" diskutiert worden. Es waren vor allem die Kader, die in Italien in der Illegalität und zwar vornehmlich unter den Arbeitern in den Industriegebieten des Nordens den Widerstand gegen das Mussolini-Regime organisierten und die bezweifelten, dass mit großbürgerlichen Kreisen ein Bündnis über die Zeit nach dem Sieg über den Faschismus möglich sein könnte, weil es mit ihnen keine "proletarische" Alternative geben werde.(35) Wenn man dabei auch in Betracht zieht, dass sich hier Tendenzen der Unterschätzung oder auch des Nichterkennens der Notwendigkeit des Kampfes um demokratische Veränderungen zeigten, waren es Befürchtungen, die sich 1945/46 bewahrheiteten.

Ein ähnlicher Aspekt war, dass die Mailänder Führung, an deren Spitze Longo und Secchia standen, beim Eintritt in die Badoglio-Regierung kritisierte, dass ausschließlich der Kampf gegen die deutsche Besatzung zum Ziel der Resistenza erklärt wurde. "Wenn wir gegen den ausländischen Unterdrücker kämpfen, dürfen wir nicht den Kampf gegen den inneren Feind vergessen, der von den reaktionärsten Gruppen des Finanzkapitals vertreten wird, die sich offen auf die Seite des deutschen Eindringlings gestellt haben und auf jede Weise den Hitlerhorden und den faschistischen Banditen helfen, die jenes Regime wiederbeleben wollen, das Italien in die Katastrophe getrieben hat." Nur die Entfaltung des Klassenkampfes gegen das Großkapital ermögliche die volle Einbeziehung der Arbeiter in den nationalen Befreiungskampf und sichere ihnen die führende Kraft in der zu erkämpfenden Demokratie. Um eine Rückkehr der reaktionären Kräfte zu verhindern, müsse "daher die Vorherrschaft der imperialistischen Gruppen, der reaktionären Gruppen des Finanzkapitals, zerschlagen und ihr Wiedererstehen unmöglich gemacht werden."(36)

Die norditalienischen Funktionäre erlebten das in der praktischen Haltung von Großindustriellen wie der FIAT-Besitzer der Agnellifamilie. Während Giovanni Agnelli nach der Palastrevolte im Juli 1943 zu den im Süden gelandeten Amerikanern ging, schickte er seinen Generaldirektor Vittorio Valletta in das von der Wehrmacht besetzte Norditalien zur Konzernzentrale nach Turin. Dort hielt dieser für Hitlerdeutschland die Kriegsproduktion aufrecht, unterdrückte den Widerstand der Arbeiter dagegen und sorgte bis Kriegsende für höchstmögliche Profite. Valletta trat zwar nicht der neu konstituierten faschistischen Partei bei, lehnte auch einen vom "Duce" angebotenen Ministerposten ab, tat aber sonst alles, um das Besatzungsregime der Hitlerwehrmacht und dessen Statthalter Mussolini zu stützen.(37)

Wenn die ausbleibende Nutzung der revolutionären Situation 1945 damit begründet wurde, das hätte die US-amerikanische Besatzungsmacht zum militärischen Vorgehen gegen die linken antifaschistischen Kräfte in Italien veranlasst, dann standen dem vor allem folgende Faktoren entgegen: Die USA saßen in Italien als Besatzungsmacht noch nicht fest im Sattel. Die Ende Dezember 1944/Anfang Januar 1945 von der Wehrmacht begonnene Ardennenoffensive brachte die amerikanisch-britischen Truppen im Westen in eine äußerst kritische Lage.(38) Churchill räumte ein, "wie bedenklich die Lage ist" und "man die Initiative verloren hat". Am 6. Januar 1945 wandte er sich an Stalin persönlich und bat um eine Entlastungsoffensive im Osten. Dieser sagte am 9. Januar eine Vorziehung der Angriffshandlungen der Roten Armee zu und schrieb: "Zweifeln Sie nicht daran, dass wir alles nur Mögliche tun werden, um die ruhmreichen Truppen unserer Verbündeten zu unterstützen". Bereits am 12. des Monats begannen 150 sowjetische Divisionen auf einer Frontbreite von der Ostsee bis zu den Karpaten ihre Offensive. Das Oberkommando der Wehrmacht musste zwei Panzerarmeen von der Westfront abziehen. Die Ardennenoffensive brach zusammen. Churchill telegrafierte an Stalin: "Im Namen der Regierung Ihrer Majestät möchte ich Ihnen von ganzem Herzen unsere Dankbarkeit ausdrücken und Glückwünsche anlässlich dieser gigantischen Offensive übermitteln, die Sie an der Ostfront begonnen haben."(39) Mit dieser für die westlichen Alliierten wertvollen Zusammenarbeit erlebte die Antihitlerkoalition noch einmal eine Hochzeit, die auch ein günstiges Klima für die Krim-Konferenz im Februar 1945 schuf.

Dem Treffen von Jalta folgte vom 17. Juli bis 2. August 1945 die Potsdamer Konferenz, in deren Mittelpunkt die deutsche Frage stand. Auch in Potsdam herrschte noch ein gewisser Geist der Zusammenarbeit in der Antihitlerkoalition vor, den man schwerlich nach dem Tod Franklin Roosevelts am 12. April 1945, eines Vertreters und Mitbegründers dieser Koalition, so rasch hätte zu Grabe tragen können.(40)

Die Krim-Konferenz hatte für den 25. Juni zur Gründungskonferenz der Vereinten Nationen nach San Francisco eingeladen, die dann bis 26. Juni tagte und die Weltorganisation ins Leben rief. Mehr noch als die UdSSR waren die USA an ihrer Gründung interessiert. Rechneten sie doch von Anfang an damit, sich in der am 24. Oktober 1945 proklamierten UNO einen vorherrschenden Einfluss zu verschaffen.

Der Krieg gegen Japan war noch nicht beendet. Der Abwurf der beiden Atombomben im August 1945 schwächte die Kampfkraft der japanischen Landstreitkräfte nur bedingt. Den westlichen Alliierten fehlten in genügender Zahl Landstreitkräfte, um Japan niederzuwerfen. Nachdrücklich forderten Roosevelt und Churchill auf der Krim-Konferenz deshalb den Kriegseintritt der UdSSR gegen Japan. Sie machten das zur Bedingung ihrer Zugeständnisse an Moskau in Asien. Zum Sieg über den japanischen Achsenpartner trug dann bedeutend die am 9. August 1945 eröffnete sowjetische Fernostoffensive bei, in deren Verlauf die rund eine Million starke Kwantung-Armee zerschlagen wurde.

Die offene Wende zum Kalten Krieg begann erst im März 1946 mit Churchills berüchtigter Rede in Fulton. Es kann insgesamt in Frage gestellt werden, ob die USA unter den hier angeführten Gesichtspunkten in Italien wie Großbritannien 1944 in Griechenland die offene militärische Konfrontation mit der antifaschistischen Bewegung gewagt hätten.


4. Schwerwiegende Kompromisse

Gegen die Bevorzugung des parlamentarischen Weges, kombiniert mit der Mobilisierung der Massen auf der Straße zur Durchsetzung wohlgemerkt revolutionär-demokratischer (keiner sozialistischen) Veränderungen war nichts einzuwenden. Die IKP schwächte jedoch die eigenen Positionen durch immer neue problematische Zugeständnisse an die großbürgerlichen Rechtskräfte, womit sie deren konterrevolutionäre Ambitionen zu beschwichtigen suchte, diesen aber tatsächlich weiteren Auftrieb gab. Parallel dazu fehlte eine Mobilisierung der Basis der Partei und der Linken überhaupt, um den parlamentarischen Weg mit revolutionären Massenaktionen zu untersetzen und in diesen die Machenschaften der äußeren und inneren Konterrevolution anzuprangern. Die gemachten Zugeständnisse wurden im Gegenteil in ihrer vollen Tragweite verschwiegen oder verharmlost. Bereits im Mai/Juni 1945 wurde diese Haltung von der Basis als revisionistisches Zurückweichen kritisiert, was Finanzminister Mauro Scoccimarro in der Rinascita zurückwies.(41)

Dieser Kurs hatte bereits mit der Krise der antifaschistischen Einheitsregierung im Dezember 1944 begonnen. Die Streitkräfte der Antihitlerkoalition näherten sich zu dieser Zeit unaufhaltsam den deutschen Grenzen, die Rote Armee hatte sie bereits im Oktober 1944 im Gebiet von Ostpreußen überschritten. Der Sieg über Hitlerdeutschland war nur noch eine Frage der Zeit. Nicht zufällig brachen zu diesem Zeitpunkt im CLN die Auseinandersetzungen über den politischen, ökonomischen und sozialen Charakter der Nachkriegsordnung mehr oder weniger offen aus. Monarchisten und reaktionäre großbourgeoise Kräfte strebten nach einem Nachkriegsregime auf der Grundlage der vorfaschistischen Machtstrukturen, in die auch "unbelastete" Faschisten einbezogen werden sollten. Als ihr Wortführer agierten die Liberalen, vor Mussolini führende Partei des Kapitals, die dessen Machtantritt 1922 begünstigt und mitgetragen hatten. Um den linken Einfluss zurückzudrängen provozierte ihr Ministerpräsident Bonomi mit seinem Rücktritt am 25. November 1944 die Regierungskrise.

Zwischen den Liberalen und der Democrazia Cristiana bestand dazu zu dieser Zeit noch keine Übereinstimmung. In der DC gab es Kräfte, die antimonopolistische Forderungen und die nach der Enteignung des Großgrundbesitzes vertraten, was allerdings auf scharfe Kritik seitens des Vatikans stieß.(42) In der Partei formierte sich eine linke "Initiative Democratica", die für eine soziale Erneuerung auf christlich-sozialen Grundlagen eintrat. Ihr führender Vertreter wurde der spätere Ministerpräsident linker Zentrumsregierungen Aldo Moro. Zu ihr zählte auch der Chemieunternehmer Enrico Mattei, nach 1945 Präsident der staatlichen Energiegesellschaft ENI. Mattei, der eine christdemokratische Partisanenbrigade kommandierte, gehörte zu den führenden katholischen Antifaschisten.(43) Auf diese Kräfte und Beziehungen setzte Togliatti und versuchte, von dieser Kräftekonstellation ausgehend, die Zusammenarbeit mit der DC zu vertiefen und zu einer Übereinkunft ähnlich dem Aktionseinheitsabkommen mit den Sozialisten zu kommen.(44) Gleichzeitig unterstützte die IKP im CLN die Berufung des Ministers Carlo Sforza zum neuen Regierungschef. Der aus einem alten Adelsgeschlecht kommende Graf war 1920/21 in der Regierung des Liberalen Giovanni Giolitti, einer der letzten vor Mussolinis Machtergreifung, Außenminister gewesen. Nach dem Sturz des "Duce" kehrte er 1943 aus der Emigration nach Italien zurück, schloss sich der Resistenza an und trat im April 1944 als Unabhängiger Politiker in die Regierung Badoglio ein. Die Berufung Sforzas scheiterte am Einspruch Churchills in der Allied Controll Commission. Sforza trat 1946 der Republikanischen Partei bei, wurde nach dem Ausschluss von IKP und ISP aus der Regierung 1947 unter De Gasperi Außenminister und 1949 ein entschiedener Vertreter des NATO-Beitritts Italiens.

Äußerst problematisch war das während der Regierungskrise am 7. Dezember von General Maitland Wilson als Vertreter der Alliierten und einer Abordnung des CLN unterzeichnete "Römische Protokoll", mit dem offizielle Beziehungen zwischen dem Generalkommando aller Partisanen und dem angloamerikanischem Kommando hergestellt wurden.(45) Kurz vorher hatten die Linken gerade erlebt, wie die USA versuchten, ihre Positionen im CLN zu schwächen und die verschiedenen Strömungen der antifaschistischen Einheitsfront zu spalten. Im November 1944 hatte der angloamerikanische Oberkommandierende in Italien, General Harold Alexander, die Partisanenverbände in einer Rundfunkbotschaft aufgefordert, die offensiven Kampfhandlungen einzustellen und die festen Verbände und Standorte aufzulösen, was einer Selbstliquidierung der gut organisierten Partisanenarmee gleichgekommen wäre.(46) Die italienische Historikerin Sophie G. Alf schrieb: "Diese Rundfunkbotschaft, die auch von den Deutschen abgehört werden konnte, brachte die Widerstandsbewegung in große Gefahr. Das lag wahrscheinlich durchaus in der Absicht der Alliierten, die gemäß der Logik: 'in that way, let them kill as many as possible' die Dezimierung der fortschrittlichsten Antifaschisten in ihre Rechnung einbezogen." Denn, so Alf weiter, "der Stillstand der Front entlang der "gotischen Linie" (zwischen Pisa und Rimini quer durch Mittelitalien) und die nachlassenden Kampfanstrengungen der Alliierten setzten die italienischen Partisanen in verstärktem Maße dem Terror und der Repression der Deutschen aus, die auch die Zivilbevölkerung nicht verschonten."(47)

Ein wichtiges und für das CLN und das Partisanenkommando positives Ergebnis des "Römischen Protokolls" bestand in der Anerkennung des Befreiungskomitee für Norditalien als Organ der Regierung mit allen entsprechenden Vollmachten. Das bildete die Grundlage dafür, dass dann in den im Ergebnis des bewaffneten Aufstands befreiten Städten Norditaliens CLNAI-Komitees sofort als Regierungsorgane aktiv werden konnten, das CLNAI zum Beispiel das Kriegsrecht ausrufen und seine Tribunale Urteile gegen Faschisten, darunter Mussolini, verhängen konnte, die es auch vollstreckte. Der Preis, dafür war hoch und er begrenzte das Wirken der CLNAI-Komitees als Regierungsorgane auf wenige Monate, oft auch nur Wochen.

Denn in dem Protokoll verpflichtete sich das Generalkommando, "sämtliche Weisungen des Oberkommandierenden der alliierten Streitkräfte in Italien auszuführen" und an seine Spitze einen akzeptablen Offizier" zu stellen.(48) Das CLNAI verpflichtete sich, in den von den Partisanen besetzten Gebieten "sämtliche provisorisch übernommene Autorität und Gewalt" nach dem Einrücken der alliierten Truppen deren Militärregierung (Allied Military Government of Occupied Territory) zu übertragen und nach Abzug der Deutschen alle bewaffneten Einheiten direkt dem alliierten Kommando zu unterstellen sowie jegliche Weisungen, einschließlich solcher "zur Auflösung oder Übergabe der Waffen" auszuführen.(49) Das vom Alliierten Kommando als "Top Secret" eingestufte Protokoll wurde auch von der IKP so gehandhabt. Es tauchte in den Dokumenten der Partei zur Resistenza nie im Wortlaut auf. Lediglich der Aspekt der Aufnahme von Beziehungen zwischen beiden Seiten und die Anerkennung des CLNAI als Regierungsorgan wurde bekannt gemacht.

Als es auf der Sitzung des CLNAI am 12. Januar um die Zustimmung zum "Römischen Protokoll" ging, sprach sich als einziger Sandro Pertini (ISP) dagegen aus und nannte es "eine Unterwerfung des CLNAI unter die britische Politik". Er sicherte jedoch zu, diese Meinung nicht öffentlich zu vertreten.(50) Die IKP stimmte mit der Begründung zu, dass andernfalls es zu einer Spaltung des CLN als auch des CLNAI gekommen wäre, die sich auf die Partisanenarmee ausgewirkt und das Ende des Kampfes gegen die Hitlerwehrmacht verzögert hätte. Das CLNAI stimmte dem Protokoll schließlich auf der Grundlage eines Vorschlages von Giancarlo Pajetta zu, eine Demobilisierung nur unter der Bedingung durchzuführen, dass die Partisanen in "reguläre Streitkräfte" eingegliedert würden.(51) Äußerungen Longos ist zu entnehmen, dass die IKP darauf setzte, die Alliierten durch den bewaffneten Aufstand vor vollendete Tatsachen zu stellen und zu erreichen, dass die Partisanenverbände in ein Volksheer übernommen würden.(52)

IKP und ISP mögen sich bei ihrer Zustimmung auf ein Ereignis gestützt haben, das sich in Florenz zugetragen hatte. Die Stadt wurde am 11. August 1944 bereits vier Wochen vor dem Eintreffen der alliierten Truppen von Partisanen befreit. Das CLN setzte den Sozialisten Gaetano Pieraccini als Bürgermeister ein. Nachdem die Alliierten eingetroffen waren, empfing er sie in seinem Amtssitz im Palazzo Veechio. Als sie ihn ablösen und einen von ihnen ernannten Bürgermeister einsetzen wollten, entgegnete er: "In diesen Palast bin ich eingezogen, als die Deutschen vor der Tür standen; aus diesem Palast werdet ihr mich nur mit Bajonetten verjagen." Die Alliierten gaben nach.(53)

Nach der Unterzeichnung des "Römischen Protokoll" akzeptierte die IKP gegen den Einspruch von ISP und PdA im CLN die erneute Berufung Bonomis. In der am 12. Dezember gebildeten Regierung übernahm er gleichzeitig das für die politische Entwicklung wichtige Innenministerium. IKP und DC besetzten die neu eingeführten Funktionen eines stellvertretenden Ministerpräsidenten. Sozialisten und Aktionisten lehnten einen Beitritt ab. Sie verblieben jedoch im CLN. Im Juni 1945 kehrten sie in die Regierung unter Ferrucio Parri zurück. Die grundlegenden Entscheidungen über die Nachkriegsordnung blieben im Ergebnis der Beilegung der Regierungskrise ungelöst.(54)

Während der Regierungskrise nahm die IKP Abstriche an ihrer politischen Zielstellung (Verzicht auf den Begriff der Volksdemokratie) vor. Sie erklärte, dass wir "heute nicht für eine Diktatur des Proletariats kämpfen, sondern für eine progressive Demokratie, die sich von jener nicht so sehr in ihrer demokratischen Substanz unterscheidet als vielmehr in ihrem sozialen Gehalt". Sie beseitige nicht "radikal das Prinzip der kapitalistischen Ausbeutung", garantiere "den individuellen Besitz der Bauern, den Privatbesitz der Bürger, ihre Arbeitseinkünfte, ihre Ersparnisse und Güter einschließlich des Rechts auf Vererbung".(55) Das sollte den unter den Mittelschichten verbreiteten Ansichten, dass im Sozialismus alles "kollektiviert" werde, entgegenwirken. Bei richtiger Orientierung auf eine antifaschistisch-demokratische Umwälzung, in der es nicht um die Errichtung einer Diktatur des Proletariats ging, fehlte ein Bekenntnis zur sozialistischen Perspektive, wie es im 1937 erneuerten Aktionseinheitsabkommen festgelegt worden war. Den von den Linken im CLNAI erörterten Gedanken einer Volksregierung, in der "Arbeiter, Bauern, Handwerker, die ganze Klasse des Volkes entscheidendes Gewicht haben müssten", verfolgte die Partei nicht weiter.(56) Auf dem vom 29. Dezember 1945 bis zum 6. Januar 1946 tagenden V. Parteitag, der die nach dem Sieg über den Faschismus einzuschlagende Strategie beriet, gibt es sowohl im Bericht Togliattis als auch in der angenommenen Resolution (Unter dem Banner der Demokratie) kein Bekenntnis zur sozialistischen Perspektive.(57)

Die führenden Kapitalkreise und das Königshaus lehnten bereits die Forderungen der IKP nach einer sofortigen Währungsreform, einer progressiven Besteuerung der Vermögen und eine außerordentliche Besteuerung der Kriegsgewinne, die noch keine Beschneidung der Macht der Monopole darstellten, entschieden ab. Innerhalb der antifaschistischen Einheitsfront begann die Umgruppierung der Klassenkräfte. Aus einem Teil der Verbündeten im Kampf gegen Hitlerdeutschland und seine italienischen Handlanger - das waren vor allem großbürgerliche Kreise, Großagrarier und Monarchisten - wurden in der neuen Etappe Gegner. Sie suchten von Anfang an die Unterstützung der US-amerikanischen Besatzungsmacht.

Die DC, nunmehr führende Partei der Großbourgeoisie, und die Liberalen forderten bereits im Mai 1945 von der alliierten Besatzungsmacht als wichtigsten Schritt, um dem Vorgehen der IKP und ISP entgegenzutreten, die Entwaffnung der Partisanenarmee.(58) Die Forderung bezweckte, den örtlichen und regionalen Befreiungskomitees, welche in Norditalien die faktischen Machtorgane bildeten, ihre wichtigste Stütze zu nehmen. Die revolutionären Machtorgane hatten während der Resistenza bereits beträchtliche Erfahrungen gesammelt. In den Westalpen und den Nordapenninen waren schon im Frühjahr 1944 zwei Partisanenrepubliken und danach zeitweise 15 befreite Gebiete entstanden, in denen die örtlichen Befreiungskomitees die Macht ausübten und antifaschistisch- demokratische Umgestaltungen einleiteten. Im CLN hatten die Linken dazu den Grundsatz durchgesetzt, dass seine Verwaltungen "eine Vorform der Regierung von morgen" darstellen, unter der es "kein reaktionäres Regime und keine lahme Demokratie geben" dürfe, sondern das "politische, soziale und ökonomische System echt, effektiv und demokratisch sein" müsse.(59) Den nachhaltigen Einfluss der Partisanen demonstrierte im Mai 1945 ein Kongress der regionalen Organe des CLN des Nordens, auf dem die teilnehmenden Partisanenkommandeure mit stürmischem, lang anhaltendem Beifall begrüßt wurden. "Pietro Secchia, betonte, dass die entscheidenden legislativen Machtorgane bis zur Einberufung der Verfassungsgebenden Versammlung das CLN und seine Organe sein müssten.(60) Die Tagung schloss sich dieser Forderung an. Die IKP-Führung unternahm nichts, um diesen Grundsatz zu wahren.

Um den Fortbestand der Regierung zu sichern, machte sie immer neue Zugeständnisse: Sie stimmte der Entwaffnung und Auflösung aller Partisanenverbände zu; ebenso der Amtsenthebung der örtlichen Befreiungskomitees, die Regierungsorgane waren. Das bedeutete, dass die eingeleiteten revolutionär-demokratischen Prozesse gestoppt und generell rückgängig gemacht wurden. Von den Argumenten, mit denen die Zustimmung zum "Römischen Protokoll" im Dezember 1944 begründet worden war, nämlich die Alliierten vor vollende Tatsachen zu stellen und die Übernahme der Partisanenverbände in ein Volksheer durchzusetzen, war keine Rede mehr. Die IKP unternahm keine entsprechenden Initiativen, auch nicht in der Regierung unter Ferrucio Parri.(61)


5. Die Entwaffnung der Partisanen

Zu einem traumatischen Kapitel gestaltete sich die Entwaffnung der Partisanenverbände. Die Militärregierung reagierte auf die Missachtung ihrer Forderungen (bewaffneter Aufstand, Offensive der Partisanenarmee und Gefangennahme von Wehrmachtsverbänden, Hinrichtung Mussolinis) mit rigorosen Verboten. Die im Ergebnis des bewaffneten Aufstandes befreiten Gebiete trennte sie durch eine militärische Sperrlinie vom übrigen Territorium ab und untersagte jede Kommunikation mit den dortigen CLNAI-Leitungen. Vertreter des CLN und CLNAI, der Parteiführungen, noch nicht einmal die Minister der Regierung durften diesen Cordon Sanitaire bis zum 14. Mai passieren. Auch danach war es untersagt, politische Versammlungen abzuhalten oder vor den Arbeitern der Fabriken zu sprechen. Als Pietro Nenni sich nicht an dieses Verbot hielt und vor Arbeitern in Vercelli sprach, wurde er kurzzeitig verhaftet, nach energischen Protesten freigelassen.(62)

Am 17. Mai begab sich Togliatti nach Mailand. Giorgio Bocca hielt fest: "Er wird von einer Stadt in roten Farben empfangen, in der bewaffnete Partisanen noch immer die Fabriken und Kasernen besetzt halten." Am nächsten Tag ersuchte der IKP-Führer das amerikanische Kommando um Redeerlaubnis, die ihm verweigert wird. Er durfte sich nur am Fenster des Parteisitzes zeigen und der riesigen Menge zuwinken, die sich auf dem Platz versammelt hatte. Im Gegensatz zu Nenni hielt sich Togliatti an das Redeverbot und sagte nur einen Satz: "Wir verstehen uns ohnehin, auch ohne zu sprechen."(63) Am 19. Mai sprach Togliatti dann in einer geschlossenen Versammlung des Mailänder Partei-Sekretariats. Er erklärt, dass die Aufgabe der nationalen Befreiung im wesentlichen, aber noch nicht vollständig erfüllt sei, weil das Land noch nicht seine volle Unabhängigkeit habe. Es sei eine neue Etappe des Kampfes angebrochen, deren Aufgaben ein Kongress der Partei festlegen werde. Folgt man diesen Ausführungen, dann besaß die Partei kein Programm über die nach dem Sieg über den Faschismus in Angriff zu nehmenden revolutionär-demokratischen Aufgaben. Der angesprochene 5. Parteitag fand erst vom 29. Dezember 1945 bis 5. Januar 1946 statt, als die Würfel zu den anstehenden brennenden Fragen bereits gefallen waren. Da die Mehrheit der Anwesenden aus Partisanen bestand, ging Togliatti auf die Erkämpfung einer "progressiven Demokratie" ein, die seiner Meinung nach "ein demokratisches Regime sein müsse, das Maßnahmen sozialistischen Charakters verwirklicht."(64)

Die Entwaffnung der Partisanen, die viele ihrer Waffen von den Deutschen im Kampf erbeutet hatten, war ein vor allem die linke Resistenza demütigender Vorgang. Die alliierten Militärbehörden versuchten deshalb, sie in feierliche Veranstaltungen mit Paraden zu kleiden, bei denen der Kampf der Partisanen an der Seite der Alliierten gewürdigt und den Formationen Dankschreiben und Urkunden überreicht wurden. Obwohl die IKP-Führung die Waffenabgabe wiederholt empfahl, kamen ihr vor allem viele Angehörige ihrer Garibaldi-Brigaden nicht nach. In zahlreichen Fällen wurden Partisanen daraufhin in Lager eingewiesen, wo sie sich mit ihren Waffen zur Ablieferung einfinden mussten. Viele Partisanen gaben nur Handfeuerwaffen und ältere Modelle ab. Der US-amerikanische Historiker Charles Delzell, der als Angehöriger der US-Armee nach Italien kam, schätzte ein, dass gut 40 Prozent des Bestandes, darunter vor allem leichte und mittelschwere Waffen, dem Zugriff der Alliierten entzogen wurden.(65) Sie verschwanden in Verstecken, wo sie gut geölt oft jahrzehntelang aufbewahrt wurden. Unter Pietro Secchia, Leiter der Organisationsabteilung der Partei, besaß die IKP noch lange Zeit einen illegalen Apparat, der auch über Waffenlager verfügte.(66) Das zeigte sich, als nach dem Attentat auf Togliatti im Juli 1948 Zehntausende Partisanen ihre Waffen aus Verstecken holten und zum bewaffneten Aufstand übergehen wollten.


6. Verhängnisvolle Entscheidungen

Im Juni 1945 fügte sich Togliatti als Justizminister der Forderung nach Auflösung des "Hohen Kommissariats zur Verfolgung der Regimeverbrecher" und einer folgenden so genannten Amnestie der "nationalen Versöhnung". Mit dem Amnestiegesetz fanden die sowieso schon begrenzten Säuberungen im öffentlichen Dienst ein überstürztes Ende. Von etwa 20.000 bis 30.000 von ordentlichen Gerichten durchgeführten oder eingeleiteten Verfahren wurden die meisten eingestellt, über 11.000 bereits ergangene Urteile aufgehoben oder Begnadigungen gewährt. Zu den Freigelassenen gehörte beispielsweise der Chef der berüchtigten 10. Torpedoboot-Flotille, Fürst Valerio Borghese, der wegen wenigstens 800-fachen Mordes als Kriegsverbrecher verurteilt worden war. Gegenüber den kleinen Parteigängern des Mussoliniregimes war eine "nationale Versöhnung" gerechtfertigt, wenn aber an den von der IKP in Rom und anderen Städten dazu veranstalteten Kundgebungen höchste Amtsträger des Faschismus, wie der ehemalige Minister der Salo-Republik Ezio Maria Gray, teilnahmen, verunsicherte das nicht nur die Basis der IKP, sondern die zur Resistenza stehenden Kräfte insgesamt. Denn Gray blieb wie viele Faschisten der ersten Garnitur unbelehrbar und trat der MSI sofort nach ihrer Gründung bei. Dabei hatte der Erlass festgelegt, dass Faschisten, die "wichtige öffentliche, politische oder militärische Führungsfunktionen" innegehabt hatten, von der Amnestie auszuschließen waren. Nach den Prozessakten jener Jahre, schrieb der kommunistische Jurist und Verfolgte des Faschismus Alberto Malagugini, "hat jedoch kein Faschist je wichtige politische oder öffentliche Funktionen ausgeübt", selbst die Minister der "Sozialen Republik" nicht."(67)

Befürchtungen in dieser Hinsicht dürften wohl eine Rolle gespielt haben, wenn Tribunale der Befreiungskomitees und Standgerichte der Partisanen mit vielen Faschisten, derer sie habhaft werden konnten, "kurzen Prozess" machten.(68) Die Urteile beruhten generell auf den erlassenen Justizdekreten des CLNAI und wurden unter den Bedingungen des Kriegsrechts bzw. des bei Beginn des bewaffneten Aufstandes verkündeten Ausnahmezustandes vollstreckt, nachdem vorher die Faschisten zur bedingungslosen Kapitulation aufgefordert worden waren. Dabei kam es auch zu "Abrechnungen", ohne Urteile. Während der weitgehend intakt gebliebene faschistische Justizapparat die eigenen Gesinnungsgenossen von ihren Verbrechen freisprach oder außerordentliche Milde walten ließ, zerrte er bereits unmittelbar nach Kriegsende Antifaschisten und Partisanen vor Gericht und verurteilte sie wegen "Übergriffen" zu langjährigen Haftstrafen. Der Amnestieerlass sollte auch solchen verurteilten Teilnehmern der Resistenza den Straferlass bringen, was aber den Wenigsten zugute kam. Viele saßen noch jahrelang in den Gefängnissen.(69) An der Basis gab es immer wieder Klagen, dass die Partei ihre einflussreichen Beziehungen in den gesellschaftlichen Strukturen nicht nutze, um diesen Genossen zu helfen.

Mit seiner Zustimmung machte Togliatti seine vorangegangene konsequente Arbeit zur Einleitung einer Säuberung der faschistischen Justiz teilweise zunichte. Gegen den Widerstand der Liberalen und rechter DC-Kreise hatte er die leitenden faschistischen Beamten seines Ministeriums entlassen, ebenso die Gerichte und Strafanstalten von diesen gesäubert.(70)

Togliattis Zustimmung zur Auflösung des Hohen Kommissariats und zur Versöhnungsamnestie begünstigte im August 1945 die Bildung der faschistischen Sammlungs-Bewegung Uomo Qualunque (Jedermann), und die aus ihr im Dezember 1946 hervorgehende Wiedergründung der Mussolinipartei in Gestalt der Sozialbewegung (Movimento Sociale Italieno). Uòmo Qualunque war bereits im Dezember 1944 unter der amerikanischen Besatzungsherrschaft in Neapel angesichts der sich abzeichnenden Niederlage des Faschismus von dem reaktionären Bühnenautor der Salò-Republik Gugliemo Giannini als sich vom Faschismus unabhängig tarnende Organisation und Zeitung gegründet worden. Der Altfaschist Pino Romualdi, ein unehelicher Sohn Mussolinis, schrieb später, dass "Uomo Qualunque, dessen Aktionen zum größten Teil von unseren Leuten unterstützt wurden, und oft auch unter ihrer direkten Teilnahme und Anleitung stattfanden, die Vorbereitung unserer wirklichen Partei, in welche die Kräfte von Uomo Qualunque dann eingingen, deckte."(71) Dass die IKP nicht entschieden genug gegen Uomo Qulunque vorging, um ihr Verbot durchzusetzen, lässt nur den Schluss zu, dass dessen Charakter als Sammelbecken der Mussolinifaschisten nicht erkannt wurde.

Die IKP fand sich damit ab, der Verfassungsgebenden Versammlung keine Gesetzesvollmachten zu übertragen, sondern diese bei der Regierung zu belassen. Die DC hatte gedroht, anderenfalls das Referendum über die Staatsform zu verschieben, was die Chancen hätte verringen können, die Monarchie zu beseitigen. Als De Gasperi dann Kommunisten und Sozialisten im Mai 1947 aus der Regierung vertrieb, konnte die DC mit ihren Verbündeten auf Gesetzesebene schalten und walten, wie sie wollte. In der Konstituante stimmte die IKP für die Sanktionierung der unter dem Mussoliniregime geschlossenen Lateranverträge, was das neue Bündnis von Staat und Kirche förderte und die Positionen des reaktionären Klerus und der DC-Rechten stärkte. Togliatti habe gehofft, "zehn, zwanzig Jahre der Zusammenarbeit mit der Democrazia Cristiana zu retten", notierte Nenni in seinen Tagebüchern.(72) Togliatti hatte auch hier einer Erpressung De Gasperis nachgegeben, der gedroht hatte, im Falle einer Ablehnung der IKP, deren Stimmen für die Annahme gebraucht wurden, eine neues Referendum über die Republik einzuberufen. Auch diesmal machte Togliatti die Machenschaften nicht publik, um die Volksmassen dagegen zu mobilisieren, sondern begründete seine Haltung, das Land brauche "den religiösen Frieden". Als das mit dem Stimmen der IKP zustande gekommene Abstimmungsergebnis öffentlich bekannt gegeben wurde, schrieen die anwesenden Sozialisten "Verrat".(73)

Die katholische Kirche nutzte ihre so gestärkten Positionen zu einem beispiellosen antikommunistischen Kreuzzug gegen Kommunisten und Sozialisten, um der DC bei den Parlamentswahlen 1948 zu einem triumphierenden Wahlsieg von 48,5 Prozent (über ein Drittel mehr als 1946) zu verhelfen. Die Entscheidungen Togliattis verstießen auch eindeutig gegen seine Ausführungen im Bericht an den 5. Parteitag im Dezember 1945, in dem er erklärt hatte, die Aufrechterhaltung der engen Beziehungen mit den Bündnispartnern könnte keine Aufgabe fundamentaler Ziele bedeuten.

Togliatti hatte bei der Konzipierung der Politik der IKP große theoretische Leistungen vollbracht. An Gramsci anknüpfend arbeitete er bei der Charakterisierung des Faschismus dessen hemmungslose soziale Demagogie und den blutigen Terror zur Zerschlagung der revolutionären Arbeiterbewegung und zur Ausschaltung aller politischen Gegner heraus.(74) Zur politischen Dimension des Faschismus schätzte er ein, dass er der Bourgeoisie eine reaktionäre Massenpartei schuf, über die sie vorher nie verfügte. Bereits 1928 auf dem VI. Weltkongress der KI führt er aus, dass der Faschismus nicht nur die Diktatur einer Handvoll Monopolisten und des Finanzkapitals ist, sondern ein reaktionäres Regime, dem es gelang, sich den Konsens der Massen zu sichern. Georg Lukas schätzte ihn als "eine der bedeutendsten taktischen Begabungen, welche die Arbeiterbewegung hervorgebracht hat", ein.(75) Die Ausarbeitung des Konzepts der Bildung einer antifaschistischen Einheitsregierung im April 1944 ("Wende von Salerno") war eine große theoretische Leistung, die aber auch nachhaltig seine weitere Haltung zu den großbürgerlichen Kräften im Rahmen der Bündnispolitik prägte. Aus den Entscheidungen, die er in der unmittelbaren Nachkriegsperiode traf, lässt sich nur schlussfolgern, dass seine früheren Einschätzungen zum Faschismus und seinen Grundlagen im System des Industrie- und Finanzkapitals in den Hintergrund traten und er sie nicht entsprechend berücksichtigte.

Bei der Fortsetzung der antifaschistischen Einheit in der Regierung hatte Togliatti zweifelsohne große Hoffnungen in De Gasperi gesetzt. Wie Domenico Losurdo schrieb, hob dieser in seiner Haltung zur UdSSR wohl die Opfer an Menschenleben hervor, drückte sich aber dennoch grundsätzlich positiv über das "große ökonomische Unternehmen" der Kollektivierung der Landwirtschaft und der Industrialisierung aus, die sich angesichts der in "Mein Kampf" aufgezeigten Bedrohung" als notwendig erwiesen habe. Zu den Moskauer Prozessen unterstrich er unter Berufung auf "objektive amerikanische Informationen" die Glaubwürdigkeit der Anklage. Im Juli 1944 würdigte er die heroischen Taten der Roten Armee im Kampf gegen die Hitlerwehrmacht als "das unvergessliche historische, Jahrhunderte lange Verdienst der von Josef Stalin organisierten Heere".(76) Wie Bocca schrieb, sei das Verhältnis zwischen Togliatti und De Gasperi während der Resistenza "besonders gut gewesen" und habe "auf gegenseitiger Wertschätzung beruht".(77)

Natürlich musste sich auch die IKP im antifaschistischen Widerstand um ein gutes Einvernehmen mit den westlichen Alliierten bemühen. Dabei versuchte die IKP der gängigen Meinung entgegenzuwirken, sie betrachte nur die UdSSR als ihren Bündnispartner im antifaschistischen Kampf. Bereits im Dezember 1942 hieß es in einem Rundschreiben des Sekretariats der Partei, dass Engländer, Amerikaner und Sowjets "in diesem Kampf wertvolle Bundesgenossen sein" würden.(78) Auch die relativ flexible Haltung Roosevelts und eines Teils seiner Administration gegenüber der Sowjetunion weckte gewisse Illusionen. Die Regierungen unter Roosevelt hatten seit der Weltwirtschaftskrise und parallel zum New-Deal eine Änderung ihrer Haltung gegenüber der UdSSR gesucht und den Antikommunismus in etwas gemäßigterer Form praktiziert.(79)

Die Beschlüsse der Außenministerkonferenz in Moskau im Herbst 1943, die das Recht des italienischen Volkes, "sich eine eigene Regierungsform zu geben", fixierten, weckten ebenfalls die Hoffnung, dass das die Kräfte einschließen würde, die dem Faschismus von Anfang an am entschiedensten Widerstand geleistet hatten.(80) Die IKP fühlte sich weiter durch Roosevelt bestärkt, als dieser im Gegensatz zu Churchill, nach dem Sturz Mussolinis einen Eintritt der CLN-Parteien in die Badoglio-Regierung und den Rücktritt des Königs befürwortete.

Dass die günstige Ausgangssituation im Frühjahr/Sommer 1945 nicht genutzt wurde, gestaltete sich zu einer sich lange Zeit auswirkenden Belastung der Basisarbeit der IKP und wurde zu einem Faktor, der schließlich ab den 1970er und 80er Jahren zum Nachlassen der Kampfkraft der Partei und zu ihrem Untergang beitrug. Das betraf schon nicht mehr nur die Teilnehmer an der Resistenza selbst, sondern mehr noch ihre Kinder.

Toglatti räumte im Oktober 1946 auf einer Organisationskonferenz in Florenz ein, dass es "keine Mobilisierung der Partei" gegeben" habe und es bei der schwierigen Arbeit in der Regierung sicher weniger Kompromisse gegeben hätte, wenn "von der Basis" her Druck ausgeübt worden wäre. Die nach dem Sieg der Resistenza vorhandene günstige Ausgangssituation sei "im Grunde genommen nicht genutzt" worden. Der Bericht wurde parteiintern gehandhabt und nicht publik gemacht. Erst 1972 wurde er in der theoretischen Zeitschrift der Partei Rinascita veröffentlicht.(81)

Luigi Longo, seit 1946 Stellvertreter Togliattis, hatte frühzeitig und bedeutend kritischer vor zu weit gehenden Kompromissen gewarnt und gefordert, die außerparlamentarische Kraft und die Mobilisierungsfähigkeit der Partei nicht zu vernachlässigen.(82) Del Bocca gibt Longo und Secchia wieder, die schon immer Sommer 1945 intern geäußert hätten, der linke Flügel sei von Togliatti und seiner Führung "betrogen worden".(83) Pietro Secchia und Filippo Frassati sprachen in ihrer "Geschichte der Resistenza" von einer "fehlenden Revolution" und dem "Kontrast zwischen den Idealen der Resistenza und den verfolgten demokratischen Zielen".(84) Sicher ist in diesem Kontext auch zu sehen, dass Togliatti 1951 die Ablösung Secchias als Verantwortlicher für Organisationsfragen in der Leitung der IKP durchsetzte und an seine Stelle Giorgio Amendola trat, der später der revisionistischen Fraktion angehörte.(85)

Ende 1945 waren die Möglichkeiten, über die vormals antifaschistische Einheitsregierung Einfluss auf revolutionär-demokratische antifaschistische Veränderungen zu nehmen, stark eingeschränkt. Mit ihrem Rückzug aus dem Kabinett zwangen Liberale und Christdemokraten im Dezember 1945 den Aktionisten Ferrucio Parri zum Rücktritt als Regierungschef und setzten Alcide De Gaperri als Nachfolger durch. Kommunisten und Sozialisten fanden sich letzten Endes damit ab, da anderenfalls bereits zu diesem Zeitpunkt das Ende der Einheitsregierung eingetreten wäre. Die Regierungsachse verschob sich deutlich nach rechts. Der neue Regierungschef übernahm das Außenministerium, was zu einer ausschlaggebenden Bedingung für das Zusammenspiel der Rechtskräfte im Inneren mit denen der äußeren Reaktion, die an Stelle Großbritanniens die USA dominierten, wurde.


Schlusswort

Bei den Kommunalwahlen im März 1946 kam es zu einer politischen Bewährungsprobe, bei denen die Linken zwar keine Mehrheit erzielten, aber insgesamt gut abschnitten. Die Wahlen fanden in 5.722 von insgesamt 7.294 Städten und Gemeinden statt und stellten so einen nationalen Querschnitt dar. Die DC erreichte etwa 50 Prozent der Stimmen, während IKP und ISP auf 40 Prozent kamen. Die restlichen etwa zehn Prozent entfielen vor allem auf die Liberalen und die faschistische Uòmo Qualunque, die von der Besatzungsmacht ungehindert kandidieren konnte. Das Wahlergebnis der DC verdeutlichte, dass die Großbourgeoisie eine neue Massenpartei besaß, die in 2.534 Kommunen über eine parlamentarische Mehrheit verfügte, während IKP und ISP sie in 2.289 besaßen. In knapp einem Drittel (28 von 93) der Provinzhauptstädte stellte die IKP oder die ISP den Bürgermeister, darunter in Genua, Turin, Bologna und Florenz.

Zu einer harten Auseinandersetzung kam es danach zu der anstehenden Entscheidung über die Staatsform, in der es darum ging, die Monarchie als einen Träger der faschistischen Diktatur von 1922 bis 1943 zu beseitigen. De Gasperi setzte dazu ein Referendum an. Das stellte einen offenen Bruch des von der CLN-Regierung im Juni 1944 beschlossenen Dekrets dar, nachdem darüber die Verfassungsgebende Versammlung entscheiden sollte. Gegen die für den 2. Juni angesetzte Abstimmung begannen die Monarchisten, unterstützt von Faschisten und dem faschistenfreundlichen Papst Pius XII., eine wütende Hetze. Mit der Ausrufung des Prinzregenten zum König Umberto II. am 9. Mai wurde das im Juni 1944 geschlossene Abkommen über die Statthalterschaft gebrochen.(86)

Im Referendum erzielte die Resistenza mit 12.717.923 Stimmen für die Republik (54,3 Prozent) ihren letzten Sieg. Unter den 45,7 Prozent (10.719.284 Wähler) die für die Monarchie votierten, befanden sich viele Anhänger der DC. Auf ihrem Parteitag im April 1946 hatten sich nur 60 Prozent der Delegierten für die Republik ausgesprochen. Der Kongress hatte nun nicht etwa von den auch von der DC offiziell vertretenen antifaschistischen Positionen ausgehend appelliert, der Monarchie eine Niederlage zu bereiten, sondern es jedem Mitglied der Partei und ihren Anhängern freigestellt, nach "ihrem Gewissen" zu entscheiden. Den Linken hätte es eine Warnung sein müssen, wohin das Pendel dieses Bündnispartners nun ausschlug.

Bei den gleichzeitig stattfindenden Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung erreichte die DC 35,2, die ISP 20,7 und die IKP 18,9 Prozent. Die Aktionspartei, die im antifaschistischen Widerstand eine aktive Rolle gespielt hatte, erreichte nur 1,5 Prozent, ein Ausdruck dafür, dass sie keine parlamentarische Massenbasis gefunden hatte. Der wiederum zur Wahl zugelassene Uòmo-Qualunque kam auf 5,3 Prozent, die Monarchisten auf 2,8. Die ISP hatte fast zwei Prozent mehr Stimmen als die IKP erreicht, was davon zeugte, dass die Kommunisten zwar in der Resistenza einen Masseneinfluss erreicht hatten, die Anziehungskraft der älteren Sozialistischen Partei unter klassischen bürgerlich-parlamentarischen Gesichtspunkten bei den Wählern noch stärker war. Erst 1953 sollte bei den Parlamentswahlen die Breitenarbeit der IKP mit 22,7 Prozent gegenüber 12,7 der ISP zum Tragen kommen. Wozu allerdings die Abspaltung der Sozialdemokraten Saragats, die 4,5 Prozent erhielten, beitrug.

Umberto weigerte sich, die Niederlage anzuerkennen. Monarchisten und Faschisten entfesselten im ganzen Land, vor allem aber im Süden, wo unter den zum Teil noch halbfeudalen Verhältnissen und des kaum von Faschisten gesäuberten Staatsapparates eine Mehrheit für das Königshaus gestimmt hatte, blutige Auseinandersetzungen. Sie wollten wegen angeblicher "Unregelmäßigkeiten" eine Annullierung der Referendumsergebnisse durchsetzen. Nunmehr organisierten Kommunisten und Sozialisten Massendemonstrationen für die Republik. Umberto räumte das Feld und floh ins faschistische Spanien, von wo aus er weiter gegen die Republik hetzte. Als die Königsfamilie und ihre Anhänger bei ihrer feindseligen Haltung gegenüber der Republik blieben, wurden sie des Landes verwiesen und in der Verfassung für die männlichen Savoyer ein Rückkehrverbot festgeschrieben.

Das Thema der 1945 ausgefallenen Revolution wird in dem Buch des Autors "Wie Italien unter die Räuber fiel"(87) fortgeschrieben und aufgezeigt, wie der auf dem parlamentarischen Weg durch eine kämpferische Basis erzielte enorme Einfluss allmählich verspielt wurde und weiter anhaltender politischer Opportunismus und faule Kompromisse dazu beitrugen, die reaktionäre Wende ab den 1990er Jahren zu ermöglichen, in deren Verlauf die faschistische Putschloge Propaganda due (P2) den Mediendiktator Berlusconi an die Macht hieven konnte. Die Folgen des von Berlusconi im Bündnis mit Faschisten und Rassisten in Gang gesetzten scharfen Demokratie- und Sozialabbaus halten bis heute an. Diesen Prozess wieder umzukehren ist sehr schwer und erfordert von der Linken, an ihrer Spitze den Kommunisten, große Anstrengungen und ein klares Bekenntnis zu kommunistischer Identität.


Anmerkungen

[1] Togliatti 1961, S. 81.

[2] Marx an Ludwig Kugelmann, in: MEW, Bd. 33, S. 209.

[3] Vorwort zur russischen Übersetzung der Briefe von K. Marx an L. Kugelmann, Werke, Bd. 12, S. 103.

[4] Die Revolution beseitigte die Fremdherrschaft der Habsburger, der Bourbonen und des Papstes, stellte den nationalen Einheitsstaat in Gestalt der konstitutionellen Monarchie her und damit die für die Entfaltung der kapitalistischen Produktivkräfte erforderlichen Produktionsverhältnisse und brachte die Bourgeoisie an die Macht. Nicht erfüllt wurde auf Grund des Kompromisses der Bourgeoisie mit den Latifundistas die Enteignung deren Besitzes.

[5] In diesem Jahr starben etwa Einhunderttausend Vietnamesen den Hungertod. Insgesamt wurden während der seit 1884 errichteten Kolonialherrschaft zwei Millionen Vietnamesen Opfer immer wiederkehrender Hungersnöte. Gerhard Feldbauer: Die nationale Befreiungsrevolution Vietnams, Pahl Rugenstein, Bonn 2007, S. 76 ff.

[6] Ho Chi Minh: 30 Jahre Kampf der Partei. In: Hoc Tap, H. 1/1960, S. 2. Siehe auch Feldbauer a. a. O.

[7] Ausf.: Feldbauer 2002, S. 48 ff.

[8] La Politica dei Comunisti, S. 204 ff., Per la Libertà, S. 90.

[9] Ausgaben 1944/45.

[10] Die Aktionspartei ging im Juni 1942 aus der 1929 gegründeten antifaschistischen Vereinigung Giustizia e Liberta hervor. Siehe Beitrag zur Aktionspartei in: jW, 27. Juni 2012.

[11] Secchia 1973, I Comunisti, S. 946 ff. Aus dieser klaren politischen Aussage ergab sich dann auch, dass mit der späteren Beseitigung der regionalen Befreiungskomitees einer progressiven Demokratie der Boden entzogen wurde.

[12] Longo 1971, S. 449 ff.

[13] Dirrheimer, S. 276.

[14] Diese Haltung Liberaler und DC-Vertreter entsprach dem von ihnen schon bei Beginn der Resistenza vertretenen Standpunkt des Attentisimo (Abwartens). Er besagte, auf einen organisierten Partisanenkampf zu verzichten und auf die Befreiung durch die Anglo-Amerikaner zu warten. Die Attentisten hatten sich damit jedoch nicht durchgesetzt.

[15] Smith/Agarossi, S. 239 ff.

[16] Longo/Secchia, S. 9.

[17] Audisio, bes. S. 212 ff., auch Grassi, S. 323 ff.

[18] So auch Hans Woller: "Die Abrechnung mit dem Faschismus in Italien". München 1996.

[19] Secchia/Frassati, Bd. II, S. 1016.

[20] Togliatti 1961, S. 81.

[21] Longo 1963, S. 285.

[22] Per la Libertà, S. 193.

[23] Longo: Per la Democrazia e la Costituente.

[24] Ricostruire, S. 94 ff.

[25] Il Comunismo italiano, S. 340.

[26] Togliatti 1972, S. 252.

[27] La nostra Lotta, Nr. 5, Dez. 1943.

[28] Hier fand wahrscheinlich auch die von der KPdSU ausgehende Orientierung für die Kommunistischen und Arbeiterparteien in den Ländern des späteren Ostblocks einen Niederschlag, wo sich, so beispielsweise in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands im April 1946 KPD und SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) vereinigten.

[29] La Politica dei Comunisti, S. 135 ff.

[30] Italienische Sozialdemokratische Partei (Partito Socialista Democratico Italiano). Nannte sich bis 1952 Partito Socialista dei Lavoratori Italiani.

[31] Stalin ging es, wie generell von westlicher Seite unterstellt, nicht um weltweite revolutionäre Ziele, sondern um die Sicherung des erreichten Einflussbereiches auf der Grundlage der Fortsetzung einer einvernehmlichen Zusammenarbeit mit den westlichen Alliierten. Siehe Falin, bes. S. 261 ff.

[32] La nostra Lotta, Nr. 10, Juni 1944.

[33] Ebd., Nr. 7/8, April 1944, auch Lepre, S. 98 f.

[34] Falin, passim.

[35] Valiani u. a., S. 395 ff.

[36] Secchia 1973, Il PCI e la Guerra, S. 173.

[37] Das hatte zur Folge, dass das CLN Valletta auf die Liste der faschistischen Kriegsverbrecher setzte. Vor der Festnahme durch ein Kommando der Partisanenarmee retteten ihn im April 1945 amerikanische Offiziere. Vallettas Stellvertreter Giancarlo Camerana war im Auftrag Agnellis bereits ein Jahr vorher in Bern mit dem Chef des Office of Strategic Services (Vorläufer der CIA), Allen Dulles, zusammengetroffen, um die Nachkriegsexistenz von FIAT zu regeln. Ferrera, S. 125

[38] Nach Angaben der britischen und US-amerikanischen Aufklärung wollte die Wehrmacht die erste amerikanische Armee vernichten, auf Antwerpen vorrücken, drei alliierte Armeen abschneiden und den Anglo-Amerikanern eine Niederlage ähnlich wie 1940 bei Dünkirchen bereiten. Politisch-strategisches Ziel war, die westlichen Alliierten separaten Kapitulationsverhandlungen gefügig zu machen, während der Krieg gegen die UdSSR weitergehen sollte.

[39] Gromyko, S. 673 ff.

[40] Erich Buchholz: Welthistorische Wende. Voraussetzungen und Entstehungsbedingungen des Potsdamer Abkommens. JW, 2. Aug. 2010.

[41] Nr. 5/6-1945.

[42] Valiani u. a., S. 163 ff.

[43] Mattei und Moro fielen als Exponenten einer Regierungszusammenarbeit mit den Kommunisten 1962 bzw. 1978 von der CIA inszenierten Mordanschlägen zum Opfer.

[44] Valiani u. a., S. 428 ff.

[45] Zur Delegation gehörten: Ferrucio Parri (PdA), Giancarlo Pajetta (IKP), Alfredo Pizzoni (DC) und Edgardo Sogno (Monarchisten). Ursprünglich wollte Wilson nur Pizzoni und Sogno empfangen. Als das CLN das ablehnte, gab er nach. Battaglia, S. 557.

[46] Ebd., S. 433.

[47] Alf, S. 50 ff.

[48] Hier wurde General Raffaele Cardorna vorgeschlagen und akzeptiert. Er hatte als Befehlshaber eines Armeekorps am 8. September 1943 Widerstand gegen die deutschen Truppen geleistet und dabei mit Luigi Longo und Freiwilligen zusammengewirkt. Er kehrte seine Funktion als Oberbefehlshaber der Partisanenarmee nicht hervor, arbeitete mit dem CLNAI zusammen und wurde als "Beauftragter der Regierung für Norditalien" bezeichnet. Battaglia/Garritano, S. 255.

[49] Wortlaut des Protokolls in: Grassi, S. 213 ff.

[50] Grassi, S. 223.

[51] Ebd., S. 49 f.

[52] Secchia 1973, I Comunisti, S. 669.

[53] Giorgio Spina: Alleati e Resistenza, in: Fascismo e Antifascismo, Bd. 2, S. 569.

[54] Pietro Nenni: Diario (Tagebuch), Bd. I (1943-1956), Mailand, 1956, S. 100 ff.

[55] Longo 1971, S. 262.

[56] Grassi, S. 18. Die Dokumente des CLNAI sind unter dem Titel "In Richtung einer Regierung des Volkes" 1977 im Feltrinelli-Verlag veröffentlicht worden. Das Vorwort dazu schrieb Guido Quazza, Anhänger der Aktionspartei, Partisanenkommandeur, nach Auflösung des PdA linker Sozialist.

[57] Cecchi, S. 15 bis 73.

[58] Ferrara, S. 71

[59] Per la Libertà, S. 91.

[60] Pietro Secchia: Gli Organi del Potere popolare, in: Longo 1971, S. 225.

[61] Cerquetti, S. 13.

[62] Piscitelli, S. 47.

[63] Bocca, S. 384 f.

[64] Secchia 1973, I Comunisti, S. 1054 ff.

[65] Delzell, S. 492 ff.

[66] Bocca, S. 387.

[67] Italia, S. 427.

[68] Der Kriegsminister Mussolinis in der RSI, Rodolfo Graziani, Teilnehmer am "Marsch auf Rom", befand sich mit dem "Duce" auf der Flucht in die Schweiz. Er verließ ihn unterwegs und stellte sich den Amerikanern. Zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt, wurde er bereits 1950 begnadigt.

[69] Genau Zahlen sind nicht zu finden. Auch die IKP machte dazu keine Angaben.

[70] Due Anni di Lotta dei Comunisti italiani. Gramsi-Institut, Rom o. J., S. 69.

[71] Die MSI-Zeitschrift Italiano, Nr. 2/1972. Ausf. Feldbauer 1996, S. 26 ff.

[72] Nenni 1981, S. 349.

[73] Vespa, S. 57 f.

[74] Togliatti 1973, S. 22 ff.

[75] Zit. in: Theo Pinkus, Gespräche mit Georg Lukas, Hamburg 1967, S. 71.

[76] "Scheitern", "Verrat", "Lernprozess", in: Zur Hypothek des kommunistischen Erbes. In: Pankower Vorträge, Heft 47, Berlin 2003, S. 41 f. Zu de Gasperi siehe Di Nolfo, passim, bes. S. 193 ff.

[77] Bocca, S. 445 ff.

[78] Ernesto Ragionieri: Il PCI, in: Leo Valiani u. a. , S. 312.

[79] Jakowlew, S. 162 ff. Wegen dieses moderaten Kurses versuchten 1934 "Wirtschaftsbosse und Spekulanten, den Präsidenten zu stürzen". Hermann Ploppa: Des Präsidenten General. JW, 22./23. Jan. 2005.

[80] Degli Spinosa, E.: Il Regno del Sud, Rom 1946, S. 169 f.

[81] Togliatti: Rede auf der Organisationskonferenz in Florenz, 5. bis 6. Oktober 1946, Rinascita, Nr. 33/1972.

[82] Togliatti 1962, S. 101 ff., Rinascita, Nr. 33/1972.

[83] Bocca, S. 386.

[84] Secchia/Frassati, Bd. I, S. XIV.

[85] Den Hintergrund bildet, dass Stalin Togliatti als Vorsitzenden der Cominform nach Moskau holen wollte. Was dieser aber ablehnte. Als Nachfolger Toglattis galt Secchia. Pensiero/Dibattito teoretico/Relazione Initiative su Pietro Secchia, www.resistenze.org.

[86] Nach der Einnahme Roms durch die alliierten Truppen im Juni 1944 hatte das CLN die Abdankung des Königs und Badoglios als Ministerpräsident durchgesetzt. Bis zur Entscheidung über die Staatsform wurde dem Monarchen zugestanden, Kronprinz Umberto als Statthalter einzusetzen, was keine Inthronisierung darstellte. Dem Statthalter wurden auch nicht die Rechte des Staatschefs zuerkannt. So wurde der Regierungschefs vom CLN berufen.

[87] Feldbauer 2012.

[88] Weiter anwesend waren u.a.: Badoglio, die Mitglieder des faschistischen Großrates Achille Grandi und Giovanni Gronchi und der Schwiegersohn Mussolinis, Graf Ciano. Feldbauer 2002, S. 46 f.

[89] Im Januar 1918 gegründet, um dem politischen Katholizismus im Parteiensystem zu verankern. Nach Mussolinis Machtergreifung zunächst in dessen Regierung, verließ sie diese 1923. 1926 löste sie sich unter dem Druck des Vatikans auf.

[90] Berlin/DDR.


Anhang
Häufig verwendete Abkürzungen und Begriffe

JW, junge Welt

CGIL, Confederazione Generale Italiana del Lavoro

CIAS, CIA, Central Intelligence Agency, Auslandsgeheimdienst der USA

CLN, Comitato di Liberazione Nazionale, Nationales Befreiungskomitee

CLNA, Comitato di Liberazione Nazionale Alto Italia, Nationales Befreiungskomitee für Norditalien

DC, Dermocrazia Cristiana

IKP, Italienische Kommunistische Partei (PCI)

ISP, Italienische Sozialistische Partei (PSI)

KPV, Kommunistische Partei Vietnams

MSI, Movimento Socitale Italiano

OSS, Office of Strategic Services, Vorläufer der CIA

PdA Partito di Azione

Resistenza, Etappe des bewaffneten Kampfes gegen das Besatzungsregime der Hitlerwehrmacht

RSI, Repùbblica Sociale Italiano, kurz Salò-Republik

Römisches Protokoll, Abkommen über die Aufnahme offizieller Beziehungen zwischen dem Generalkommando der Partisanen und dem Alliierten Kommando in Italien


Biografien, Statistiken, Organisationen

Antonio Gramsci: 1891-1937. Seit 1913 Mitglied der Italienischen Sozialistischen Partei (ISP), 1914 Organisator des Antikriegsaufstandes in Turin. 1919 mit Palmiro Togliatti, Angelo Tasca und Umberto Terracini Begründer der kommunistischen Zeitschrift "Ordine Nuovo", die den Weg zur IKP-Gründung bereitete. 1922/23 Vertreter der IKP bei der Kommunistischen Internationale (KI). Lange vor deren VII. Weltkongress erarbeitete er in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre als Erster Grundsätze einer Analyse des Faschismus und die für seinen Sturz erforderliche breite nationale Bündniskonzeption, die der Parteitag von Lyon 1926 bestätigte, der ihn zugleich zum Generalsekretär wählte. Trotz Immunität als Parlamentsabgeordneter im gleichen Jahr verhaftet und vom faschistischen Sondertribunal zu 20 Jahren Kerker verurteilt. In der Haft weiterhin konspirativ an der Ausarbeitung der nationalen Strategie (Gefängnishefte) beteiligt. 1937 nach internationalen Protesten todkrank entlassen, verstarb er am 27. April des gleichen Jahres an den Folgen der Kerkerhaft.

Alcide De Gasperi: 1891-1954. Nahm als Christdemokrat aktiv am antifaschistischen Widerstand, teil, wurde zu mehrjähriger Kerkerhaft verurteilt, nach deren Verbüßung er im Schutz des vatikanischen Exils in der Opposition weiter aktiv blieb. Im Oktober 1942 gehörte er zu den Teilnehmern der Zusammenkunft in der Mailänder Wohnung des Schwerindustriellen Enrico Falck, König der italienischen Eisen- und Stahlindustrie, die über ein Ausscheiden Italiens aus der faschistischen Achse berieten.(88) An der Spitze oppositioneller Katholiken der verbotenen Volkspartei(89) leitete De Gasperi 1943 noch vor dem Sturz Mussolinis deren Wiedergründung in Gestalt der Democrazia Cristiana. Verjagte auf Geheiß der USA 1947 Kommunisten und Sozialisten aus der Regierung, blieb bis 1953 Ministerpräsident, setzte die kapitalistische Restauration und den Beitritt zur NATO durch. Nach Wahlniederlage der DC 1953 trat er als Regierungschef zurück.

Luigi Longo: 1900-1980. Völlig zu Unrecht wird er oft in den Schatten Togliattis gestellt. Dabei wirkte er bei der Umsetzung der Politik der Partei immer ebenbürtig neben ihm. Die Herstellung der Aktionseinheit mit den Sozialisten im Abkommen von 1934, das er mit Pietro Neni unterzeichnete, oder die Verwirklichung der von Togliatti konzipierten "Wende von Salerno", die Schaffung der nationalen Einheitsregierung im April waren auch sein Werk. In die Führung der Partisanenarmee brachte er seine reichen militärischen Erfahrungen aus Spanien ein, wo er als Generalinspekteur im Range eines Divisionsgeneral das Kommando über alle Internationalen Brigaden inne hatte. Unter seinem Kampfnamen "Gallo" wurde er als einer der führenden Militärs bekannt. Nach einer schweren Verwundung 1939 nach Frankreich verbracht, wurde er verhaftet, ins Konzentrationslager Vernet eingesperrt, 1941 nach Italien ausgeliefert und dort eingekerkert. Nach dem Sturz Mussolinis schlug für ihn die Stunde der Befreiung. Den Weg seiner Partei in der Zeit des "historischen Kompromisses" sah er mit großer Sorge. Er bezog kritische Positionen zur KPdSU in der kommunistischen Weltbewegung, über denen jedoch stets sein unverändert konsequenter proletarischer Internationalismus und sein Bekenntnis zu dem in der Oktoberrevolution geschaffenen sozialistischen Staat standen.

Pietro Nenni: 1891-1980. 1908 bis 1919 Mitglied der Republikanischen Partei, gegen Beteiligung Italiens am Ersten Weltkrieg, 1921 Eintritt in ISP. Zunächst Chefredakteur des Avanti, später Jahrzehnte in Spitzenpositionen, darunter als Generalsekretär. Unterzeichnete 1934 gegen die Linie der SI mit Luigi Longo das Aktionseinheitsabkommen mit der IKP. In Spanien Politkommissar der XII. Internationalen Garibaldi-Brigade. Von 1945 bis zum Ausschluss von ISP und IKP aus der Regierung Vizepremier. 1963 bis 1968 unter Moro Vizepremier der linken Zentrumsregierung. Ab 1970 Senator auf Lebenszeit.

Ferrucio Parri: 1890-1981. Mitbegründer und Führer der Aktionspartei, Teilnehmer der Resistenza, Vorsitzender der Nationalen Befreiungskomitees von Oberitalien (CLNAI) und einer der Organisationen der Partisanenarmee. Ministerpräsident der antifaschistischen Einheitsregierung von Juni bis Dezember 1945, war ein mit Kommunisten und Sozialisten eng verbundener kleinbürgerlicher radikaler Demokrat. 1963 wurde er zum Senator auf Lebenszeit ernannt.

Alessandro (Sandro) Pertini: 1896-1988. Führender Sozialist und aktiver Antifaschist, nach Flucht ins Ausland 1929 Rückkehr und illegale Arbeit, im selben Jahr Verhaftung und Verurteilung zu Kerker und Verbannung, durch Sturz Mussolinis befreit. Danach führender Vertreter des CLN und einer der Organisatoren des bewaffneten Kampfes. 1968-1976 Parlamentspräsident, 1978-1985 Staatspräsident.

Giuseppe Saragat: 1898-1988. Unter seiner Führung fand die ISDP auf Grund ihrer antikommunistischen proamerikanischen Politik keine Basis in der Arbeiterbewegung und blieb eine rein kleinbürgerliche Partei. Saragat hatte mehrfach Ministerämter inne, war 1954/55 stellvertretender Ministerpräsident, 1964-1971 Staatspräsident. Auf dem Boden der Verfassung bewahrte er in Grundfragen antifaschistische Positionen und wies ein Zusammengehen mit den Faschisten stets zurück.

Palmiro Togliatti: 1893-1964. Mitbegründer der IKP. Seit Gramscis Verhaftung 1926 amtierender Generalsekretär, nach dessen Tod 1937 im Amt bestätigt. An der Seite Dimitroffs seit 1934 der zweiter Mann an der Spitze der Komintern. Erarbeitete auf der Grundlage der von Gramsci ausgearbeiteten nationalen Strategie die Konzeption des Eintritts der IKP zusammen mit den antifaschistischen Oppositionsparteien in die Regierung von Marschall Badoglio ("Wende von Salerno" im April 1944) und setzte sie zusammen mit Longo durch. In der Antifaschistischen Einheitsregierung (1944 bis 1947) Justizminister, trat er für revolutionäre antifaschistisch-demokratische Umgestaltungen im Rahmen eines parlamentarischen Weges ein. Schloss dabei umstrittene Kompromisse. Bei einem faschistischem Attentat wurde er im Juli 1948 schwer verletzt. Billigte die nach dem XX. Parteitag der KPdSU unter Chruschtschow einsetzenden revisionistischen Tendenzen in der Außenpolitik (Überschätzung der Möglichkeiten der Politik der friedlichen Koexistenz), sprach sich für eine kritische Auseinandersetzung mit der "bürokratischen Degeneration der sowjetischen Gesellschaft" und gegen den Führungsanspruch der KPdSU aus. In seinem für Chruschtschow bestimmten Memorandum legte er unmittelbar vor seinem Tod Gedanken zur "Einheit der kommunistischen Bewegung (...) unter Respektierung der Vielfalt" dar.

Mitgliederzahlen der IKP von 1921 bis 1950:

1921: 58.783;
1922: etwas über 25.000;
1926: rund 20.000;
1944: zirka 400.000;
1945: 1.770.896;
1946: 2.068.282;
1947: 2.252.446;
1948: 2.115.232;
1949: 2.311.487;
1950: 2.576.487.

Quelle: Robotti/Germanetto, S. 232.

Confederazione Generale Italiano del Lavoro (CGIL), einheitlicher Gewerkschaftsbund, wurde am 3. Juni 1944 gegründet und damit war der Versuch der Angloamerikaner vereitelt, die faschistischen Gewerkschaften in "Freie Gewerkschaften" umzuwandeln. In der CGIL übten Kommunisten und Sozialisten den entscheidenden Einfluss aus. In den besetzten Gebieten leistete die CGIL einen bedeutenden Beitrag in der illegalen Betriebsarbeit zur Sabotage der Kriegsproduktion und im Frühjahr 1945 bei der Vorbereitung des Generalstreiks zum bewaffneten Aufstand. Quelle: Leo Valiani, S. 142.

Krim-Konferenz, Treffen bei Jalta der Regierungschefs der UdSSR, der USA und Großbritanniens vom 4. bis 11. Februar 1945, behandelte die Modalitäten der Gründung der UNO, beschloss eine Erklärung über das befreite Europa, die Bildung einer provisorischen polnischen Regierung und legte die Curzon-Linie im wesentlichen als polnische Ostgrenze fest, sagte dafür Polen die Oder-Neiße-Linie zu, wobei die endgültige Grenzlegung einer Friedenskonferenz vorbehalten sein sollte. Für Deutschland wurden Grundfragen der Besatzungspolitik und die Einteilung von Besatzungszonen vereinbart. Die UdSSR verpflichtete sich zwei bis drei Monate nach der deutschen Kapitulation in den Krieg gegen Japan einzutreten, ihr wurden die Kurilen, Südsachalin und Besatzungsrechte in Korea sowie die Autonomie der Mongolischen Volksrepublik (Äußere Mongolei) zugestanden. Zum Abschluss nahm die Konferenz als zusammenfassendes Dokument die Erklärung "Einigkeit im Frieden wie im Krieg" an.

Quellen: Amtsblatt des Kontrollrates in Deutschland, Nr. 1, Reprint der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Berlin 1997, S. 11 bis 20, wiedergegeben in Geschichte der sowjetischen Außenpolitik, Bd. 1, S. 521 ff.


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Publikationen des Autors (Eine Auswahl)

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- Agenten, Terror, Staatskomplott. Der Mord an Aldo Moro, Rote Brigaden und CIA. PapyRossa, Köln 2000.

- Marsch auf Rom. Faschismus und Antifaschismus in Italien. PapyRossa, Köln 2002.

- Berlusconi ein neuer Mussolini" 2. Auflage. Neue Impulse, Essen 2003.

- Aldo Moro und das Bündnis von Christdemokraten und Kommunisten im Italien der 70er Jahre. Aldo Moro gewidmet. Neue Impulse, Essen, 2003.

- Zum Opportunismus in der kommunistischen und sozialistischen Bewegung Italiens. Offensiv-Verlag, Hannover 2003.

- Damals Vietnam, heute Irak. Wie sich die Bilder gleichen. Offensiv-Verlag, Hannover 2005.

- Mussolinis Überfall auf Äthiopien. Eine Aggression am Vorabend des Zweiten Weltkrieges. Pahl Rugenstein Nachf., Bonn 2006.

- Zusammen mit Irene Feldbauer: Sieg in Saigon. Erinnerungen an Vietnam. Pahl Rugenstein Nachf., Bonn 2005, 2. Aufl. 2006.

- Die nationale Befreiungsrevolution Vietnams. Zum Entstehen ihrer wesentlichen Bedingungen von 1925 bis 1945. Pahl Rugenstein Nachf., Bonn 2007.

- Die Recherchen des Commissario Pallotta. Warum Aldo Moro sterben musste. Eine Kriminalgeschichte nach Tatsachen. Offensiv Verlag Hannover 2008.
Erweiterte Neuauflage in der Reihe der Erich Weinert Bibliothek der DKP, Berlin 2011.

- Geschichte Italiens. Vom Risorgimento bis heute. Papyrossa. Köln 2008.

- Der Heilige Vater. Benedikt XVI. - Ein Papst und seine Tradition. Papyrossa. Köln 2010.

- Krieg. Das deutsche Kapital führt ihn wieder weltweit. Die Bundeswehr wurde seit ihrer Geburtsstunde darauf vorbereitet. Schriftenreihe der DKP Berlin "Konsequent", Berlin, 2/2010.

- Wie Italien unter die Räuber fiel. Und wie die Linke nur schwer mit ihnen fertig wurde. Papyrossa, Köln 2012.

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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2012