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MEMORIAL/229: Casa-Pound-Faschisten feierten Massenmord der Schwarzhemden Mussolinis in Äthiopien (Gerhard Feldbauer)


Casa Pound-Faschisten feierten Massenmord der Schwarzhemden Mussolinis in Äthiopien

M5S-Bürgermeisterin Virginia Raggi hatte keine Einwände

von Gerhard Feldbauer, 31. Mai 2021



Graphik: 3mnaPashkan, CC BY-SA 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0], via Wikimedia Commons

Zentren des äthiopischen Widerstands ("Patrioten") und italienische Militäroperationen bis Ende 1937
Graphik: 3mnaPashkan, CC BY-SA 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0], via Wikimedia Commons

Die Ermordung von etwa 30.000 Menschen vom 21. bis 29. Mai 1937 in dem von Mussolini eroberten Äthiopien (damals Abessinien) allein in der Hauptstadt Addis Abeba unter dem Kommando des "Vizekönigs", Marschall Rodolfo Graziani, feierten in Rom am Sonnabend "Faschisten der Casa Pound, des dritten Jahrtausends", berichtete Manifesto. Das linke Blatt erinnerte daran, dass es "Rache für eine Kriegsaktion des äthiopischen Widerstands war", bei der Graziani verwundet wurde. Bei einem "der abscheulichsten Kriegsverbrechen" im sogenannten italienischen Ostafrika brachten die Schwarzhemden im Kloster Debra Libanòs "etwa 2000 Menschen um, darunter Priester, Diakone, Behinderte und Studenten".

Um den Widerstand zu zerschlagen, führten Abteilungen der Schwarzhemden "Strafexpeditionen" durch. Der damals in Addis Abeba weilende Korrespondent des Mailänder Corriere della Sera Ciro Poggiali war Augenzeuge der Massaker, hatte aber Angst, darüber zu berichten. Erst 1971 schilderte er in einem Buch "Gli Appunti segreti dell' Inviati del Corriere della Sera" (Mailand 1991), was sich zugetragen hatte: "Alle Zivilisten, die sich in Addis Abeba befanden, hatten die Aufgabe der Rache übernommen, die in echter faschistischer SA-Manier blitzschnell ausgeführt wurde. Mit Knüppeln und Eisenstangen bewaffnet liefen sie umher und erschlugen die Einheimischen, die sich noch auf der Straße befanden. Nach kurzer Zeit waren die Straßen um die Hütten von Toten übersät. Ich sah einen Busfahrer, der, nachdem er einen alten Neger mit einem Hammerschlag niedergemacht hat, ihm den Kopf mit einem Bajonett durchbohrte. Man muss nicht erwähnen, dass das Gemetzel sich gegen unwissende und unschuldige Menschen richtete" (S. 182).


Foto: Unknown author, Public domain, via Wikimedia Commons

Militärparade italienischer Besatzungstruppen am 1. Mai 1936 in Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens
Foto: Unknown author, Public domain, via Wikimedia Commons

Bei der Eroberung Äthiopiens vom Oktober 1935 bis Mai 1937 wurden etwa 275.000 Soldaten und zahlreiche Zivilisten, vor allem durch den Einsatz des Giftgases Yperit, umgebracht. Um keine Berichte darüber an die Öffentlichkeit kommen zu lassen, ordnete Mussolini am 30. April 1936 persönlich an, gefangen genommene Europäer, die in der äthiopischen Armee gekämpft hatten, zu erschießen.

Nach der Einnahme der Hauptstadt am 5. Mai 1936 setzte sich König Vittorio Emanuele III. die äthiopische Kaiserkrone auf. Der Missionspapst genannte Pius XI. zwang den Äthiopiern auf den Trümmern der koptischen Kirche eine ihnen fremde Religion auf. Der Mailänder Kardinal Ildefonso Schuster feierte im Dom der Stadt in einer Messe "die Heldentaten des italienischen Heeres, das in seiner Pflichterfüllung das Licht der Zivilisation nach Äthiopien getragen" habe.

Der "Duce" befahl, jeden bewaffneten Äthiopier sofort zu erschießen und ebenso mit gefangen genommenen Rebellen zu verfahren. Wörtlich befahl er eine "Politik des Terrors und der Vernichtung". Allein von den Carabinieri (kasernierte Polizei) wurden bis Juni 1936 2.500 Einheimische erschossen.


Foto: Unknown author, Public domain, via Wikimedia Common

Abessinische Krieger im 2. Italienisch-Äthiopischen Krieg - hier am 3. November 1935 auf dem Weg an die Nordfront
Foto: Unknown author, Public domain, via Wikimedia Common

Es gelang indessen nicht, Äthiopien völlig zu unterwerfen. Das Kolonialregime beherrschte nur die großen Städte und etwa ein Drittel des Landes. Die verschiedenen Stämme unter Führung ihrer Ras (Fürsten), aber auch selbständige Partisanenabteilungen, die sich vor allem aus früheren Soldaten und Offizieren zusammensetzten, kontrollierten die schwer zugänglichen Bergregionen und Wüstengebiete.

Nach dem erfolglosen Attentat gegen sich befahl Graziani deshalb, die äthiopische Intelligenz als einen potentiellen Oppositionsherd zu liquidieren. Unzählige christlich-koptische Geistliche und alle Kadetten der Militärakademie von Addis Abeba wurden umgebracht. Tausende Äthiopier sperrte das Kolonialregime in Konzentrationslager, wo die meisten elendiglich zu Grunde gingen. Insgesamt kamen unter der faschistischen Herrschaft bis 1941 etwa 750.000 Äthiopier ums Leben.

Manifesto erinnerte daran, dass Graziani "nicht nur ein Kriegsverbrecher in Afrika und ein Mann des Regimes war, sondern auch Kriegsminister und Stabschef der Kollaborationsrepublik Salò Mussolinis, Unterzeichner der Aufrufe zur Zwangsrekrutierung junger Menschen; Mann des fortgesetzten Bündnisses mit den Nazis; Verantwortlicher für den Bürgerkrieg in Italien". Die Verherrlichung dieser Kriegsverbrechen wurde nicht nur vom Innenministerium der parteilosen Luciana Lamorgese und dem Polizeikommissar von Rom trotz der Proteste demokratischer und linker Organisationen, darunter des Partisanenverbandes ANPI, sondern auch von der Bürgermeisterin von Rom, Virginia Raggi, von M5S genehmigt. Dabei ist bekannt, dass Casa Pound zu den Sturmtrupps der faschistischen Lega Salvinis gehört, die heute an der Regierung des früheren EZB-Chefs Mario Draghi beteiligt ist.

Typisch für die Entwicklung nach 1945 sei gewesen, dass Graziani, so Manifesto, für seine Verbrechen in Italien und im Ausland ungestraft blieb. Nachdem ein italienisches Gericht ihn 1950 zu 19 Jahren Gefängnis verurteilt hatte, wurde er im Rahmen des italienischen NATO-Beitritts wie viele andere auch begnadigt und kam noch im selben Jahr wieder auf freien Fuß. Manifesto erinnert schließlich daran, dass es 1953 bei einer Kundgebung zu der berühmten "Arcinazzo-Umarmung" (benannt nach der Gemeinde bei Rom, wo sie stattfand) "mit dem damaligen Delfin von Alcide de Gasperi (vorheriger Premier der Democrazia Cristiana) Giulio Andreotti, dem späteren mehrfachen Ministerpräsidenten der DC, und dem Massenmörder Graziano kam.

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Quelle:
© 2021 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 22. Juni 2021

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